Finanzgericht Köln, 15 K 1151/19
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Zu entscheiden ist vorrangig, ob eine ausschließlich von einem Ehegatten erhobene Klage gegen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2016 in denen der Kläger mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden ist, zulässig ist. In materieller Hinsicht ist die Besteuerung von Zahlungen einer schweizerischen Aktiengesellschaft an den Kläger streitig.
3Der Kläger ist Steuerberater und erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Renteneinkünfte. Die Ehefrau erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Versorgungsbezügen.
4Wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 2013 wurden für den Kläger und seine Ehefrau mit Bescheid vom 1. September 2016 die Besteuerungsgrundlagen unter Anwendung des Splittingtarifs (Zusammenveranlagung) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN; § 164 der Abgabenordnung – AO) geschätzt. Die festgesetzte Einkommensteuer betrug 26.235 €; die Zahllast nach der Anrechnung von Lohnsteuer und Abrechnung von Vorauszahlungen betrug 16.877 €. Mit Bescheid vom 23. März 2017 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
5Die Einkommensteuer 2014 wurde mangels Erklärungsabgabe ebenfalls mit Bescheid vom 1. September 2016 unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Wege der Zusammenveranlagung (Splittingtarif) festgesetzt; bei einer festgesetzten Einkommensteuer von 30.595 € betrug die Zahllast 21.143 €. Mit Bescheid vom 14. März 2017 wurde der Vorbehalt aufgehoben.
6Die Einkommensteuer 2015 wurde mangels Erklärungsabgabe mit Bescheid vom 23. März 2017 (ohne Vorbehalt der Nachprüfung) im Schätzungswege mit 34.198 € bei einer Zahllast von 24.721 € festgesetzt.
7Die Einkommensteuer 2016 wurde nach Erklärungsabgabe (mit Wahl der Zusammenveranlagung) mit Bescheid vom 24. Januar 2018 i.H.v. 5.451 € festgesetzt (Splittingtarif); nach Anrechnung von Steuern und Abrechnung von Vorauszahlungen verblieb ein Erstattungsanspruch von 4.498 € zugunsten des Klägers und seiner Ehefrau, der ausgezahlt worden ist.
8Gegen den VdN-Aufhebungsbescheid vom 23. März 2017 zur Einkommensteuer 2013 legten der Kläger und seine Ehefrau in einem von Beiden unterschriebenen Schreiben fristgerecht im April 2017 Einspruch ein. Im Mai 2017 übersandten sie eine Einkommensteuererklärung für 2013, in welcher sie eine Zusammenveranlagung wählten. Unter dem 2. Oktober 2017 erließ der Beklagte nach Erörterung einen Teilabhilfebescheid, in welchem er die Einkommensteuer 2013 mit 27.081 € festsetzte. Ein nach An- und Abrechnung verbleibendes Guthaben (i.H.v. 133 €) wurde mit anderen (im gleichen Bescheid festgesetzten) Steuerforderungen gegenüber beiden Steuerpflichtigen verrechnet. In der Folgezeit erweiterten der Kläger und seine Ehefrau den Einspruch für das Jahr 2013 (und auch die Folgejahren – siehe nachfolgende Schilderung) wegen der Behandlung von Auszahlungen aus einer schweizerischen Aktiengesellschaft, bei denen es sich nach klägerischer Auffassung um nicht steuerbare Zahlungen aus einer Kapitalrücklage (Einlagen) handele.
9In gleicher Weise gingen der Kläger und seine Ehefrau (die das Einspruchsschreiben mit unterzeichnete) gegen den VdN-Aufhebungsbescheid vom 14. März 2017 zur Einkommensteuer 2014 vor. Nach Erklärungsabgabe (im Mai 2017) und Wahl der Zusammenveranlagung erging unter dem 2. Oktober 2017 ein Teilabhilfebescheid mit einer nun festgesetzten Einkommensteuer von 21.539 € und einem ausgezahlten Erstattungsguthaben von 9.907 €. In der Folgezeit wurde auch hier der Streit im Einspruchsverfahren um die Behandlung von Zahlungen der schweizerischen Aktiengesellschaft erweitert.
10Gegen die erstmalige (endgültige) Einkommensteuerfestsetzung 2015 (vom 23. März 2017) legten der Kläger und seine Ehefrau fristgerecht Einspruch ein. Nach Erklärungsabgabe im Mai 2015 mit Wahl der Zusammenveranlagung erging unter dem 2. Oktober 2017 ein Teilabhilfebescheid mit einer nun festgesetzten Einkommensteuer von 17.132 € und einem Erstattungsanspruch von 18.232 €; den Klägern wurde der Betrag ausgezahlt. In der Folgezeit wurde auch hier der Streit im Einspruchsverfahren um die Behandlung von Zahlungen der schweizerischen Aktiengesellschaft erweitert.
11Gegen die erstmalige (endgültige) Einkommensteuerfestsetzung 2016 (vom 24. Januar 2018) legten der Kläger und seine Ehefrau ebenso fristgerecht Einspruch ein. Unter dem 14. Mai 2018 erging aus anderen Gründen ein auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützter Änderungsbescheid.
12Nach diverser Korrespondenz zu den Einsprüchen gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2016 (zu 2013 bis 2015 zur Einkommensteuerfestsetzung jeweils in Gestalt der Änderungsbescheide vom 2. Oktober 2017; zur Einkommensteuerfestsetzung 2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2018 aufgrund einer Änderungsmitteilung zu Beteiligungseinkünften vom 8. März 2018) erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau (in der Einspruchsentscheidung beide als „Einspruchsführer“ bezeichnet) als Inhaltsadressaten, bekanntgegeben an den Bevollmächtigten des Klägers und seiner Ehefrau als Bekanntgabeadressaten, unter dem 1. April 2019 eine Einspruchsentscheidung für alle Streitjahre, in welcher die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen wurden. In materieller Hinsicht wurde ein nicht hinreichender Nachweis darüber bemängelt, ob es sich bei den Zahlungen der schweizerischen Gesellschaft um eine Einlagenrückgewähr i.S.d. § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) handele. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Bevollmächtigten (StB W) am 4. April 2019 mit Zustellungsurkunde zugestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zum materiell-rechtlichen Streit, wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.
13Am 6. Mai 2019 (Montag; letzter Tag der Klagefrist) ging eine fristgerechte Klage bei Gericht ein. Die Klageschrift beginnt mit „Klage des C (Kläger)“ und führt im Fließtext aus, dass „Namens und in Vollmacht des Klägers“ Klage gegen die Einspruchsentscheidung erhoben werde. Bescheide, die Einspruchsentscheidung oder eine Vollmacht waren der Klage nicht beigefügt. Auf telefonische Nachfrage der Zentralen Eingangsgeschäftsstelle (ZEG) des Gerichts wurde die Anschrift des Klägers vom Bevollmächtigtenbüro mitgeteilt und ferner angegeben, dass Streitgegenstand „Einkommensteuer“ sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Aktenvermerk (Bl. 2 der elektronischen Gerichtsakte) verwiesen.
14Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2019 wurde eine Klagebegründung (mit Beifügung der Bescheide und Einspruchsentscheidung) eingereicht. Hierbei wurde in der Betreffzeile neben „C“ zugleich die Ehefrau angeführt. Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2019 wurde eine von beiden Eheleuten unterschriebene Prozessvollmacht übersandt.
15Mit Schreiben vom 5. Juni 2019 wies der Berichterstatter des Verfahrens darauf hin, dass im Rubrum derzeit nur eine Klage des Ehemannes erfasst worden sei und die Klageerhebung ausdrücklich nur unter Nennung des Namens des Ehemannes erhoben worden sei. Nunmehr würden beide Eheleute vom Bevollmächtigten als Kläger bezeichnet und eine nun vorgelegte Vollmacht sei von beiden unterschrieben. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, auf Auswirkungen einer etwaigen eingetretenen Bestandskraft bei der Ehefrau auf das Klageverfahren des Klägers hingewiesen und angefragt, ob offene Steuerforderungen bestünden, Aussetzung der Vollziehung gewährt worden sei oder ein Aufteilungsbescheid beantragt oder erteilt worden sei.
16In der Folgezeit thematisierten die Beteiligten ein Ruhen des Verfahrens wegen eines anhängigen BFH-Verfahrens zu einer dem Streitfall vergleichbaren materiell-rechtlichen Frage. Mit Schreiben vom 4. Juli 2019 wies der Berichterstatter darauf hin, dass ein Ruhen des Verfahrens nachrangig zur vorrangig zu klärenden Frage der Auswirkung einer nur von einem Ehegatten erhobenen Klage sei.
17Mit Schriftsatz vom 11. September 2019 teilte der Bevollmächtigte mit, die Klage werde ausschließlich von Herrn C geführt. Die Streitsache betreffe nur seine Einkünfte, nicht die Einkünfte seiner Ehefrau. Die streitigen Steuern seien bezahlt, ein AdV-Antrag sei nicht gestellt. Nähere Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage wurden nicht gemacht.
18In der Sache begehrt der Kläger eine Verminderung der Einkünfte aus Kapitalvermögen um Auszahlungsbeträge, die nach seiner Auffassung Rückzahlungen aus einer Kapitalrücklage darstellen. Jene Einkünfte sind in den angefochtenen Steuerbescheiden nach § 32d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) mit einem Steuersatz von 25 % angesetzt worden und wirkten sich – mangels Kapitalertragsteuerabzug durch die schweizerische Gesellschaft – einkommensteuererhöhend in allen angefochtenen Steuerbescheiden aus.
19Der Kläger beantragt sinngemäß,
20die Einkommensteuerfestsetzungen 2013 bis 2016, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. April 2019, dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen des Klägers in 2013 um 2.090,43 €, in 2014 um 2.799,43 €, in 2015 um 3.371,52 € und in 2016 um 3.376,06 € vermindert werden.
21Der Beklagte beantragt sinngemäß,
22die Klage abzuweisen.
23Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 13. Juni 2019 mit, dass das Einspruchsverfahren von den Eheleuten geführt worden sei. Im Zeitpunkt der Klageerhebung hätten keine offenen Steuerforderungen für die Streitjahre bestanden. Aussetzung der Vollziehung sei nicht gewährt worden, ein Aufteilungsbescheid sei weder beantragt noch erteilt worden. Nähere Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage wurden nicht gemacht.
24Entscheidungsgründe
25I. Es erscheint sachgerecht, über die verfahrensrechtliche Frage der Zulässigkeit einer nur von einem Ehegatten erhobenen Klage durch Gerichtsbescheid gem. § 90a der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu entscheiden.
26II. Die Klage ist unzulässig. Dem Kläger fehlt die Klagebefugnis (als spezieller Ausprägung des Rechtsschutzbedürfnisses) für eine auf eine Verminderung der Einkommensteuer gerichteten Klage.
27Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Klage grds. nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Klagebefugnis ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen – gesetzlich in der FGO nicht normierten – Rechtsschutzbedürfnisses. Die Klagebefugnis verlangt hierbei dass sich die Situation des Klägers durch die Aufhebung oder Änderung eines (objektiv rechtwidrigen) Verwaltungsaktes verbessert.
28Der Kläger könnte vorliegend selbst bei Obsiegen in der materiell-rechtlichen Frage (d.h. einer Qualifikation der Auszahlungen als Zahlung aus einer Kapitalrücklage und einer Verminderung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und Verringerung der hierzu - mangels Abgeltungsteuer im Einkommensteuerbescheid - festgesetzten 25-prozentigen Einkommensteuer) keinen Vorteil in Form einer tatsächlichen Erstattung erhalten, weil einem Erstattungsanspruch des Klägers die bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung der Ehefrau, die der Kläger auch als Gesamtschuldner nach § 44 AO schuldet, entgegenstünde.
291. Gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau sind wirksame Einkommensteuerfestsetzungen 2013 bis 2016 ergangen; die festgesetzten Steuern schulden beide als Gesamtschuldner.
30Ehegatten können bei der Veranlagung zur Einkommensteuer zwischen Einzelveranlagung (§ 26a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) unter den Voraussetzungen des § 26 EStG wählen. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten werden die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (§ 26b EStG). Dies bewirkt, dass nur ein Gesamtbetrag der Einkünfte, nur ein Einkommen und nur ein zu versteuerndes Einkommen gebildet wird (vgl. Seeger in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 26b Rn. 8 EStG m.w.N.). Zusammenveranlagte Ehegatten sind wegen der gemeinsamen Veranlagung gem. § 44 Abs. 1 AO Gesamtschuldner. Jeder von ihnen schuldet dadurch die gesamte festgesetzte Steuer, sofern ein die Steuer festsetzender Bescheid gegenüber ihnen wirksam bekanntgegeben worden ist. Die Leistung eines Ehegatten wirkt im Verhältnis zum Finanzamt auch zu Gunsten des anderen Ehegatten (vgl. zum Ganzen Seeger, a.a.O., § 26b Rn. 19 EStG m.w.N.).
31Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen, § 155 Abs. 3 Satz 1 AO. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden, § 155 Abs. 3 Satz 2 AO. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind, § 155 Abs. 3 Satz 3 AO. Die Regelung in § 155 Abs. 3 AO stellt eine Vereinfachungsmöglichkeit zur inhaltsgleichen (textgleichen) Erteilung eines Steuerbescheids an Gesamtschuldner dar. Rechtlich handelt es sich jedoch um zwei oder mehrere äußerlich verbundene Bescheide, die - auch verfahrensrechtlich - ein verschiedenes Schicksal haben können (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 AO Rn. 34 m.w.N., April 2017). Es handelt sich rechtlich um zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste Verwaltungsakte, die (weiterhin) ein unterschiedliches (verfahrens-) rechtliches Schicksal haben können (vgl. BFH-Beschluss vom 4. März 2015, X B 39/14, BFH/NV 2015, 805).
32Im Streitfall sind gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau damit jeweils - in einem Papier zusammengefasste - getrennte Verwaltungsakte über festgesetzte Einkommensteuern der Streitjahre ergangen.
332. Der Kläger und seine Ehefrau haben sodann - unstreitig - beide die jeweiligen Einkommensteuerfestsetzungen angefochten. Die (nach Teilabhilfe wegen anderer Punkte verbleibenden) Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 1. April 2018 als unbegründet zurückgewiesen. Da gegen diese Einspruchsentscheidung jedoch nur der Ehemann Klage erhoben hat, ist bezüglich der Ehefrau Bestandskraft eingetreten.
34Die Gesamtschuldner (im Streitfall: Eheleute) können gesondert entscheiden, ob sie Einspruch einlegen (vgl. hierzu etwa BFH-Urteil vom 14. Januar 1997, VII R 66/96, BFHE 182, 262, BFH/NV 1997, 283) oder auch einen etwaigen eingelegten Einspruch später gesondert zurücknehmen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 20. November 2013, X R 7/11, BFH/NV 2014, 482 zur Einspruchsrücknahme durch einen Ehegatten). Analog hierzu können Gesamtschuldner auch einzeln entscheiden, ob sie Klage erheben. Beide Bescheide sind getrennt einer Bestands- oder Rechtskraft zugänglich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 182, 262 sowie BFH-Urteil vom 25. November 1988, III R 264/83, BFH/NV 1989, 690).
35Für eine Anfechtung einer - wie hier im Streitfall - gegenüber Eheleuten als Einspruchsführer und Inhaltsadressaten ergangenen Einspruchsentscheidung durch beide Ehegatten ist erforderlich, dass diese in der Klageschrift als Kläger aufgeführt werden. Bei Unklarheiten der Klägerbezeichnung, die nach § 65 Abs. 1 FGO notwendiger Inhalt der Klage ist, hat eine Auslegung durch das Gericht stattzufinden, die grundsätzlich wohlwollend und rechtsschutzgewährend zu betreiben ist. Bei Angehörigen der rechtsberatenden oder steuerberatenden Berufe gelten höhere Anforderungen (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 2006, II R 35/06, BFH/NV 2006, 1800). Eine Umdeutung gegen den Wortlaut kommt dabei nicht in Betracht. Es ist ein Gebot der Rechtssicherheit, Rechtskundige wie Angehörige der steuerberatenden Berufe oder Rechtsanwälte mit ihren Verfahrenserklärungen beim Wort zu nehmen (BFH-Beschlüsse vom 29. Juli 1993, X B 210/92, BFH/NV 1994, 382; vom 10. April 2002, VIII B 122/01, BFH/NV 2002, 1309; vom 21. Juli 2005, VIII B 77/05, BFH/NV 2005, 1861). Bei diesen Personen kann davon ausgegangen werden, dass sie sich über die rechtliche Tragweite ihrer Erklärungen im Klaren sind (BFH-Urteil vom 29. Juli 1986 IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359, m.w.N.).
36Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall liegt nur eine Klage des Ehemannes vor. Nur der Ehemann ist in der Klageschrift vom Bevollmächtigten fristgerecht als Kläger bezeichnet worden. Auch wenn man in der späteren Nennung der Ehefrau (bei der Klagebegründung und bei Einreichung der Vollmacht) eine Klage der Ehefrau erblicken würde, wäre diese verfristet. Eine solche Auslegung kommt im Streitfall aber bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Bevollmächtigte auf Nachfrage ausdrücklich erklärt hat, nur der Ehemann sei Kläger.
373. Die mangels einer fristgerechten, von der Ehefrau erhobenen Klage, bei der Ehefrau eingetretene Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzungen 2013 bis 2016 (jeweils in Gestalt der zuletzt erlassenen Änderungsbescheide) führt dazu, dass der Kläger (Ehemann) die festgesetzte Steuer als Gesamtschuldner (mit-)schuldet und selbst bei einer Veränderung der Besteuerungsgrundlagen zu seinen Gunsten kein (weiteres) Guthaben (zur Auszahlung, Verrechnung o.ä.) mehr erlangen kann.
38Die Gesamtschuldnerschaft folgt dabei aus § 44 Abs. 1 AO in Verbindung mit den Vorschriften zur einkommensteuerlichen Zusammenveranlagung. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten ist es unerheblich, dass es sich bei den streitigen Einkünften um solche des Klägers handelt. Da die Besteuerungsgrundlagen nach § 157 Abs. 2 AO einen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids bilden und sich der Tenor des Einkommensteuerbescheids maßgeblich in der Festsetzung der Steuer (neben anderen mit der Einkommensteuerfestsetzung verbundenen weiteren Festsetzungen sowie Verwaltungsakten im Erhebungsverfahren) gegenüber den Ehegatten erschöpft, ist es in derartigen Fällen grundsätzlich erforderlich, dass beide Ehegatten eine Steuerfestsetzung mit Einspruch und nötigenfalls Klage anfechten, um (insgesamt) deren Bestandkraft zu verhindern.
39Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung in § 26b EStG, wonach die Eheleute „sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger“ behandelt werden. Die Regelung dient nach Überzeugung des Senats nach ihrer systematischen Stellung dazu, die Eheleute für einkommensteuerliche (d.h. materiell-rechtliche) Zwecke als einen Steuerpflichtigen zu behandeln und auf ein ermitteltes Gesamteinkommen den Einkommensteuertarif (dort als Splittingtarif) anzuwenden. Verfahrensrechtlich sind und bleiben die Eheleute - wie sich aus der vorgenannten BFH-Rechtsprechung zur Zusammenveranlagung ergibt - aber eigenständige Beteiligte mit getrennten Handlungsmöglichkeiten. Dies zeigt sich verfahrensrechtlich insbesondere daran, dass die Abgabenordnung in §§ 268 ff. AO ein (aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenes) Verfahren zur Aufteilung einer Gesamtschuld vorsieht und in diesem Verfahren die Gesamtschuldner (hier: Eheleute) gerade eigenständige Antragsmöglichkeiten haben. Der Anwendungsbereich des § 26b EStG ist dadurch nach Überzeugung des Senats auf eine notwendige materiell-rechtliche (einkommensteuerrechtliche) Zusammenfassung der Eheleute zwecks Gewährung des „Splittingvorteils“ begrenzt, verändert aber nicht die verfahrensrechtliche Situation.
40Von dem Grundsatz, dass Eheleute aufgrund ihrer Gesamtschuldnerschaft gemeinsam eine Bestandskraft durch Einspruch und/oder Klage verhindern müssen, um eine verminderte Steuerfestsetzung erreichen zu können, bestehen Ausnahmen. Sofern Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden, ist eine eigenständige Anfechtung durch den betroffenen Steuerpflichtigen (Feststellungsbeteiligten) möglich (arg. ex § 157 Abs. 2 a.E. AO). Gleiches dürfte für den - hier im Streitfall mangels jeweiliger Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes nicht gegebenen - Fall gelten, dass die Berücksichtigung von Besteuerungsgrundlagen im Einkommensteuerbescheid eine (Quasi-)Bindungswirkung für die Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes hat (vgl. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG). Ebenso ist eine Ausnahme geboten, wenn eine streitige Steuer - mit oder ohne beantragte Aussetzung der Vollziehung - nicht entrichtet wird und der Ehegatte für die Steuer, die er bei einer Einzelveranlagung nicht schulden würde (vgl. § 270 AO), keine Klage erhebt. Jener Ehegatte könnte nämlich durch das Antragsverfahren eines Aufteilungsbescheids (§§ 268 ff. AO) im Vollstreckungsverfahren seine Gesamtschuldnerschaft verhindern und sich dadurch der belastenden Wirkung der Steuerfestsetzung entziehen.
41Im Streitfall liegt indes keine Ausnahme vor, da die angefochtenen Steuern gezahlt worden sind und der Kläger eine Erstattung durch Herabsetzung der Steuer begehrt. Es liegt weder ein Feststellungsverfahren, noch der Fall einer Bindungswirkung nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG vor. Ein Aufteilungsbescheid kann im Streitfall gem. § 269 Abs. 2 Satz 2 AO nicht (mehr) beantragt werden, da die angefochtene Steuer getilgt ist und das Aufteilungsverfahren - wie dessen systematische Stellung im Sechsten Teil der Abgabenordnung zeigt - eine Besonderheit im Vollstreckungsverfahren darstellt.
424. Die fehlende Möglichkeit einer Erstattung der festgesetzten angefochtenen Steuer nimmt dem Kläger die Klagebefugnis und führt zur Unzulässigkeit der Klage.
43Bei der Zusammenveranlagung können - wie oben bereits ausgeführt - die Ehegatten einzeln entscheiden, ob sie Einspruch und/oder Klage einlegen. Solange ein Aufteilungsbescheid erlassen werden kann, verbleibt es auch bei der Klagebefugnis. Nach einer Zahlung (Erlöschen des Steueranspruches gem. § 47 AO) kann jedoch ein Aufteilungsbescheid nicht mehr beantragt werden (vgl. § 269 Abs. 2 Satz 2 AO), wodurch die Klagebefugnis in solchen Fällen grundsätzlich nicht mehr gegeben ist (vgl. Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 256. Lfg. 2/2020, § 40 FGO Rn. 252 m.w.N.; vgl. ähnlich – dort zum allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis – im vorläufigen Rechtsschutz Stapperfend in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 114 Rn. 16 m.w.N., wonach das Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung nach Zahlung entfällt).
44Auch wenn man - aus Sicht des Senats unzutreffend - eine subjektive Klagebefugnis des Klägers wegen Betroffenheit seiner (Kapital-)Einkünfte bejahen würde, wäre die Klage nach Überzeugung des Senats jedenfalls unzulässig, weil das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Es ist keine Verbesserung der Situation des Klägers durch ein Obsiegen erkennbar.
45III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
46IV. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zugelassen, weil aus Sicht des Senats höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt ist, ob bei gezahlter Steuer (und begehrter Erstattung) die Klage nur eines Ehegatten mangels Klagebefugnis und/oder allgemeinem Rechtsschutzbedürfnis durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen ist.