Finanzgericht Köln, 7 K 2906/17
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum in dem das Kind A nach dem Abschluss einer dualen Ausbildung zur Stadtinspektorin mit Abschluss als Bachelor of Laws Vollzeit tätig war, um anschließend ein Masterstudium für öffentliches Management an der Universität B anzuschließen.
3Das Kind A, geboren am 01.10.1994, befand sich vom 01.09.2013 bis zum 25.08.2016 in der dualen Ausbildung zur Stadtinspektorin mit dem Studienabschluss Bachelor of Laws (Fachhochschule ...) bei der Stadt G. Hierdurch erlangte sie die Befähigung für die Laufbahn im gehobenen Dienst. Mit Wirkung vom 25.08.2016 wurde sie zur Stadtinspektorin in das Beamtenverhältnis auf Probe ernannt und ihr wurde der akademische Grad Bachelor of Laws (180 Credits) verliehen.
4Mit Bescheid vom 03.08.2016 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für A gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – ab September 2016 auf, da A im August 2016 ihre Ausbildung beendet habe. Am 22.08.2017 beantragte die Klägerin, rückwirkend Kindergeld ab September 2016 festzusetzen, da sich die Tochter weiterhin in Ausbildung befinde. Seit dem 01.10.2017 sei sie an der Universität B für den berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengang „Master of Public Administration“ eingeschrieben. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.08.2017 ab und wies den fristgerechten Einspruch der Klägerin durch Einspruchsentscheidung vom 09.10.2017 als unbegründet zurück, da A eine Erwerbstätigkeit nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung ausüben würde.
5Mit der hiergegen am 03.11.2017 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiter. Sie führt zur Begründung aus, dass ihre Tochter ihr Berufsziel im August 2016 mit Abschluss der dualen Ausbildung zur Stadtinspektorin und dem Studienabschluss Bachelor of Laws noch nicht erreicht habe. Ihr Berufsziel sei es von Beginn an gewesen, in den höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst zu gelangen. Zu Beginn ihrer dualen Ausbildung an der Fachhochschule ... in G habe sie erfahren, dass zur Erreichung dieses Ziels ein berufsbegleitender Studiengang an der Fachhochschule ... angeboten werde. Dieser befähige die Absolventen durch den Masterabschluss mit dem Schwerpunkt öffentliche Verwaltung für den höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst. Dieser Masterstudiengang sei berufsbegleitend angelegt und werde nur an wenigen Hochschulen angeboten. Er setze nach den jeweiligen Studienordnungen einen ersten bestandenen berufsqualifizierenden Hochschulabschluss (mit mind. 180 Credits), nachgewiesen durch eine Bachelorprüfung an einer deutschen Hochschule, und eine mindestens ein- oder zweijährige einschlägige Berufserfahrung in der öffentlichen Verwaltung (ohne Ausbildungszeiten) voraus. A habe das Masterstudium zum frühesten Zeitpunkt am 01.10.2017 begonnen. Sie habe sich zudem erkundigt, ob das praktische Berufsjahr abgekürzt werden könne, was jedoch abschlägig beschieden worden sei. Dies zeige ihre ernsthaften Bemühungen, ihr Berufsziel zu erreichen. Als Nachweis legt die Klägerin die E-Mail-Korrespondenz ihrer Tochter mit Herrn C, Fachhochschule ... in G, vom 28.03.2017 bis 03.04.2017 vor, aus welcher sich ergibt, dass sie sich nach einer Verkürzung der zweijährigen Berufspraxis erkundigte. Zulassungsvoraussetzung für den weiterbildenden Masterstudiengang (12 Tage Präsenzzeiten samstags pro Semester), ist eine zweijährige Berufserfahrung. Des Weiteren legt sie die E-Mail-Korrespondenz der Tochter mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin vom 24.01./02.02.2017 vor, nach welcher die Tochter dort im Auswahlverfahren nicht berücksichtigt wurde, da ihr die einjährige Berufspraxis für den weiterbildenden Masterstudiengang fehlte. Ferner fügte sie die Zulassungsvoraussetzungen der Universität B für Öffentliches Management bei, nach der ebenfalls ein Jahr Berufspraxis für den Weiterbildungsstudiengang vorausgesetzt wird.
6Ergänzend trägt die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.05.2018 vor, dass bereits das Bachelorstudium dual angelegt gewesen sei, was jedoch der Kindergeldgewährung nicht entgegengestanden habe. Es sei daher nicht konsequent, nunmehr die berufsbegleitende Ausgestaltung des Masterstudiums als kindergeldschädlich anzusehen. Das berufspraktische Jahr vor Beginn des Masterstudiums stelle lediglich eine weitere Zulassungsvoraussetzung dar, wie das abgeschlossene Bachelorstudium mit 180 Credits. Bereits ein Bachelorstudium könnte bis zum 25. Lebensjahr andauern, auch wenn die erforderlichen 180 Credits bereits nach drei Jahren erreicht sein würden. In diesen Fällen würde Kindergeld gewährt werden. Die unterschiedliche Behandlung im Vergleich zum Streitfall sei letztlich ungerecht, da diese Art von Masterstudium gegenüber anderen Masterstudiengängen benachteiligt werden würde. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 23.05.2018 verwiesen.
7Die Klägerin beantragt,
8unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 30.08.2017 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 09.10.2017 ihr Kindergeld für die Monate 09/2016 bis 10/2017 für die Tochter A zu gewähren.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11In Ergänzung ihrer Begründung aus der Einspruchsentscheidung betont die Beklagte, dass das aufgenommene Masterstudium sich nicht als ein Teil einer mehraktigen Berufsausbildung darstellt. Im Streitfall fehle es an dem von der Rechtsprechung geforderten engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der ersten und der weiterführenden Ausbildung. Setze die weiterführende Berufsausbildung eine Berufspraxis voraus, liege regelmäßig kein notwendiger enger Zusammenhang vor. Das Masterstudium stelle daher eine Zweitausbildung des Kindes dar. Seit August 2016 gehe das Kind allerdings einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach, die der Festsetzung von Kindergeld entgegenstehe.
12Entscheidungsgründe
13Die Klage ist unbegründet.
14Der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 30.08.2017 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 09.10.2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 101 der Finanzgerichtsordnung – FGO –. Die Klägerin hat für die Monate 09/2016 bis 10/2017 für ihre Tochter A keinen Anspruch auf Kindergeld gemäß §§ 62 ff. des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung – EStG –.
15I. Ein Kindergeldanspruch der Klägerin (§ 62 Abs. 1 EStG) setzt voraus, dass sich das Kind, welches das 18. Lebensjahr aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, für einen Beruf ausgebildet wird, §§ 63 Satz 1 Abs. 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG. Nach Abschluss einer erstmalige Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird das Kind in diesen Fällen nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 63 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Unschädlich sind Erwerbstätigkeiten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit mit bis zu 20 Stunden, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (§ 63 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).
16II. Im Streitfall hat das Kind A im August 2016 eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen. Während der nachfolgenden berufspraktischen Zeit und mit Beginn des Zweitstudiums hat sie mehr als 20 Stunden in der Woche gearbeitet und befand sich auch nicht in einem Ausbildungsdienstverhältnis.
171. Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem – hier die Ausbildung zur Stadtinspektorin mit dem Studienabschluss Bachelor of Laws – zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (vgl. grundlegend: BFH-Urteil vom 03.07.2014 III R 52/13, BStBl II 2015, 152; im Anschluss: BFH-Urteile vom 15.04.2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163; vom 16.06.2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378; vom 03.09.2015 VI R 9/15, BFHE 215, 10, BStBl II 2016, 166 und vom 04.02.2016 III R 14/15, BFHE 253, 145, BStBl II 2016, 615; BFH-Beschluss vom 29.08.2017 XI B 57/17 XI B 57/17, BFH/NV 2018, 22; aus der finanzgerichtlichen Rspr. vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 28.06.2017 5 K 2388/15, juris; Urteil vom FG Münster vom 17.01.2018 3 K 2555/17 kg, juris; Urteil vom FG Düsseldorf vom 11.01.2018 9 K 1541/17 Kg, juris). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (vgl. nur BFH-Urteil vom 03.07.2014, BStBl II 2015, 152).
182. Nach diesen Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die das Gericht für zutreffend hält und denen es folgt, bildet die duale Ausbildung der Tochter der Klägerin zur Stadtinspektorin verbunden mit dem Fachhochschulstudiengang Bachelor of Laws keine Ausbildungseinheit im o.g. Sinne mit dem Masterstudium für öffentliches Management an der Universität B, weil das dortige Masterstudium eine berufspraktische Erfahrung von mindestens einem Jahr voraussetzt. Auch wenn ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der dualen Ausbildung und dem Masterstudium angenommen werden kann, fehlt es an einem engen zeitlichen Zusammenhang. Die durch das berufspraktische Jahr eingetretene zeitliche Zäsur erfolgt nicht allein zur Überbrückung zwischen zwei Abschnitten einer einheitlichen Ausbildung, sondern bildet eine eigenständige Zulassungsvoraussetzung für den weiteren Masterstudiengang. Dieses Minimum beruflicher Erfahrung dient als zusätzliches Qualifikationsmerkmal der Studierenden für den (berufsbegleitenden) Weiterbildungsstudiengang, um den Anforderungen für den höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst, z.B. im Bereich Leitung, Führung und Entscheidungskompetenz, im späteren Berufsleben gerecht werden zu können. Die Berufsausbildung ist durch diese, mit einem Jahr auch erhebliche berufspraktische Zeit bewusst durchbrochen.
19Soweit die Klägerin zur Begründung Vergleiche mit anderen (hypothetischen) Ausbildungswegen heranzieht, vermag diese nichts an der Entscheidung des Gerichts zu ändern. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass in der Rechtsprechung bei anders ausgestalteten Masterstudiengängen eine einheitliche Erstausbildung angenommen wurde (vgl. BFH-Urteil vom 03.09.2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166 konsekutives Masterstudium Wirtschaftsmathematik). Der Streitfall unterscheidet sich jedoch dadurch, dass die berufspraktische Erfahrung im erlernten Ausbildungsberuf – hier als Stadtinspektorin – unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen des weiteren Berufsabschlusses ist (vgl. zum Steuerfachwirt: Urteile des FG Münster vom 23.05.2017 1 K 2410/16 Kg, juris und17.01.2018 3 K 2555/17 Kg, juris beide Rev. anhängig; Urteil des Niedersächsischen FG vom 17.10.2017 13 K 76/17, juris; Urteil des FG Saarland vom 15.02.2017 2 K 1290/16, juris Rev. anhängig; Urteil des FG Düsseldorf vom 11.01.2018 9 K 1541/17 Kg, juris). Soweit sich die Klägerin darüber hinaus auf das Urteil des Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2017 (Az. 5 K 2388/15, juris) beruft, betrifft dies einen Einzelfall, welcher eine berufspraktische Zeit zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten von lediglich zwei Monaten zum Gegenstand der Entscheidung hatte.
203. Die aufgenommene Berufstätigkeit der Tochter der Klägerin als Stadtinspektorin bei der Stadt G mit einer Vollzeitstelle nach Abschluss der Ausbildung ab September 2016 stellt eine im Sinne des § 63 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG schädliche Erwerbstätigkeit mit mehr als 20 Wochenstunden regelmäßiger Arbeitszeit dar. Diese Berufstätigkeit begründet auch kein Ausbildungsdienstverhältnis, durch welches die Ausbildung zur Steuerinspektorin und das Bachelorstudium mit dem Masterstudium verknüpft werden würde. Ein Ausbildungsdienstverhältnis setzt voraus, dass die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d.h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund des Arbeits- oder Dienstverhältnisses steht (vgl. nur BFH-Urteil vom 09.06.1999 VI R 50/98, BStBl II 1999, 706; BFH-Beschluss vom 29.08.2017 XI B 57/17, BFH/NV 2018, 22). Die Tochter der Klägerin ist ohne einen (weiteren) Ausbildungsplan im gehobenen Dienst für die Stadt G tätig. Im Vordergrund steht die Erbringung der Arbeitsleistung und nicht der Ausbildungscharakter. Allein die Erlangung beruflicher Erfahrungen reicht für die Annahme eines Ausbildungsdienstverhältnisses nicht aus. Das kostenpflichtige Masterstudium absolviert die Tochter der Kläger in eigener Initiative und Verantwortung berufsbegleitend zu ihrer Erwerbstätigkeit.
21II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
22III. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.