Finanzgericht Köln, 1 K 999/16
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Feststellungsantrags über die Unwirksamkeit des Bescheides betreffend Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2004 (im Folgenden Einkommensteuerbescheid 2004) mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe.
3Die Bevollmächtigten der Kläger wurden zunächst mit der Nacherklärung ausländischer Kapitaleinkünfte für die Jahre 2008 - 2011 (strafrechtlich noch nicht verjährter Zeitraum) beauftragt. Hierzu legten sie zwei Vollmachten vor, die neben der Vertretungsvollmacht eine Empfangsvollmacht beinhalten. Die Vollmachten sind auf „Nacherklärung von Einkünften 2008 bis 2011 sowie Einkommensteuer 2012“ ausgestellt. Nachfolgend forderte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung R die Bevollmächtigten der Kläger auch zur Nacherklärung der Kapitaleinkünfte für die noch nicht festsetzungsverjährten Jahre 2004 - 2007 auf. Mit Schreiben vom 23.09.2015 reichten die Bevollmächtigten der Kläger die Anlagen KAP für die Jahre 2004 - 2011 sowie Bankunterlagen auch für die Jahre 2004 - 2007 ein. In dem Schreiben wiesen die Bevollmächtigten darauf hin, dass es sich bei den Anlagen lediglich um ergänzende Anlagen zu den seinerzeit abgegebenen Steuererklärungen handele, sie die Anlagen sorgfältig erstellt hätten und für Rückfragen zur Verfügung stünden. Auf dem Grunddatenblatt, das der o.g. Vollmacht in der Einkommensteuerakte vorgeheftet ist, ist eine Haftnotiz mit einem von der Sachbearbeiterin des Beklagten, Frau A, paraphierten Vermerk geheftet; er lautet: „Vollmacht gilt auch für die Vorjahre 2004 – 2007 lt. Telefonat vom 11.12.2005“. Hinsichtlich der Vollmachten und des Grunddatenblatts wird auf den Vorhefter der Einkommensteuerakte verwiesen und Bezug genommen.
4Die ursprüngliche Einkommensteuererklärung 2004 hatten die Kläger am 13.04.2005 beim Beklagten eingereicht. Der -- aufgrund der Nacherklärung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte -- Einkommensteuerbescheid 2004 vom 18.12.2015 wurde den Bevollmächtigten unstreitig laut Zustellungsurkunde am 21.12.2015 zugestellt. Der Bescheid trägt bei den Bevollmächtigten den Eingangsstempel vom 04.01.2016. Die Weiterleitung des Bescheides an die Mandanten erfolgte in 2016.
5Am 18.01.2016 legten die Kläger, vertreten durch ihre Bevollmächtigten, gegen den Bescheid Einspruch ein. Diesen wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10.03.2016 als unbegründet zurück, da der Einspruch trotz Aufforderung nicht begründet wurde.
6Parallel hierzu beantragten die Kläger mit Schreiben vom 08.03.2016 die Feststellung der Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheids 2004, da dieser nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden sei. Der Auftrag zur Nacherklärung ausländischer Kapitaleinkünfte sowie die Bevollmächtigung der jetzigen Prozessbevollmächtigten habe sich nur auf die Jahre 2008 - 2011 bezogen. Für 2004 habe keine Bevollmächtigung bestanden und damit auch keine Bevollmächtigung zum Empfang eines Steuerbescheides. Den Antrag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 11.03.2016 ab, da die Bevollmächtigten gegenüber der Sachbearbeiterin A telefonisch bestätigt hätten, dass die übersandte Vollmacht auch für die Jahre 2004 - 2007 gelte.
7Mit der am 12.04.2016 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Nichtigkeitsfeststellungsbegehren fort. Die Vollmacht sei ausdrücklich nur für die Jahre 2008 - 2012 erteilt worden. Ein Telefonat mit der Sachbearbeiterin A sei dem Bevollmächtigten B nicht erinnerlich und werde bestritten. Auch handele es sich bei einer Vollmacht um eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Vertretenen gegenüber dem Bevollmächtigten oder einem Dritten. Der Bevollmächtigte seinerseits könne sich schlechterdings selbst bevollmächtigen. Weiterhin führen die Bevollmächtigten aus, dass Einzelheiten ihrer Beauftragung durch die Kläger zur Ermittlung und Übersendung der weiteren Einkünfte für Veranlagungszeiträume vor 2008 nicht mehr rekonstruiert werden könnten. Die Kläger hätten sie jedenfalls nicht zum Empfang eines Einkommensteuerbescheides 2004 bevollmächtigt. Eine entsprechende Erklärung sei weder ihnen gegenüber noch gegenüber dem beklagten Finanzamt von den Klägern erfolgt. Insoweit werde die Bevollmächtigung bestritten und der Beklagte trage die Feststellungs- und Beweislast. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass eine Vollmacht unabhängig von dem dieser Vollmacht zu Grunde liegenden Grundgeschäft sei. Demgemäß sei die Erteilung eines Auftrages nicht gleichbedeutend mit einer Bevollmächtigung. Auch habe die Ermittlung von Kapitaleinkünften und deren Übersendung ans Finanzamt keinerlei rechtsgeschäftlichen Erklärungsinhalt, sondern sei nur tatsächlicher Natur. Auf ein solch sonstiges Handeln im Interesse und mit Wirkung für andere seien die §§ 164 ff. BGB nicht anwendbar. Auf den Regelungsinhalt von § 80 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AO komme es damit überhaupt nicht an. Die fehlende Bevollmächtigung stehe auch einer Bekanntgabe nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO entgegen. Daneben sei auch der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 122, Ziffer 1.7. zu berücksichtigen. Dieser gelte nicht nur für den Fall der „verpflichteten“ Bekanntgabe an den Vertreter, was sich schon aus dem Wortlaut ergebe. Ferner seien auch die Grundsätze in Textziffer 1.7.1. AEAO anzuwenden, wonach der einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe erteilte Auftrag zur Erstellung und Einreichung der Steuererklärung in der Regel seine Bevollmächtigung als Empfangsbevollmächtigter nicht einschließe. Weiterhin handele es sich bei der Frage der Bekanntgabe an einen Bevollmächtigten um eine Ermessensentscheidung. Nach Textziffer 1.7.2. AEAO sei das Ermessen so auszuüben, dass nur dann eine grundsätzliche Bekanntgabe an den Bevollmächtigten gegeben sei, wenn der Steuerpflichtige dem Finanzamt ausdrücklich mitgeteilt habe, dass er seinen Vertreter auch zur Entgegennahme von Steuerbescheiden ermächtigt habe. Hieran fehle es im vorliegenden Fall. Selbst wenn der Beklagte ein Auswahlermessen gehabt haben sollte, hätte er dieses nicht ausgeübt. Bereits aufgrund der klar begrenzten vorgelegten Vollmacht hätte der Beklagte die Frage der Bekanntgabe eingehender klären müssen. Dies gelte umso mehr, weil die ursprüngliche Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 von einer C in R erstellt worden sei und im Jahre 2015, also parallel zur Bearbeitung des Selbstanzeigemandates, der Beklagte bezüglich der Einkommensteuererklärung 2012 mit der D in R korrespondiert habe.
8Die Kläger beantragen,
9die Nichtigkeit des Bescheides über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 2004 vom 18.12.2015 festzustellen,
10hilfsweise, die Revision zuzulassen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen,
13hilfsweise, die Revision zuzulassen.
14Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Bevollmächtigten mit der Nacherklärung für 2004 weitere Bankunterlagen eingereicht hätten, ohne hierfür von den Klägern eine Vollmacht zu haben. Die Sachbearbeiterin A habe am 11.12.2015 das Telefonat mit der Kanzlei der Bevollmächtigten bewusst zur Verfahrensbeschleunigung aufgrund der bevorstehenden Verjährung des Veranlagungszeitraums 2004 geführt.
15Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten am 03.12.2018 erörtert. Insoweit wird auf das Protokoll des Erörterungstermins verwiesen und entsprechend Bezug genommen.
16Die Sachbearbeiterin Frau A hat den Sachverhalt betreffend ihre telefonische Nachfrage wegen die Vollmacht vor dem Hintergrund der von ihr erkannten drohenden Verjährung mit Schreiben vom 02.05.2019 bestätigt. Mit weiterem Schreiben vom 15.05.2019 hat sie ausgeführt, dass sie sich weder an den Namen noch an die Funktion ihres Gesprächspartners in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten erinnern könne.
17Der Prozessbevollmächtigte der Kläger erklärte in der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2019, dass auch die Bescheide der Jahre 2005 – 2007 an sein Büro adressiert gewesen seien. Diese habe er nicht angefochten. Auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist unbegründet.
20Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit des Bescheides über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 2004, denn er wurde wirksam bekanntgegeben.
211.
22Die Feststellungsklage der Kläger ist nach § 41 Abs. 1 Alt. 2 FGO zulässig. Das insoweit erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt in der Beseitigung des von einem fehlerhaft bekanntgegebenen Verwaltungsakt ausgehenden Rechtsscheins (vgl. BFH-Urteil vom 01.12.1988, V R 125/83, BFH/NV 1989, 523). Die Feststellungsklage ist dabei ohne außergerichtliches Vorverfahren (§ 44 FGO) und ohne Einhaltung einer Frist (§ 47 FGO) zulässig (Levedag in Gräber, FGO, 8. Auflage 2015, § 41 Rn. 2).
232.
24Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 18.12.2015 wurde den Prozessbevollmächtigten als Bevollmächtigte im Verwaltungsverfahren durch Zustellungsurkunde am 21.12.2015 wirksam bekanntgegeben.
25a)
26Nach § 155 Abs. 1 Satz 2 AO erfolgt die Steuerfestsetzung durch die Bekanntgabe des Steuerbescheides. Diese hat nicht zwingend an den Steuerpflichtigen als Inhaltsadressaten (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO) zu erfolgen, sondern kann nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO auch gegenüber einem Bevollmächtigten erfolgen.
27Die Bevollmächtigung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 AO setzt eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Vollmachtgebers gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder einem Dritten voraus (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 156 Lfg. 04.2019, § 80 Rn. 6). Die Vollmachtserteilung bedarf grundsätzlich keiner Form (BFH-Urteil vom 28.04.1987, VIII R 353/83, BFH/NV 1988, 3). Sie kann daher sowohl mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erfolgen. Daneben kommen auch die Rechtsgrundsätze zur Anscheins- und Duldungsvollmacht zur Anwendung (vgl. insgesamt BFH-Urteil vom 28.10.2009, I R 28/08, BFH/NV 2010, 432).
28b)
29Die Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten erfolgte im Verwaltungsverfahren zumindest durch konkludentes Handeln der Kläger. Dieses liegt in der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten, die Kapitaleinkünfte des Streitjahres zu ermitteln und gegenüber dem Beklagten zu erklären.
30aa)
31Nach der Rechtsprechung des BGH enthält die Übertragung einer Aufgabe, deren ordnungsgemäße Erfüllung eine bestimmte Vollmacht erfordert, zugleich regelmäßig stillschweigend eine entsprechende Bevollmächtigung (BGH-Urteil vom 14.01.2010, III ZR 173/09, NJW 2010, 1203, Rn. 8; Ellenberger in Palandt, BGB, 78. Auflage 2019, § 172, Rn. 19 u. 3). Die Nacherklärung von Einkünften bedurfte im vorliegenden Fall einer Vollmacht der Prozessbevollmächtigten.
32bb)
33Die Nacherklärung von Einkünften ist Ausfluss der Mitwirkungspflicht der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 90 Abs. 1 AO). Sie ist Verfahrenshandlung, da sie eine Wissenserklärung über die Besteuerungsgrundlagen enthält (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 156. Lieferung 04.2019, § 79 AO, Rn. 5 m.w.N.).
34Diese obliegt bereits nach dem Wortlaut des § 90 Abs. 1 Satz 1 AO dem Beteiligten, also den Klägern, an die die Finanzbehörde einen Änderungsbescheid richten möchte (§ 78 Nr. 2 AO). Die Vertretung bei einer Verfahrenshandlung bedarf der Bevollmächtigung (Umkehrschluss aus § 80 Abs. 1 Satz 2 AO).
35cc)
36Entgegen der Ansicht der Kläger kommt es damit nicht darauf an, ob eine ausdrückliche Vollmacht erteilt wurde. Vielmehr gilt aufgrund des unbestrittenen Auftragsverhältnisses zwischen den Klägern und den jetzigen Prozessbevollmächtigten die Vollmacht konkludent als erteilt.
37dd)
38Auch kann das Auftragsverhältnis zwischen den Klägern und den Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren nicht auf eine bloße Botenstellung reduziert werden. Dies wäre bspw. der Fall, wenn eine eigene Wissenserklärung der Kläger nur durch den Prozessbevollmächtigten an das Finanzamt hätte weitergeleitet werden sollen. Die jetzigen Prozessbevollmächtigten haben laut Versandschreiben vom 23.09.2015 jedoch die Anlagen KAP selbst sorgfältig erstellt und teilten dem Beklagten mit, dass sie für Nachfragen zur Verfügung stehen. Mithin handelt es sich bei der Nacherklärung um eine eigene Wissenserklärung der Bevollmächtigten, die hierdurch die steuerliche Mitwirkungspflicht der Kläger (für diese) erfüllen.
39c)
40Sollten die Kläger keinen Willen zur Bevollmächtigung gehabt haben, ergibt sich eine Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren aus den Grundsätzen der „Duldungsvollmacht“.
41Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2009, I R 28/08, BFH/NV 2010, 432 m.w.N.; Ellenberger in Palandt, BGB, 78. Auflage 2019, § 172 Rn 6 ff.). Zur oben ausgeführten stillschweigenden Bevollmächtigung unterscheidet sich die Duldungsvollmacht darin, dass der Vertretene hier keinen Willen zur Bevollmächtigung hat (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 78. Auflage 2019, § 172 Rn. 8).
42Die Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren gegeben. Die Kläger wussten aufgrund des Auftragsverhältnisses, dass die Prozessbevollmächtigten die verschwiegenen Kapitaleinkünfte nacherklärten und der Beklagte durfte bei verständiger Würdigung dieser Umstände davon ausgehen, dass die Prozessbevollmächtigten seitens der Kläger bevollmächtigt waren.
43d)
44Die Vertretungsvollmacht der Prozessbevollmächtigten berechtigte auch zum Empfang des Änderungsbescheids für 2004 vom 18.12.2015.
45aa)
46Der Umfang der Vollmacht ist durch Auslegung unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts zu ermitteln (BFH-Beschluss vom 28.11.2001, I B 71/00, BFH/NV 2002, 523). Vorliegend ist sie auf die Nacherklärung der Einkünfte beschränkt. In diesem Rahmen ermächtigt sie nach § 80 Abs. 1 Satz 2 AO zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen und umfasst daher grundsätzlich auch den Empfang von Verwaltungsakten (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.1999, VII R 38/99, BStBl II 2001, 463; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 156. Lieferung 04.2019, § 80 AO, Rn. 16 und 43).
47bb)
48Die Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2004 erfolgte entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht ermessensfehlerhaft an die Prozessbevollmächtigten.
49(1)
50Liegt – wie im vorliegenden Fall – keine schriftliche Vollmacht vor, so entscheidet die Finanzbehörde gemäß § 122 Abs. 5 i.V. mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) nach ihrem Ermessen, ob sie den Steuerbescheid dem Vertreter oder dem Beteiligten zustellt (vgl. BFH-Urteil vom 03.02.2004, VII R 30/02, BStBl. II 2004, 439). Die Behörde hat dabei nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln (§ 5 AO), wobei die Ermessensentscheidung aufgrund der Verhältnisse im Einzelfall und unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Interesses des Steuerpflichtigen zu treffen ist (ständige Rechtsprechung, siehe BFH-Urteil vom 03.02.2004, VII R 30/02, BStBl II 2004, 439, Rn. 12). Hat die Behörde von dem ihr nach § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG eingeräumten Wahlrecht Gebrauch gemacht, hat das Gericht nur das Recht und die Pflicht zu prüfen, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten worden sind (§ 102 FGO). Dabei hat es lediglich festzustellen, ob das Finanzamt zu der von ihm gewählten Entscheidung kommen durfte, nicht aber, ob es die gewählte Entscheidung treffen musste und ob eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 25.04.1986, VI S 3/86, BFH/NV 1988, 518).
51Die Sachbearbeiterin A hat Überlegungen darüber angestellt, ob sie den Einkommensteuerbescheid 2004 den Bevollmächtigten oder den Kläger bekannt gibt. Sie hat sich insoweit für die mögliche Bekanntgabe an die Bevollmächtigten entschieden. Die Bekanntgabe an die Bevollmächtigten entspricht auch dem mutmaßlichen Interesse der Kläger. Die Bevollmächtigten haben die nacherklärten Einkünfte ermittelt und unmittelbar beim Beklagten eingereicht. Damit haben nur diese sicher Kenntnis von der Höhe der Einkünfte, um den Änderungsbescheid auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen.
52(2)
53Auch musste der Beklagte den Bescheid nicht an die Kanzlei C, die die Einkommensteuererklärung ursprünglich erstellt hat, bzw. die D, die zeitgleich mit dem Beklagten bzgl. der Einkommensteuerveranlagung 2012 korrespondiert hat, bekanntgeben. Eine Bevollmächtigung der beiden Steuerberatungsgesellschaften für das Nacherklärungsverfahren ist bereits nicht ersichtlich. Selbst wenn man eine Bevollmächtigung neben den Prozessbevollmächtigten annehmen wollte, wäre die Bekanntgabe an die Prozessbevollmächtigten ermessensgerecht. Denn im Rahmen der Nacherklärung haben ausschließlich die Prozessbevollmächtigten mit dem Beklagten korrespondiert. Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass die beiden anderen Steuerberatungsgesellschaften mit dem Verfahren betraut waren (vgl. insoweit auch BFH-Urteil vom 05.03.2014, VIII R 51/12, BFH/NV 2014, 1010).
54d)
55Soweit die Kläger sich auf den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) beziehen und ausführen, dass nach Textziffer 1.7.1 zu § 122 der einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe erteilte Auftrag zur Erstellung und Einreichung der Steuererklärungen schließe i.d.R. seine Bestellung als Empfangsbevollmächtigter nicht ein, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
56Die Regelung ist nicht auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Denn es ist nicht streitig, ob eine Empfangsvollmacht vorliegt und damit eine zwingende Bekanntgabe an den Bevollmächtigten zu erfolgen hat. Vielmehr streiten die Beteiligten darüber, ob eine Bekanntgabe an die Bevollmächtigten erfolgen konnte.
573.
58Auch war die aufgrund der unstreitigen Steuerhinterziehung der Kläger auf 10 Jahre verlängerte Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) bei der Bekanntgabe des Änderungsbescheides für 2004 am 21.12.2015 noch nicht abgelaufen.
59Die Festsetzungsfrist hat gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres 2005 begonnen, in dem die Kläger ihre Steuererklärungen eingereicht hatten. Sie endete demnach für das Streitjahr 2004 erst mit Ablauf des 31.12.2015.
604.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
625.
63Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.