Finanzgericht Köln, 2 Ko 3253/17
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Erinnerungsführerin.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Erinnerungsführerin eine Erledigungsgebühr zu erstatten ist.
4In der Hauptsache stritten die Beteiligten im Verfahren 8 K 3391/13 über Feststellungen der Betriebsprüfung.
5Im Rahmen eines Erörterungstermins am 16.02.2017 machte der Berichterstatter ausweislich Seite 6 des Protokolls einen Einigungsvorschlag. Der Berichterstatter hielt eine steuerliche Berücksichtigung der Hälfte der von der Finanzverwaltung hinzugeschätzten Beträge für angemessen. Daraufhin wurde um 11:50 Uhr der Erörterungstermin unterbrochen und um 12:15 Uhr fortgesetzt. Im Anschluss erklärten die Beteiligten übereinstimmend, dem Vorschlag des Berichterstatters zuzustimmen.
6Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 06.07.2017 begehrte die Erinnerungsführerin die Festsetzung einer Erledigungsgebühr i.H.v. 1,0 gemäß Nr. 1003 VV RVG i.H.v. 2733 €.
7Im Rahmen einer Erörterung trug der Erinnerungsgegner vor, dass die Erledigungsgebühr nicht verdient worden sei, da der Prozessbevollmächtigte an der Erledigung des Rechtsstreits nicht gesondert und qualifiziert mitgewirkt habe, sondern lediglich die normale anwaltliche Tätigkeit im Prozess ausgeübt habe.
8Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.09.2017 (zugestellt am 29.09.2017) setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten auf 11.617,57 € fest und berücksichtigte die angesetzte Erledigungsgebühr nicht. Zur Begründung führte er aus, dass der Prozessbevollmächtigte nicht in besonderer Weise an einer außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits mitgewirkt habe. Der Prozessbevollmächtigte sei nicht über das hinausgegangen, was ohnehin zur Klagebegründung erforderlich gewesen sei. Ursächlich für die außergerichtliche Erledigung sei ein Vorschlag des Berichterstatters gewesen. Danach habe sich die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Rahmen der allgemeinen Prozessführung, die durch die Verfahrensgebühr abgegolten sei, bewegt.
9Hiergegen wandte sich die Erinnerungsführerin mit Erinnerung vom 13.10.2017.
10Zur Begründung trug sie vor, dass die Verhandlung wiederholt unterbrochen worden sei, um Erledigungsmöglichkeiten zwischen Erinnerungsführerin und Prozessbevollmächtigtem zu besprechen. Es habe eine Einigung erzielt werden können, die auf einem Vorschlag des Prozessbevollmächtigten beruht habe. Richtigerweise werde in dem angegriffenen Beschluss zwar bemerkt, dass der Vorsitzende nach längerer Verhandlung einen Erledigungsvorschlag unterbreitet habe. Dieser Vorschlag sei jedoch nicht ursächlich für die Erledigung des Verfahrens gewesen. Erst im Laufe der weiteren Verhandlung sei eine Einigung erzielt worden, die aber auf einen weiteren Vorschlag des Prozessbevollmächtigten beruht habe.
11II.
12Die Erinnerung ist unbegründet.
131. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtmäßig und verletzt die Erinnerungsführerin nicht in ihren Rechten.
14Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der begehrten Erledigungsgebühr.
15a. Nr. 1003 i.V. Nr. 1002 VV RVG sieht die Entstehung einer Erledigungsgebühr vor, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch den Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Ebenso wie § 24 BRAGO erfordert Nr. 1002 VV RVG dabei eine anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung, die über die überzeugende Begründung sowie die allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit hinausgeht und auf eine Erledigung der Rechtssache ohne förmliche Entscheidung gerichtet ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12.02.2007 – III B 140/06, BFH/NV 2007, 1109). Die Erledigungsgebühr ist keine reine Erfolgsgebühr für eine allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit, sondern eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung verdient werden kann. Im Gesetz kommt dies in den Worten „durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt“ zum Ausdruck. Die Erledigungsgebühr entsteht deshalb grundsätzlich weder, wenn sich die Sache bereits beispielsweise im Rahmen des Verwaltungsvorverfahrens erledigt noch dann, wenn lediglich die Äußerungen des Berichterstatters im Rahmen eines Erörterungstermins die Finanzbehörde zur Rücknahme oder Änderung des Bescheides veranlasst haben. Ebenso wenig entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn die Finanzbehörde unter dem Eindruck der Klagebegründung bzw. eines ergänzenden Schriftsatzes oder aufgrund eines Hinweises auf die Rechtslage/Rechtsprechung den Bescheid aufhebt bzw. ändert und damit einen Kläger in einem gerichtlichen Verfahren klaglos stellt (vgl. Stapperfend in: Gräber, FGO, 8. Aufl., § 139 Rz. 86; Hollatz, Kosten in Finanzrechtsstreit, NWB Fach 2, S. 8677/8717). Es versteht sich von selbst, dass der Prozessbevollmächtigte in möglichst überzeugender Weise die rechtlichen Argumente vorträgt, die dem Begehren seines Mandanten zum Erfolg verhelfen können. Folgt ein Bevollmächtigter lediglich einem Erledigungsvorschlag eines Berichterstatters, ohne von sich aus aktiv, auf eine Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung hinzuwirken, liegt keine besondere Mitwirkung zum Zwecke der Erledigung vor (vgl. FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 05. April 2011, 13 KO 13326/10, EFG 2011, 1551).
16b. Das erforderliche Mitwirken kann in einem Klageverfahren aber beispielsweise in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, welches die Aufhebung/Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Auch die mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbundene Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt werden soll, kann eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit sein, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert und ermöglicht. Ein entsprechendes Einwirken auf den Steuerpflichtigen, der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits zuzustimmen, ist eine besondere Leistung, die nicht mit der allgemeinen Verfahrensgebühr abgegolten ist. Aus Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung wurde z. T. in der Vergangenheit eine nicht unwesentliche Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens dabei regelmäßig angenommen, wenn es um mehr als 10 % eingeschränkt wird (vgl. FG Köln, Beschlüsse vom 28.06.2004 – 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642; vom 28.02.2011 – 10 Ko 1119/10, EFG 2011, 1545; vom 30.09.2014 – 10 Ko 2686/14, EFG 2014, 2170). In Konkretisierung und Weiterentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der diese Rechtsprechung begründende Senat in der Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens um mehr als 10 % später jedoch lediglich ein Indiz für die Entstehung einer Erledigungsgebühr gesehen, wobei im jeweiligen Einzelfall jedoch weitere Anhaltspunkte vorliegen müssten, die auf eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende zusätzliche Beratungsleistung des Bevollmächtigten bzw. ein besonderes Einwirken des Bevollmächtigten auf den Steuerpflichtigen hindeuteten. Andernfalls entstünde im Falle einer mit einer wesentlichen Einschränkung des Klagebegehrens verbundenen einvernehmlichen Beilegung des Rechtsstreits im Wege der Abhilfe durch den Beklagten mit nachfolgender übereinstimmender Erledigungserklärung stets eine vom Beklagten zu erstattende Erledigungsgebühr ohne jegliche Rücksicht darauf, inwieweit der Bevollmächtigte überhaupt an dieser Einschränkung mitgewirkt und in wesentlicher Hinsicht mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung auf den Steuerpflichtigen eingewirkt habe. Demgegenüber käme es nicht zur Entstehung einer Erledigungsgebühr, wenn der Beklagte – trotz materieller, mit einer wesentlichen Einschränkung des Klagebegehrens verbundenen Einigung – auf einem Urteil bestehen würde. Ein solches Ergebnis sei sinnwidrig und widerspräche auch dem Charakter der Erledigungsgebühr als besonderer Tätigkeitsgebühr. Zudem würde die allein auf Vereinfachungs- und Praktikabilitätserwägungen beruhende bisherige Rechtsprechung zur Annahme einer wesentlichen Einschränkung des Klagebegehrens bei Einschränkung um mehr als 10 % zu einem Automatismus für die Entstehung der Erledigungsgebühr führen, was durch das Gericht jedoch keineswegs bezweckt gewesen sei (vgl. FG Köln, Beschluss vom 18.05.2016, 10 Ko 182/16, n.v.).
17c. Nach den allgemeinen Grundsätzen ist derjenige, der Anspruchsvoraussetzungen für sich geltend macht, darlegungs- und beweisbelastet. Gemäß § 94 FGO i.V.m. § 165 ZPO kann die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig. Das Protokoll hat also erhöhte Beweiskraft.
18d. Nach diesen Grundsätzen hat die Erinnerungsführerin nicht hinreichend dargelegt, dass sie einen Anspruch auf Erstattung einer Erledigungsgebühr hat.
19Unter Zugrundelegung des protokollierten Ablaufs des Erörterungstermins haben sich die Beteiligten auf einen Vorschlag des Berichterstatters geeinigt. Aus dem Protokoll geht nicht hervor, dass die schlussendliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten maßgeblich auf einem Vorschlag des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin beruht hätte. Einen anderen Ablauf der Verhandlung hat die Erinnerungsführerin lediglich behauptet, jedoch nicht belegen können. Ihren Ausführungen stehen die mit erhöhter Beweiskraft zu berücksichtigenden Ausführungen im Protokoll entgegen.
20Der Umstand, dass infolge der Vereinbarung das ursprüngliche Klagebegehren um mehr als 10 % eingeschränkt wurde, führt ebenfalls nicht dazu, dass eine Erledigungsgebühr entstanden ist. Die Rechtsprechung des früheren Kostensenats des Finanzgerichts Köln, wonach aus Praktikabilitätsgründen ein Entstehen einer Erledigungsgebühr bei einer entsprechenden Einschränkung des Klagebegehrens anzunehmen sei, hat dieser selbst dahingehend konkretisiert, dass die entsprechende Einschränkung nur ein Indiz für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sei und kein Gebührenautomatismus begründet werden sollte. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat ausdrücklich an. Aus den dem Protokoll zu entnehmenden Umständen lässt sich nicht ableiten, dass der Prozessbevollmächtigte eine nach den dargestellten Grundsätzen zu berücksichtigende über die mit der Verfahrensgebühr bereits abgegoltene besondere Tätigkeit entfaltet hätte, um den Rechtsstreit unstreitig erledigen.
212. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.