I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Jahr 1994 zu 40 % am Stammkapital der im November 1990 gegründeten X-GmbH beteiligt. Gleichzeitig war er bis zum 5. Juli 1994 Geschäftsführer dieser GmbH. Die X-GmbH nahm zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit in den Jahren 1991 und 1992 Darlehen auf, für die der Kläger Sicherheiten leistete. Im Dezember 1994 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH mangels Masse eingestellt. Die Darlehensgeber nahmen den Kläger aus den ihnen gewährten Sicherheiten in Anspruch.
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Mit der am 27. Dezember 1996 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 1994 machten die verheirateten Kläger –ohne weitere Nachweise– einen Verlust des Klägers aus Gewerbebetrieb nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 25.000 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) berücksichtigte diesen Verlust nicht und setzte die Einkommensteuer bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 39.758 DM auf 0 DM fest.
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Am 15. August 2000 beantragten die Kläger eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 1994 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) wegen nachträglicher Anschaffungskosten für die Beteiligung des Klägers an der X-GmbH in Höhe von 291.198,03 DM.
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Das FA lehnte den Antrag ab, da mangels eines eigenkapitalersetzenden Charakters der Bürgschaften keine nachträglichen Anschaffungskosten vorlägen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens forderte das FA vom Bevollmächtigten der Kläger weitere Unterlagen an. Der Bevollmächtigte kam dieser Aufforderung nicht nach. Daraufhin teilte das FA dem Bevollmächtigten mit Schreiben vom Juni 2002 mit, dass die Kläger aufgrund der Festsetzung der Einkommensteuer in Höhe von 0 EUR nicht beschwert seien. Es wies den Einspruch als unzulässig zurück.
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Am 3. Juli 2002 beantragten die Kläger die gesonderte Feststellung eines zum 31. Dezember 1994 verbleibenden Verlustabzugs. Das FA lehnte auch diesen Antrag ab. Der Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids setze die Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids voraus. Daran fehle es im Streitfall.
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Die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, da eine Verlustfeststellung aufgrund der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids nicht mehr in Betracht komme. Auf die Revision der Kläger hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 17. September 2008 IX R 92/07 (nicht amtlich veröffentlicht, juris) das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen.
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Die Klage hatte auch im zweiten Rechtsgang keinen Erfolg. Das FG entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1709 veröffentlichten Urteil, die Feststellungsfrist sei bereits zum Ende des Jahres 2001 abgelaufen. Hieran ändere sich auch unter Berücksichtigung von §§ 88, 89 Abs. 1 Satz 1 AO nichts.
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Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts rügen. Insbesondere sei den Klägern keine schuldhaft unzulängliche Verfahrensführung vorzuwerfen. Demgegenüber sei das FA nicht gewillt gewesen, in der Sache ordnungsgemäß zu handeln. Bei einer nicht ordnungsgemäßen Feststellungserklärung habe das FA die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 88 Abs. 1 AO) und die Höhe der Verluste zu untersuchen (§ 88 Abs. 2 AO). Das FA hätte im Jahr 2000 die Abgabe der Feststellungserklärung anfordern müssen. Es wäre schon nach Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1994 verpflichtet gewesen, das Vorliegen eines Verlustes sowie dessen Höhe aufzuklären und festzustellen. Dass das FA die vorgelegten Belege und abgegebenen Erklärungen nicht zu Gunsten der Steuerpflichtigen berücksichtigt habe, begründe einen Verstoß gegen § 88 AO. Wegen dieser Pflichtverletzung habe das FA den Steuerpflichtigen so zu stellen, wie er ohne die Pflichtverletzung gestanden hätte. Die Pflichtverletzung des FA durchbreche die Festsetzungsverjährung der Einkommensteuerbescheide ab der Antragstellung.
Im Rahmen von § 181 Abs. 5 Satz 1 AO sei auf den ersten Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen.
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Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG sowie den Bescheid vom 1. September 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. September 2004 aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes des Klägers nach § 17 EStG in Höhe von 498.403,72 DM einen Verlustfeststellungsbescheid zur Einkommensteuer 1994 in Höhe von 458.645,72 DM gesondert festzustellen.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zutreffend hat das FG die gesonderte Feststellung des streitbefangenen verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG zum 31. Dezember 1994 abgelehnt.
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1. Im ersten Rechtsgang hat der Senat –in für den zweiten Rechtsgang bindender Weise (§ 126 Abs. 5 FGO; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 30, m.w.N.)– Folgendes entschieden:
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Der zum 31. Dezember 1994 verbleibende Verlustabzug ist gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO gesondert festzustellen, wenn dies für einen späteren Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kommt vorliegend für die gesonderte Feststellung des zum 31. Dezember 1994 verbleibenden Verlustabzugs in Betracht, weil die für sie geltende Feststellungsfrist abgelaufen ist (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 17. September 2008 IX R 92/07, nicht amtlich veröffentlicht, juris).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen hatte das FG im zweiten Rechtsgang lediglich zu prüfen, in welcher Höhe zum 31. Dezember 1994 ein verbleibender Verlustabzug besteht und ob seine gesonderte Feststellung für einen späteren Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
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2. Das FG hat auf der Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass Feststellungsverjährung eingetreten ist und die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1994 für keinen späteren Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Soweit die Kläger in der Revision erstmals vortragen, angesichts positiver Einkünfte in nicht festsetzungsverjährten Jahren würde sich der begehrte Verlustabzug auswirken können, kann dem, da hierzu finanzgerichtliche Feststellungen fehlen, vielmehr das FG von einem Verbrauch der Verluste in den festsetzungsverjährten Jahren 1995 bis 2003 ausgeht, nicht Rechnung getragen werden.
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a) Zutreffend ist das FG von Feststellungsverjährung ausgegangen. Der Gesetzeswortlaut von § 169 Abs. 1 Satz 1 AO wie auch die Funktion der Verjährung, Rechtssicherheit durch Zeitablauf zu gewährleisten, lassen für eine Beurteilung der Verjährung nach Maßgabe einer Mitverursachung des Zeitablaufs seitens des FA keinen Raum, dies weder unter dem Aspekt von Treu und Glauben (vgl. BFH-Urteil vom 19. August 1999 III R 57/98, BFHE 191, 198, BStBl II 2000, 330) noch unter dem einer etwaigen Missachtung der Pflichten aus §§ 88, 89 Abs. 1 AO.
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Jenseits dessen folgt aus den bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) keine Pflichtverletzung des FA dahingehend, dass es den Verlust im Jahr 1997 nach Abgabe der Einkommensteuererklärung 1994 hätte feststellen müssen. Zutreffend verweist das FA darauf, es liege grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen, die richtigen Anträge zu stellen. Die Kläger hätten überdies den Eintritt der Festsetzungsverjährung für die der Verlustentstehung folgenden Veranlagungszeiträume durch Rechtsbehelfe verhindern können (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25. Mai 2011 IX R 36/10, BFHE 233, 314, BStBl II 2011, 807).
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b) Zu Recht geht das FG auch davon aus, dass eine gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs nicht gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. i.V.m. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO möglich ist. Denn auch die Verjährung der insoweit bedeutsamen Einkommensteuerfestsetzungen wird nicht durch eine etwaige Verletzung der Pflichten aus §§ 88, 89 Abs. 1 AO seitens des FA beeinflusst (s. oben a).
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Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang darauf abstellen, zu welchem Zeitpunkt nach Ablauf der Feststellungsfrist eine Verlustfeststellung für eine nicht festsetzungsverjährte Steuerfestsetzung gemäß § 181 Abs. 5 Satz 1 AO von Bedeutung sein muss, ist frühestens auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs abzustellen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des Gesetzes „im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung“ (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 2011 IX R 38/10, BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963 Rz 23). Eine Verschiebung dieses Zeitpunkts im Wege einer analogen Anwendung der für Festsetzungsfristen geltenden Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3 bzw. 3a AO (durch Antragstellung bzw. Anfechtung) kommt schon mangels Regelungslücke nicht in Betracht. Verweist doch § 181 Abs. 5 AO ausdrücklich nur auf § 169 Abs. 1 Satz 3 AO.
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c) Danach konnte das FG hinsichtlich der Höhe des streitbefangenen verbleibenden Verlustabzugs dem Klägervortrag folgen und dessen Feststellung zum 31. Dezember 1994 gleichwohl ablehnen.
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3. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) kommt nicht in Betracht. Die Ablehnung der Verlustfeststellung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.