|
|
|
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt im Umfang des Revisionsbegehrens zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
|
|
1. Durch die Sitzverlegung der Klägerin hat kein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden. Der infolge der Sitzverlegung der Klägerin erfolgte Übergang der örtlichen Zuständigkeit vom beklagten FA auf ein anderes Finanzamt wirkte sich nicht auf das bereits anhängig gewordene Revisionsverfahren aus. Das nach § 63 Abs. 1 FGO beklagte FA blieb passiv legitimiert (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 25. November 1986 VIII R 200/82, BFH/NV 1987, 281; vom 2. Dezember 2015 I R 3/15, BFH/NV 2016, 939; BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2013 IX R 33/12, BFH/NV 2014, 557; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 63 FGO Rz 39). |
|
|
2. Die Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer 2010 und zum Gewerbesteuermessbetrag 2010 vom 2. Juli 2012 sowie insoweit die diesbezügliche Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanz liegen am Bilanzstichtag 31. Dezember 2010 verzinsliche Darlehen vor, so dass die Darlehensverbindlichkeiten zum 31. Dezember 2010 mit ihrem Nominalbetrag von insgesamt 750.000 EUR und nicht mit 377.250 EUR zu passivieren sind. Eine Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG kommt nicht in Betracht. |
|
|
a) Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn für das Streitjahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes –hinsichtlich der Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes– i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG. Sie muss dabei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Dabei sind die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von Wirtschaftsgütern zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG); sie gehen insoweit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vor, so dass die Bewertung jenes Betriebsvermögens nach § 6 EStG vorzunehmen ist. |
|
|
b) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. |
|
|
Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG). |
|
|
Nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), liegen die Voraussetzungen für den Ausnahmetatbestand einer Verbindlichkeit, deren Laufzeit weniger als zwölf Monate beträgt, im Streitfall nicht vor. Gleiches gilt für den Ausnahmefall einer Verbindlichkeit, die auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruht. |
|
|
c) Die streitbefangenen Darlehen sind Verbindlichkeiten, die i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG verzinslich sind. |
|
|
aa) Eine verzinsliche Verbindlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn das Darlehen mit einer Zinsvereinbarung verbunden ist (BFH-Urteil vom 27. Januar 2010 I R 35/09, BFHE 228, 250, BStBl II 2010, 478, Rz 15). Dabei steht die Nichtzahlung der vereinbarten Zinsen einer Verzinslichkeit nicht entgegen (BFH-Beschluss vom 29. Juni 2009 I B 57/09, BFH/NV 2009, 1804). |
|
|
bb) Die Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG gründet auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht (BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2009 I R 4/08, BFHE 226, 347, BStBl II 2010, 177, mit Anm. Buciek, Finanz-Rundschau 2010, 341; BFH-Urteile in BFHE 228, 250, BStBl II 2010, 478; vom 8. November 2016 I R 35/15, BFHE 256, 253, BStBl II 2017, 768, Rz 28 f.; vom 13. Juli 2017 VI R 62/15, BFHE 259, 91, BStBl II 2018, 15; s.a. BTDrucks 14/23, 171). Sie beruht auf dem Faktor "Zeit" und folgt demgemäß dem Grundsatz, dass erst in Zukunft zu erbringende Zahlungen gegenwärtig mit ihrem Barwert abzubilden sind (BFH-Urteile vom 5. Mai 2011 IV R 32/07, BFHE 233, 524, BStBl II 2012, 98; in BFHE 256, 253, BStBl II 2017, 768; in BFHE 259, 91, BStBl II 2018, 15). Ist jedoch das Darlehen verzinst, ist der Darlehensnehmer mit einer in der Zukunft zu erfüllenden Verpflichtung nicht weniger belastet als mit einer sofortigen Leistungspflicht. Nach dem Gesetzeswortlaut ist daher für die Ausnahme von dem Abzinsungsgebot Voraussetzung, dass eine verzinsliche Verbindlichkeit vorliegt, ohne dass jedoch bezüglich der Höhe der Verzinsung weitere Anforderungen bestehen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1804, unter II.4., Rz 16; BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 13 "Zinssatz von mehr als 0 %"; Schmidt/Kulosa, 37. Aufl. § 6 Rz 461; Köster in Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 6 EStG Anm. R 50; HHR/ Kiesel, § 6 EStG Rz 711, es genügt "jeder wirtschaftliche Nachteil"; offen gelassen BFH-Beschluss in BFHE 226, 347, BStBl II 2010, 177). |
|
|
Es besteht daher im Ergebnis ein "Wahlrecht" (Groh, Der Betrieb –DB– 2007, 2275, 2277), eine Verzinsungsabrede mit dem Darlehensgeber zu treffen, mit der Folge, dass eine Abzinsung des Darlehens nicht zu erfolgen hat oder auf eine Verzinsung generell zu verzichten, so dass eine gesetzliche Abzinsung vorzunehmen wäre. |
|
|
cc) Wird eine kurzzeitige Verzinsung von vornherein vereinbart, so ist nach Ansicht des BMF eine verzinsliche Verbindlichkeit gegeben. Eine Abzinsung soll dann unterbleiben (BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 17; offen gelassen BFH-Beschluss vom 22. Juli 2013 I B 183/12, BFH/NV 2013, 1779, Rz 7; zweifelnd Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 461). Wird zunächst ein unverzinsliches Darlehen hingegeben und eine Verzinsung später vereinbart, so ist nach Ansicht des BMF ebenfalls von einer verzinslichen Verbindlichkeit auszugehen (BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 18). Auch das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 6. Januar 2009 12 V 12283/07, EFG 2009, 564) hat die Auffassung vertreten, dass ab dem Zeitpunkt der Abrede einer Verzinsung von einer verzinslichen Verbindlichkeit i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG auszugehen sei. Ebenso wird in der Literatur dies vertreten (s. HHR/Kiesel, § 6 EStG Rz 711; Groh, DB 2007, 2275, 2277; Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 461). Ob diese Aussagen auch dann gelten, wenn vor dem Bilanzstichtag eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde, die aber erst für Zeiträume nach diesem Bilanzstichtag eine Verzinsung vorsieht, ist offen. Das BMF scheint auch in diesem Fall von einer verzinslichen Verbindlichkeit auszugehen (BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 699, Rz 18 i.V.m. Rz 17; ebenso Tiede, Steuern und Bilanzen 2016, 708). |
|
|
dd) Der Senat lässt im Streitfall offen, ob nicht schon vom Zeitpunkt der ursprünglichen Darlehensvereinbarungen an eine verzinsliche Verbindlichkeit vorlag (vgl. dazu Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 461). Dafür spricht, dass auch eine bedingte Verzinsung (im Streitfall 3 % im Falle einer Dividendenzahlung der AG) eine Zinsvereinbarung ist. Jedenfalls folgt er der Ansicht, dass eine spätere unbedingte Verzinsungsabrede zu einer verzinslichen Verbindlichkeit i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG führt, die zum Zeitpunkt des folgenden Bilanzstichtages zu berücksichtigen ist (s. BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 1779, Rz 7, zu dem umgekehrten Fall eines zunächst verzinslichen Darlehens, das später durch eine Vereinbarung in ein unverzinsliches Darlehen umgewandelt wurde). Dies gilt aufgrund des Zwecks der Vorschrift auch dann, wenn die Verzinsung erst nach dem Bilanzstichtag erfolgt. Eine Abzinsung hat dann zu unterbleiben, wenn die Vertragspartner eine Verzinsung vereinbaren, da der Ansatz eines Abzinsungsgewinns den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht entspricht (s. oben). Überdies sollte nach den Gesetzesmaterialien eine Abzinsung nur deshalb erfolgen, um einen Zinsvorteil zu verhindern und den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu verwirklichen (BTDrucks 14/23, 172). Bei Vereinbarung einer unbedingten Verzinsung entfällt dieser Zinsvorteil. Da bereits bei der Ermittlung des anzusetzenden Betrags für die Verbindlichkeit (= Zeitpunkt des Bilanzstichtages) Zinsaspekte der Zukunft zu berücksichtigen sind, greift zu diesem Zeitpunkt auch die Befreiung vom Abzinsungsgebot (HHR/Köster, § 6 EStG Anm. R 50). |
|
|
ee) Im Streitfall liegt daher nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), aufgrund der getroffenen Vereinbarung vom 24. November 2010 spätestens ab diesem Zeitpunkt eine verzinsliche Verbindlichkeit vor, deren Verzinsungsbeginn nur nach dem Bilanzstichtag erfolgte. |
|
|
Der Senat kann offen lassen, ob auch für Fälle einer kurzfristigen Verzinsung oder einer minimalen Verzinsung eine "verzinsliche Verbindlichkeit" i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG angenommen werden kann. Im Streitfall ist eine solche Niedrigverzinsung jedenfalls nicht gegeben. Sie sollte der Höhe des effektiven Zinssatzes des bei der A-Bank aufgenommenen Refinanzierungsdarlehens entsprechen und die restliche Laufzeit der Darlehen erfassen. |
|
|
d) Die nachträgliche Vereinbarung einer Verzinsung erfolgte auch nicht aufgrund missbräuchlicher Gestaltung. Wegen der geänderten Lage bei den Vertragsverhandlungen war mit einer kurzfristigen Rückzahlung der Darlehen nicht mehr zu rechnen, so dass man sich zu der Verzinsungsabrede am 24. November 2010 entschloss. |
|
|
e) Soweit die Klägerin auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 5,5 % hat (s. hierzu das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren 2 BvR 2706/17), kommt es hierauf nicht an. |
|
|
f) Es stellt sich auch hinsichtlich der Verzinsung nicht die Frage –wie die Vorinstanz dies angenommen hat–, ob ein wertaufhellendes oder wertbegründendes Ereignis vorlag; denn die maßgebliche Vereinbarung vom 24. November 2010 war am Bilanzstichtag 31. Dezember 2010 bekannt. Nur bei Tatsachen, die nach dem Bilanzstichtag und bis zur Bilanzaufstellung eingetreten sind oder bekannt bzw. erkennbar werden, ist die Differenzierung zwischen wertaufhellenden und wertbegründenden Tatsachen beachtlich (ständige Rechtsprechung des BFH, s. z.B. Urteil vom 4. April 1973 I R 130/71, BFHE 109, 55, BStBl II 1973, 485, unter 1., m.w.N.; Beschluss vom 12. Dezember 2012 I B 27/12, BFH/NV 2013, 545, Rz 8, m.w.N.). |
|
|
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. |
|