VI R 14/10 – Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen als außergewöhnliche Belastungen – Keine Aufteilung in Unterhaltskosten und Krankheitskosten – Kein Wahlrecht zwischen § 33 EStG oder § 33a EStG – Altersbedingte Heimunterbringung von Angehörigen
Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen als außergewöhnliche Belastungen – Keine Aufteilung in Unterhaltskosten und Krankheitskosten – Kein Wahlrecht zwischen § 33 EStG oder § 33a EStG – Altersbedingte Heimunterbringung von Angehörigen
Leitsätze
1. Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen in einem Altenpflegeheim entstehen, stellen als Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG dar. Abziehbar sind neben den Pflegekosten auch die Kosten, die auf die Unterbringung und Verpflegung entfallen, soweit es sich hierbei um gegenüber der normalen Lebensführung entstehende Mehrkosten handelt.
2. Eine Aufteilung derartiger Kosten in Unterhaltskosten i.S. von § 33a EStG und Krankheitskosten i.S. von § 33 EStG kommt nicht in Betracht.
3. Bei Unterhaltsaufwendungen besteht kein Wahlrecht zwischen einem Abzug nach § 33 EStG oder nach § 33a EStG (§ 33a Abs. 5 EStG).
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob Aufwendungen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die Heimunterbringung ihres pflegebedürftigen Vaters als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind.
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Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (Gesamtbetrag der Einkünfte: 73.180 EUR). In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 machten die Kläger Aufwendungen der Klägerin in Höhe von 1.316 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend. Diesen Betrag hatte die Stadt A von der Klägerin für Kosten der Unterbringung ihres Vaters in einem Altenpflegeheim, die durch einen schweren Schlaganfall und die daraus resultierende Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe II) notwendig geworden war, gefordert. Die Kosten der Heimunterbringung hatten sich auf insgesamt 37.700 EUR belaufen. Hiervon hat der Vater der Klägerin 9.440,64 EUR, die Pflegeversicherung 22.344 EUR und den verbleibenden Restbetrag das Sozialamt der Stadt A getragen. Außerdem hat der Vater der Klägerin, der im Jahr 2006 eine Rente in Höhe von 24.069 EUR bezog, seiner schwer gehbehinderten Ehefrau, der Mutter der Klägerin, Unterhalt –im Einvernehmen mit dem Sozialamt– in Höhe von 15.229 EUR gewährt. Im Einkommensteuerbescheid vom 27. Juli 2007 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen der Klägerin nicht.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Vorverfahren ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 965). Das FA habe die Unterhaltsaufwendungen der Klägerin zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt. Denn die anrechenbaren Einkünfte und Bezüge des Vaters der Klägerin überstiegen den Höchstbetrag von 7.680 EUR.
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Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 33a EStG.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 1. Februar 2010 11 K 1996/08 E und die Einspruchsentscheidung des FA vom 13. Mai 2008 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 2006 mit der Maßgabe zu ändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens Aufwendungen in Höhe von 1.316 EUR als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a EStG zum Abzug zugelassen werden.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin für die Heimunterbringung ihres pflegebedürftigen Vaters nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind.
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a) Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber unterhaltsberechtigten Person können nach § 33a Abs. 1 EStG im Streitjahr bis zu 7.680 EUR vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. § 33a Abs. 1 EStG erfasst allerdings nur übliche, typische Aufwendungen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 22. Juli 1988 III R 253/83, BFHE 154, 111, BStBl II 1988, 830, m.w.N.; vom 22. September 2004 III R 25/03, BFH/NV 2005, 523; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 33a Rz 5; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach –HHR–, § 33a EStG Rz 38; Blümich/Heger, § 33a EStG Rz 100; Schmidt/Loschelder, EStG, 30. Aufl., § 33a Rz 9). Dazu gehören insbesondere Aufwendungen für Ernährung, Kleidung, Wohnung, Hausrat sowie notwendige Versicherungen (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1973 VI R 206/70, BFHE 110, 547, BStBl II 1974, 86, betr. Krankenversicherung, und vom 5. September 1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob mit den Zuwendungen ein einfacher Lebensstil oder gehobene Ansprüche finanziert werden (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 57/05, BFHE 222, 338, BStBl II 2009, 365, m.w.N.). Der von § 33a Abs. 1 EStG umfasste Bereich ist insofern enger als der den "gesamten Lebensbedarf" und damit z.B. auch Krankheitskosten umfassende (vgl. § 1610 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) Unterhaltsbegriff des bürgerlichen Rechts (BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 60/96, BFH/NV 1997, 755). Diese für den typischen Lebensunterhalt des Empfängers bestimmten Unterhaltsaufwendungen können nur bis zum gesetzlichen Höchstbetrag des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG abgezogen werden, sie sind vom Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (§ 33a Abs. 5 EStG).
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b) Untypische Unterhaltsleistungen, mit denen ein besonderer und außergewöhnlicher Bedarf abgedeckt wird –z.B. die Übernahme von Krankheits- oder Pflegekosten–, sind dagegen nach § 33 EStG zu berücksichtigen, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht in der Lage ist, diese Aufwendungen selbst zu tragen (BFH-Urteile in BFHE 222, 338, BStBl II 2009, 365, m.w.N., und vom 17. Dezember 2009 VI R 63/08, BFHE 227, 487, BStBl II 2010, 341; HHR/Kanzler, § 33a EStG Rz 38; siehe auch Fuhrmann in Korn, § 33 EStG Rz 10; Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33 Rz 25; Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rz B 1). Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung von Angehörigen in einem Altenpflegeheim fallen deshalb unter § 33 EStG, während beispielsweise Aufwendungen für deren altersbedingte Heimunterbringung nur nach § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden können (BFH-Urteile vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294; in BFHE 222, 338, BStBl II 2009, 365, und vom 11. Februar 2010 VI R 61/08, BFHE 228, 350, BStBl II 2010, 621). Wie sich aus § 33a Abs. 5 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (jetzt § 33a Abs. 4 EStG) ergibt, hat der Steuerpflichtige insoweit kein Wahlrecht zwischen dem Abzug nach § 33 EStG und dem nach § 33a EStG (BFH-Urteil vom 26. März 2009 VI R 60/08, BFH/NV 2009, 1418).
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c) Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Kosten, die die Klägerin für die Unterbringung ihres Vaters in dem Pflegeheim getragen hat, nicht in Unterhaltskosten i.S. von § 33a EStG und Krankheitskosten i.S. von § 33 EStG aufzuteilen. Denn die unter § 33 EStG fallenden abziehbaren krankheitsbedingten Mehrkosten –und nur wegen dieser ist die Klägerin ausweislich der bindenden Feststellungen des FG vom Sozialamt der Stadt A in Anspruch genommen worden– umfassen ebenso wie bei einer Unterbringung in einem Krankenhaus nicht nur die Aufwendungen für Pflege und ärztliche Hilfe, sondern auch die gesamten vom Heim in Rechnung gestellten Kosten für Unterkunft und Verpflegung, die bei einem Heimaufenthalt in der Regel erheblich höher liegen als die dafür üblichen Kosten bei einem Verbleib im eigenen Haushalt (BFH-Urteil in BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294, m.w.N.).
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d) Nach diesen Maßstäben sind die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen für die Heimunterbringung des durch den schweren Schlaganfall pflegebedürftigen Vaters der Klägerin nicht gemäß § 33a Abs. 1 EStG, sondern nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Allerdings scheidet ein Abzug der streitigen Aufwendungen nach dieser Vorschrift im Streitfall schon deshalb aus, weil diese Aufwendungen die zumutbare Belastung i.S. von § 33 Abs. 3 EStG nicht übersteigen. Denn diese beträgt vorliegend nach § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 4.390,80 EUR (6 % des Gesamtbetrags der Einkünfte in Höhe von 73.180 EUR).
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Damit hat das FG die Klage der Kläger im Ergebnis zu Recht abgewiesen, so dass die Revision als unbegründet zurückzuweisen ist.