Finanzgericht Köln, 2 Ko 1654/17
Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.05.2017 in der Sache 2 K 886/16 wird dahingehend abgeändert, dass die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten in einer Gesamthöhe von 1042,34 € festgesetzt werden.
Die Kosten des Verfahrens werden der Erinnerungsgegnerin auferlegt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
1
Gründe:
2Die Beteiligten stritten ursprünglich unter dem Az. 2 K 886/16 im besonderen Vorsteuervergütungsverfahren über die Frage, ob die im Drittland ansässige Klägerin einen wirksamen Vergütungsantrag gestellt hatte. Streitig war, ob der Antrag vollständig ausgefüllt war, ob dem Antrag eine Anlage beigefügt war und inwieweit einzelne Rechnungsbelege hinsichtlich der Vorsteuern vergütungsfähig waren.
3Am 08.11.2016 wies der Berichterstatter den Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin darauf hin, dass das vollständige Ausfüllen des Antrags nicht zweifelhaft sein dürfte, streitig jedoch die Frage bleibe, ob dem Antrag eine Anlage beigefügt gewesen sei. Insoweit bedürfe es noch Ausführungen zu einer möglichen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Daraufhin teilte der Bevollmächtigte mit, dass für die Erstellung des Antrages eine sorgfältige Mitarbeiterin zuständig gewesen sei. Hinsichtlich der zahlreichen Rechnungsbeanstandungen des Erinnerungsführers sei eine Würdigung aus zeitlichen Gründen nicht möglich. Man wäre daher mit der Vergütung der vom Erinnerungsführer als vergütungsfähig anerkannten Vorsteuern i.H.v. 4801,72 € einverstanden.
4Eine solche Vergütung lehnte der Erinnerungsführer zunächst ab.
5Im Rahmen der mündlichen Verhandlung verpflichtete sich der Erinnerungsführer, die Vorsteuern in dem von der Erinnerungsgegnerin skizzierten Umfang zu vergüten.
6Mit Kostenfestsetzungsantrag am 05.04.2017 begehrte die Erinnerungsgegnerin unter anderem die Erstattung einer 1,0 Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV RVG in Höhe von 558,- €.
7Hiergegen wandte der Erinnerungsführer ein, dass der Prozessbevollmächtigte keine über die übliche anwaltliche Tätigkeit hinausgehende Leistung erbracht hätte, die zur Erledigung geführt hätte.
8Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte mit Beschluss vom 09.05.2017 die zu erstattenden Kosten i.H.v. 1332,50 € fest und berücksichtigte dabei eine Erledigungsgebühr wie beantragt.
9Hiergegen wandte sich der Erinnerungsführer mit Erinnerung vom 18.05.2017. Er führt aus, dass für den Ansatz einer Erledigungsgebühr eine besondere, gerade zu einer außergerichtlichen Erledigung führende Tätigkeit vorliegen müsse. Die in der Vergangenheit vom früheren Kostensenat des Finanzgericht Köln vertretene Auffassung, eine Erledigungsgebühr sei auch dann anzusetzen, wenn das Klagebegehren um mehr als 10 % eingeschränkt werde, werde von anderen Finanzgerichten nicht geteilt. Eine Erledigungsgebühr sei danach immer nur dann anzusetzen, wenn zusätzliche Arbeit und Mühe des Bevollmächtigten zu der Erledigung geführt hätten. Im Streitfall habe sich der Prozessbevollmächtigte darauf beschränkt, lediglich die vom Erinnerungsführer nicht beanstandeten Rechnungen berücksichtigen lassen zu wollen, um sich eine weitere Überprüfung zu ersparen. Der Prozessbevollmächtigte habe daher nicht über das mit der Verfahrensgebühr bereits abgegoltene Maß an der Erledigung des Rechtsstreits mitgewirkt.
10II.
11Die Erinnerung ist begründet.
12Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtswidrig und verletzt den Erinnerungsführer in seinen Rechten.
13Eine Erledigungsgebühr ist nicht entstanden.
14a. Nr. 1003 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG sieht die Entstehung einer Erledigungsgebühr vor, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch den Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Ebenso wie § 24 BRAGO erfordert Nr. 1002 VV RVG dabei eine anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung, die über die überzeugende Begründung sowie die allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit hinausgeht und auf eine Erledigung der Rechtssache ohne förmliche Entscheidung gerichtet ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12.02.2007 – III B 140/06, BFH/NV 2007, 1109). Die Erledigungsgebühr ist keine reine Erfolgsgebühr für eine allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit, sondern eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung verdient werden kann. Im Gesetz kommt dies in den Worten „durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt“ zum Ausdruck. Die Erledigungsgebühr entsteht deshalb grundsätzlich weder, wenn sich die Sache bereits beispielsweise im Rahmen des Verwaltungsvorverfahrens erledigt noch dann, wenn lediglich die Äußerungen des Berichterstatters im Rahmen eines Erörterungstermins die Finanzbehörde zur Rücknahme oder Änderung des Bescheides veranlasst haben. Ebenso wenig entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn die Finanzbehörde unter dem Eindruck der Klagebegründung bzw. eines ergänzenden Schriftsatzes oder aufgrund eines Hinweises auf die Rechtslage/Rechtsprechung den Bescheid aufhebt bzw. ändert und damit einen Kläger in einem gerichtlichen Verfahren klaglos stellt (vgl. Stapperfend in: Gräber, FGO, 8. Aufl., § 139 Rz. 86; Hollatz, Kosten in Finanzrechtsstreit, NWB Fach 2, S. 8677/8717). Es versteht sich von selbst, dass der Prozessbevollmächtigte in möglichst überzeugender Weise die rechtlichen Argumente vorträgt, die dem Begehren seines Mandanten zum Erfolg verhelfen können. Folgt ein Bevollmächtigter lediglich einem Erledigungsvorschlag eines Berichterstatters, ohne von sich aus aktiv, auf eine Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung hinzuwirken, liegt keine besondere Mitwirkung zum Zwecke der Erledigung vor (vgl. FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 05. April 2011, 13 KO 13326/10, EFG 2011, 1551).
15b. Das erforderliche Mitwirken kann in einem Klageverfahren aber beispielsweise in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, welches die Aufhebung/Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Auch die mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbundene Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt werden soll, kann eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit sein, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert und ermöglicht. Ein entsprechendes Einwirken auf den Steuerpflichtigen, der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits zuzustimmen, ist eine besondere Leistung, die nicht mit der allgemeinen Verfahrensgebühr abgegolten ist. Aus Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung wurde z. T. in der Vergangenheit eine nicht unwesentliche Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens dabei regelmäßig angenommen, wenn es um mehr als 10 % eingeschränkt wird (vgl. FG Köln, Beschlüsse vom 28.06.2004 – 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642; vom 28.02.2011 – 10 Ko 1119/10, EFG 2011, 1545; vom 30.09.2014 – 10 Ko 2686/14, EFG 2014, 2170). In Konkretisierung und Weiterentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der diese Rechtsprechung begründende Senat in der Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens um mehr als 10 % später jedoch lediglich ein Indiz für die Entstehung einer Erledigungsgebühr gesehen, wobei im jeweiligen Einzelfall jedoch weitere Anhaltspunkte vorliegen müssten, die auf eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende zusätzliche Beratungsleistung des Bevollmächtigten bzw. ein besonderes Einwirken des Bevollmächtigten auf den Steuerpflichtigen hindeuteten. Andernfalls entstünde im Falle einer mit einer wesentlichen Einschränkung des Klagebegehrens verbundenen einvernehmlichen Beilegung des Rechtsstreits im Wege der Abhilfe durch den Beklagten mit nachfolgender übereinstimmender Erledigungserklärung stets eine vom Beklagten zu erstattende Erledigungsgebühr ohne jegliche Rücksicht darauf, inwieweit der Bevollmächtigte überhaupt an dieser Einschränkung mitgewirkt und in wesentlicher Hinsicht mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung auf den Steuerpflichtigen eingewirkt habe. Demgegenüber käme es nicht zur Entstehung einer Erledigungsgebühr, wenn der Beklagte – trotz materieller, mit einer wesentlichen Einschränkung des Klagebegehrens verbundenen Einigung – auf einem Urteil bestehen würde. Ein solches Ergebnis sei sinnwidrig und widerspräche auch dem Charakter der Erledigungsgebühr als besonderer Tätigkeitsgebühr. Zudem würde die allein auf Vereinfachungs- und Praktikabilitätserwägungen beruhende bisherige Rechtsprechung zur Annahme einer wesentlichen Einschränkung des Klagebegehrens bei Einschränkung um mehr als 10 % zu einem Automatismus für die Entstehung der Erledigungsgebühr führen, was durch das Gericht jedoch keineswegs bezweckt gewesen sei (vgl. FG Köln, Beschluss vom 18.05.2016, 10 Ko 182/16, n.v.).
16c. Nach diesen Grundsätzen ist nicht ersichtlich, dass die Erinnerungsgegnerin einen Anspruch auf Erstattung eine Erledigungsgebühr hat.
17Um die Arbeit auf Seiten der Erinnerungsgegnerin zu erleichtern, hat diese sich damit einverstanden erklärt, sich auf die Vergütung der von dem Erinnerungsführer als vergütungsfähig eingestuften Rechnungen zu beschränken, da eine Auseinandersetzung mit den vom Erinnerungsführer geltend gemachten Einwendungen zeitlich nicht geboten erschien. Im Übrigen ist der Erinnerungsführer nach der mündlichen Verhandlung von seinen grundsätzlichen Vorbehalten hinsichtlich eines Anspruchs auf Vorsteuervergütung abgerückt. Vor diesem Hintergrund ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte eine besondere, über die übliche Prozessführung hinausgehende Tätigkeit entfaltet hätte, um den Rechtsstreit einer Erledigung zuzuführen. Der Umstand, dass das Klagebegehren im Laufe des Verfahrens mehr als 10 % eingeschränkt wurde, führt unter Berücksichtigung der vom früheren Kostensenat begründeten Einschränkung seiner Rechtsprechung, der der hier beschließende Senat vollumfänglich folgt, ebenfalls nicht dazu, dass eine Erledigungsgebühr entstanden wäre. Der Prozessbevollmächtigte hat den Rechtsstreit nicht deshalb einer Erledigung zuführen können, indem er in besonderer Weise auf seine Mandantin eingewirkt hätte, auf einen Teil der Ansprüche zu verzichten. Vielmehr hat er zu erkennen gegeben, dass eine Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Erinnerungsführers zu umfangreich erschien und daher eine Beschränkung der Ansprüche geboten sei.
182. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
193. Die erstattungsfähigen Kosten errechnen sich wie folgt:
20
Bisher als erstattungsfähig angesetzte Kosten |
1332,50 € |
abzüglich anteiliger Erledigungsgebühr (52% von 558,- €) |
-290,16 |
Zu erstattende Kosten |
1042,34 € |
Die übrigen Bestimmungen des Kostenfestsetzungsbeschlusses bleiben wirksam.