Finanzgericht Köln, 6 K 1075/18 (PKH)
Die Anträge werden abgelehnt.
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Gründe:
2Das Finanzamt erließ unter dem 21.03.2017 gegen den Antragsteller einen Haftungsbescheid für Lohnsteuerrückstände der A S.R.L.
3Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seinem Einspruch vom 07.06.2017.
4Nachdem das Finanzamt zwar dem zugleich gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung und auf Aussetzung der Vollziehung am 19.06.2017 entsprochen hatte, aber eine Entscheidung über den Einspruch ausblieb, hat der Antragsteller mit am 03.05.2018 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 02.05.2018 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Untätigkeitsklage mit dem Ziel der Aufhebung des Haftungsbescheides gestellt, dem er neben dem Klageentwurf eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt hat.
5Mit Bescheid vom 08.06.2018 hat das Finanzamt den angefochtenen Haftungsbescheid aufgehoben und zugleich darin erklärt, dass sich hierdurch der Einspruch erledigt habe.
6Hierauf hat der Antragsteller den Prozesskostenhilfeantrag mit Schriftsatz vom 11.06.2018 für erledigt erklärt und
7beantragt,
8dem Finanzamt B die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens gemäß § 138 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuerlegen
9sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.
10Zur Begründung seines nunmehrigen Antrages trägt der Antragsteller vor, dass hierdurch seinen Vertretern die Geltendmachung der 1,0 Verfahrensgebühr nach VV 3335 ermöglicht würde. Das Finanzamt, das anscheinend nicht mit einer Untätigkeitsklage gerechnet habe, sei sofort nach Zustellung des Prozesskostenhilfeantrages in die Rücknahme des Haftungsbescheides geflüchtet, obwohl die im Entwurf beigefügte Untätigkeitsklage gegenüber den Sach- und Rechtsausführungen im Vorverfahren nichts Neues enthalten habe. Zwar könne nun vorliegend eine Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr ergehen, da das Finanzamt nach dem Prozesskostenhilfeantrag in die Erledigungserklärung geflüchtet sei. Es werde auf eine Kostenentscheidung in unmittelbarer, hilfsweise entsprechender Anwendung des § 138 Abs. 1 FGO und auf eine Berücksichtigung dieser Vorschrift im Prozesskostenhilfeverfahren gehofft. Nach herrschender Meinung könne das Gericht dem obsiegenden Gegner die Kosten des Antragstellers im Prozesskostenhilfeverfahren auferlegen (z. B. Musielak/Voit/Fischer, § 118 ZPO, Rn. 16; MK-ZPO/Wache, § 118 Rn. 24). Es erscheine unbillig, dem durch einen staatlichen Verwaltungsakt Beschwerten, der mittellos und auf einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe angewiesen sei, gegenüber einem Beschwerten, der die finanziellen Mittel zur sofortigen Klageerhebung habe, kostenrechtlich schlechter zu stellen.
11Entscheidungsgründe
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I. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe bzw. darauf, dem Finanzamt die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens aufzuerlegen, hat keinen Erfolg.
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1. Es handelt sich vorliegend nicht um eine Klage – eine solche ist nicht erhoben –, sondern um einen isolierten Antrag auf Prozesskostenhilfe. Dies folgt aus dem Schriftsatz des Antragstellers vom 02.05.2018, in dem ausdrücklich von der beabsichtigten Klage gegen den Haftungsbescheid sowie von Antragsteller und Antragsgegner die Rede ist und auf den beigefügten Klageentwurf verwiesen wird.
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2. Der Haftungsbescheid vom 21.03.2017 ist durch Bescheid vom 08.06.2018 aufgehoben worden, so dass von ihm keine, den Antragsteller beschwerenden Rechtswirkungen (vgl. § 124 Abs. 2 AO) mehr ausgehen und insofern bereits vor der Klageerhebung materiell Erledigung eingetreten ist. Das Finanzamt hat im Hinblick darauf das Einspruchsverfahren für erledigt erklärt, worauf der Antragsteller seine Erklärung der Erledigung des Prozesskostenhilfeantrages abgegeben hat.
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3. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 142 FGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO ist kein Raum mehr, wenn sich – wie vorliegend – der materielle Streit in der Hauptsache bereits im Prozesskostenhilfeverfahren noch vor Klageerhebung erledigt.
Die Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe sind in einer derartigen Konstellation nicht erfüllt, weil es an der erforderlichen Erfolgsaussicht in der Hauptsache fehlt (§ 142 Abs. 1 FGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Zivilprozessordnung – ZPO –). Denn aufgrund des Wegfalls der Beschwer des Antragstellers, wäre eine Klage unzulässig. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein nicht mehr beabsichtigtes Klageverfahren ginge ins Leere, so dass es dafür jedenfalls an einem schutzwürdigen Interesse fehlte.
19Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe auch nicht mit Rücksicht darauf bewilligt werden, dass seinen Bevollmächtigten nach Nr. 3335 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz für das Verfahren über die Prozesskostenhilfe möglicherweise ein Vergütungsanspruch zusteht. Hierbei würde es sich nicht um Kosten des Klageverfahrens, sondern um Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens handeln, für das Prozesskostenhilfe gesetzlich nicht vorgesehen und insofern nicht zu gewähren ist. Denn unter Prozessführung im Sinne von § 114 ZPO ist nur das eigentliche Streitverfahren zu verstehen und nicht bereits das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren (Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 28.06.2012 II-4 WF 60/12, Monatsschrift für Deutsches Recht – MDR – 2012, 1368; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.01.2010, Az. 18 E 1195/09, DVBl 2010, 464; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2009 10 M 56/08, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht – NJW-RR – 2009, 1003; Sächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 22.01.2013 4 K 861/12, juris; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.09.2017 7 K 7093/17, juris; Geimer in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 142 Rn. 3; Weigel, AO-Steuerberater 2013, 19 [22]; VG München, Beschluss vom 07.02.2011, M 10 KO 10.6328, juris).
20Es ist auch keine ausdehnende Auslegung geboten, weil der Antragsteller im Bedarfsfall wegen der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Hilfe nach dem Beratungshilfegesetz in Anspruch nehmen und den Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe sodann – ohne Anwaltszwang (vgl. § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 1, 78 Abs. 3 ZPO; sowie § 62 Abs. 1 FGO) – vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklären könnte und schließlich der armen Partei, der für das Bewilligungsverfahren Prozesskostenhilfe nicht gewährt wird, auch keine Kostennachteile entstünden. Insofern ergibt sich im Ergebnis auch nicht die vom Antragsteller angesprochene Unbilligkeit und Ungleichbehandlung von finanziell unterschiedlich ausgestatteten Rechtssuchenden.
21Die Sach- und Rechtslage im Streitfall ist mit der Sach- und Rechtslage, wie sie dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.05.2010 III S 4/09 (PKH) (BFH/NV 2010, 1482) zugrunde lag, nicht vergleichbar. Denn insoweit war die ursprünglich erhobene Klage noch rechtshängig. Davon abweichend ist das Einspruchsverfahren im Streitfall mit der zur vollständigen Einspruchsabhilfe führenden Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides beendet und keine Klage anhängig.
22Ferner ist die Sach- und Rechtslage im Streitfall nicht mit der Konstellation vergleichbar, in der die Rechtshängigkeit eines anhängig gewesenen Klageverfahrens vor einer Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe durch Klagerücknahme oder übereinstimmende Erledigungserklärung weggefallen ist (vgl. dazu Schoenfeld in Beermann/Gosch, AO/FGO, Stand: 01.08.2016, § 142 FGO Rn 45).
23Schließlich ist der Antragsteller nicht rechtlos gestellt, da materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche (z.B. aus Amtshaftung gemäß § 839 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –, Art. 34 Grundgesetz – GG –) nicht ausgeschlossen sind (Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 114 Rn 17 m.w.N.). Darüber ist jedoch im hiesigen Verfahren nicht zu entscheiden.
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4. Es kann vorliegend auch keine Kostenentscheidung nach § 138 FGO erfolgen.
Eine Kostenentscheidung nach § 138 FGO setzt eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch übereinstimmende Erledigungserklärung voraus, woraufhin über die Kosten dieses Hauptsacheverfahrens zu entscheiden ist.
27Zu einer Erledigung der Hauptsache kann es in einem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht kommen, denn nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO kann sich nur "ein Rechtsstreit", also ein kontradiktorisches Verfahren in der Hauptsache erledigen. Um ein derartiges Verfahren handelt es sich bei einem auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung gerichteten Verfahren jedoch nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juli 1969, V B 29/69, BFHE 96, 257, BStBl II 1969, 593; Finanzgericht Bremen, Beschluss vom 10.03.1995 1 94 237 S 6, EFG 1995, 818; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 142 FGO Rn. 5). Das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung findet nämlich nicht zwischen dem Antragsteller und dem (eventuell späteren) Prozessgegner statt, sondern zwischen dem Antragsteller und dem Staat. Es ist ein nicht streitiges, seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsvorsorge zuzurechnendes Antragsverfahren.
28Es scheidet auch eine entsprechende Anwendung von § 138 FGO aus, da über die hiermit eröffnete Erstattung der Kosten der Führung des Prozesskostenhilfeverfahrens, Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren erreicht werden könnte, die – wie oben dargelegt – gerade gesetzlich nicht gewollt ist.
29Für die vom Antragsteller begehrte Kostenentscheidung zu Lasten des Finanzamts kann auch nicht § 143 Abs. 1 FGO als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Zwar hat nach § 143 Abs. 1 FGO das Gericht "im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über Kosten zu entscheiden". Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf gerichtliche Entscheidungen, die einen selbständigen Verfahrensabschnitt oder ein selbständiges Zwischenverfahren beenden. Eine Entscheidung, durch die ein Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingestellt wird bzw. beendet wird, gehört nicht dazu. In einem solchen Verfahren ist deshalb kein Raum für eine gerichtliche Kostenentscheidung (BFH-Beschluss vom 17. Juli 1969, V B 29/69, BFHE 96, 257, BStBl II 1969, 593). Eine Kostenerstattungspflicht, wie sie die nach § 155 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwendenden Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO für das streitige Prozessverfahren vorsehen, gibt es im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht, und auch für eine sinngemäße Anwendung der §§ 135 Abs. 1, 137 FGO ist im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kein Raum (BFH-Beschluss vom 17. Juli 1969, V B 29/69, BFHE 96, 257, BStBl II 1969, 593).
30Die Kosten eines Rechtsanwalts (§ 2 Abs. 1 RVG und VV RVG Nr. 3335) oder z.B. Steuerberaters (über § 46 StBVV bzw. § 142 Abs. 2 Satz 2 FGO) für die Vertretung in dem Prozesskostenhilfeverfahren hat der Beteiligte insofern selbst zu tragen (vgl. auch Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 142 FGO Rn. 56).
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II. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (Gräber/Stapperfend, FGO, 8. Aufl. 2015, § 142 Rn 98; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 142 FGO Rn. 56). Das Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist gerichtsgebührenfrei (vgl. § 1 Nr. 2 i.V.m. Anlage 1 Teil 6 GKG; ein Gebührentatbestand im KostVerz. fehlt).
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III. Die beantragte Notwendigerklärung der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO kommt schon mangels einer Kostengrundentscheidung zu Gunsten des Antragsteller und zu Lasten des Finanzamts gemäß § 135, § 136 oder § 138 FGO nicht in Betracht. In § 139 Abs. 1 bis 3 FGO werden nur die aufgrund einer solchen Kostenlastentscheidung zu erstattenden Kosten dem Umfang bzw. der Höhe nach geregelt. Nur soweit ein Kläger im Klageverfahren obsiegt, sei es durch Urteil oder sei es etwa durch Abhilfe und übereinstimmende Erledigungserklärung, kann nach Kostengrundentscheidung zu seinen Gunsten das Gericht durch Beschluss gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO über die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren befinden und können danach die dort entstandenen Kosten zu erstatten sein (Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 14.04.2011 3 KO 201/10, ZInsO 2011, 2005).