Finanzgericht Köln, 13 K 927/16
Der Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 18.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.03.2016 wird mit der Maßgabe geändert, dass die für die Unterkunftsgestellung gegenüber den Saisonarbeitskräften berücksichtigten Sachbezugswerte i.H.v. 5.919,02 € (2012), 3.670,41 € (2013) und 2.915,04 € (2014) außer Ansatz bleiben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Neuberechnung der danach festzusetzenden Nachforderungsbeträge wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 60 % dem Beklagten und zu 40 % dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die lohnsteuerliche Behandlung der Überlassung von Unterkünften und der Gestellung von Mahlzeiten gegenüber ausländischen Saisonarbeitskräften.
3Der Kläger führt einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in C. Gegenstand seines Unternehmens ist der Anbau von Obst und Gemüse.
4Zwischen dem .2015 und dem .2015 führte der Beklagte eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.12.2014 beim Kläger durch. In dieser wurden ausweislich des Berichts vom 13.05.2015 die folgenden, vorliegend streitigen Prüfungsfeststellungen getroffen:
5Der Kläger hatte im Prüfungszeitraum teils kurzfristig, teils längerfristig (länger als 180 Tage im Kalenderjahr) ausländische Saisonarbeitskräfte beschäftigt. Nach den Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung hatte er für einige dieser Saisonarbeitskräfte jeweils die Lohnsteuerpauschalierung mit 5 % gemäß § 40a Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch genommen, obwohl deren Beschäftigungsdauer die 180-Tage-Grenze des § 40a Abs. 3 Satz 3 EStG überschritt. Den nicht pauschalierungsfähigen Arbeitslohn für diese Arbeitnehmer sowie die insoweit an den Kläger zu erstattenden Pauschalsteuern und Solidaritätszuschläge ermittelte die Lohnsteuer-Außenprüfung wie folgt (vgl. Tz. 1 des Lohnsteuer-Außenprüfungsberichts):
6Jahr |
Summe Löhne |
pauschalierte LSt |
SolZ |
Ev. KiSt |
Rk. KiSt |
Jd. KiSt |
Ak. KiSt |
2012 |
22.624,00 € |
1.131,20 € |
62,22 € |
32,44 € |
46,65 € |
0,06 € |
0,03 € |
2013 |
68.795,60 € |
3.439,78 € |
189,19 € |
98,65 € |
141.86 € |
0,17 € |
0,10 € |
2014 |
38.113,50 € |
1.905,68 € |
104,81 € |
54,65 € |
78,61 € |
0,09 € |
0,05 € |
Summe |
6.476,66 € |
356,22 € |
185,74 € |
267,12 € |
0,32 € |
0,18 € |
Die zutreffenden Lohnsteuerbeträge und Solidaritätszuschläge auf die zu Unrecht pauschaliert besteuerten Löhne der länger als 180 Tage beschäftigten Saisonarbeitskräfte ermittelte die Lohnsteuer-Außenprüfung in folgender Höhe (vgl. Tz. 2.4 b) des Lohnsteuer-Außenprüfungsberichts):
8Jahr |
LSt |
SolZ |
2012 |
3.395,11 € |
173,60 € |
2013 |
13.388,47 € |
715,76 € |
2014 |
10.441,92 € |
559,54 € |
Summe |
27.225,50 € |
1.448,90 € |
In die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für diese Beträge hatte die Prüferin auch Sachbezüge in Form der Gestellung einer Unterkunft an die länger als 180 Tage im Kalenderjahr beschäftigten Arbeitnehmer mit folgenden Werten einbezogen:
10Jahr |
Sachwert Unterkunft |
2012 |
619,16 € |
2013 |
1.685,86 € |
2014 |
1.642,83 € |
Summe |
3.947,85 € |
Insoweit hatte sie festgestellt, dass der Kläger sämtlichen ausländischen Saisonarbeitskräften während der Dauer ihrer jeweiligen Beschäftigung eine Unterkunft zur Verfügung gestellt hatte. Bis einschließlich September 2014 war die Unterbringung in auf dem Betriebsgelände aufgestellten Containern erfolgt. Die Container waren mit je drei Personen pro Zimmer besetzt und mit Gemeinschaftstoiletten und Gemeinschaftswaschräumen ausgestattet. Ab Oktober 2014 erfolgte die Unterbringung sodann in einer neu erbauten Halle mit einer Belegung von nur noch zwei Personen pro Zimmer und jeweils eigener Dusche / eigenem WC. Für die Überlassung der Unterkunft hatte der Kläger den meisten Arbeitnehmern im Rahmen der Lohnabrechnung seit Mitte 2012 durchgehend einen Betrag von jeweils 1,55 € pro Tag in Abzug gebracht.
12Ab dem .2014 hatte der Kläger den Saisonarbeitskräften ferner arbeitstäglich ein von einem Catering-Service geliefertes fertiges Mittagessen kostenlos zur Verfügung gestellt. Ausweislich der Rechnungen des Catering-Unternehmens hatte dieses dem Kläger hierfür bis zum 31.12.2014 insgesamt 13.812,94 € in Rechnung gestellt. Ausgehend von einem Preis pro Mahlzeit von 4,50 € laut Rechnung ergab sich hieraus die Lieferung von insgesamt 3.070 Mahlzeiten im Zeitraum .2014 bis 31.12.2014.
13Unter Tz. 2 und 3 ihres Berichts vertrat die Lohnsteuer-Außenprüfung insoweit die Auffassung, die verbilligte Unterkunftsüberlassung sowie die unentgeltliche Gestellung von Mahlzeiten stelle jeweils die Gewährung eines steuerpflichtigen geldwerten Vorteils (Sachbezugs) dar. Für dessen Bewertung seien gemäß § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG die amtlichen Sachbezugswerte nach der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV) heranzuziehen.
14Der Wert einer als Sachbezug zur Verfügung gestellten Unterkunft betrage danach 2,47 € pro Tag für 2012, 2,52 € pro Tag für 2013, 2,58 € pro Tag für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 30.09.2014 (Belegung mit drei Beschäftigten) und 3,32 € pro Tag für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis zum 31.12.2014 (Belegung mit zwei Beschäftigten). Hiervon ausgehend ermittelte die Prüferin – unter Anrechnung der vom Kläger gegenüber den Arbeitnehmern bereits einbehaltenen 1,55 € pro Tag – die gemäß § 40a Abs. 3 EStG pauschal mit 5 % nachzuversteuernden Beträge wie folgt:
152012 |
2013 |
2014 |
|
Summe Anwesenheitstage |
3.980 |
4.680 |
4.460 (3.841 Tage bis zum 30.09., 619 Tage ab dem 01.10.) |
x Sachbezugswert/Tag |
2,47 € |
2,52 € |
2,58 € bis zum 30.09., 3,32 € ab 01.10. |
= Summe Sachbezug |
9.652,76 € |
11.793,60 € |
11.964,86 € |
abzgl. Einbehalt laut Hauptkasse |
3.115,50 € |
6.448,00 € |
7.424,50 € |
abzgl. bereits mit Eingangssteuersatz versteuertem Betrag |
618,24 € |
1.675,19 € |
1.625,32 € |
nachzuversteuern |
5.919,02 € |
3.670,41 € |
2.915,04 € |
Der Wert des in 2014 als Sachbezug zur Verfügung gestellten Mittagessens betrage nach der SvEV 3,00 € pro Mahlzeit. Bei 3.070 zur Verfügung gestellten Mahlzeiten ergab sich insoweit ein für 2014 gemäß § 40a Abs. 3 EStG pauschal mit 5 % nachzuversteuernder Betrag i.H.v. 9.210 €.
17Die darauf insgesamt entfallenden pauschalierten Lohnsteuer- und Kirchensteuerbeträge sowie Solidaritätszuschläge ermittelte die Lohnsteuer-Außenprüfung wie folgt (vgl. Tz. 4 a) des Lohnsteuer-Außenprüfungsberichts):
18Jahr |
geldwerter Vorteil Unterkunft / Verpflegung |
LSt (§ 40a Abs. 3 EStG) |
SolZ |
Ev. KiSt |
Rk. KiSt |
Jd. Kist |
Ak. KiSt |
2012 |
5.919,02 € |
295,95 € |
16,28 € |
8,49 € |
12,21 € |
0,01 € |
0,01 € |
2013 |
3.670,41 € |
183,52 € |
10,09 € |
5,26 € |
7,57 € |
0,01 € |
0,01 € |
2014 |
12.125,04 € |
606,25 € |
33,34 € |
17,39 € |
25,00 € |
0,03 € |
0,02 € |
Summe |
21.714,47 € |
1.085,72 € |
59,71 € |
31,14 € |
44,78 € |
0,05 € |
0,04 € |
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung und erließ unter dem 18.05.2015 einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, mit dem er den Kläger für folgende Haftungs- und Nachforderungsbeträge in Anspruch nahm:
20Haftung |
Nachforderung |
Insgesamt |
|
01.01.2012-31.12.2014 |
01.01.2012-31.12.2014 |
01.01.2012-31.12.2014 |
|
Lohnsteuer |
27.225,50 € |
-5.390,94 € |
21.834,56 € |
Solidaritätszuschlag |
1.448,90 € |
-295,51 € |
1.152,39 € |
Ev. Kirchensteuer |
-154,60 € |
-154,60 € |
|
Röm.-kath. Kirchensteuer |
-222,34 € |
-222,34 € |
|
Altkath. Kirchensteuer |
-0,14 € |
-0,14 € |
|
Jüd. Kultussteuer |
-0,27 € |
-0,27 € |
|
Gesamtbetrag |
22.609,60 € |
Die Haftungsbeträge entsprachen der Summe der von der Lohnsteuer-Außenprüfung ermittelten Lohnsteuerbeträge und Solidaritätszuschläge auf die zu Unrecht pauschaliert besteuerten Löhne der länger als 180 Tage im Kalenderjahr beschäftigten Saisonarbeitskräfte. Die Nachforderungsbeträge entsprachen der Differenz zwischen den aufgrund der Lohnsteuer-Außenprüfung zu erstattenden Pauschalsteuern und Solidaritätszuschlägen auf die Löhne der länger als 180 Tage im Kalenderjahr beschäftigten Saisonarbeitskräfte und den auf den geldwerten Vorteil aus der Unterkunfts- und Mahlzeitengestellung entfallenden Lohn-/Kirchensteuerbeträgen sowie Solidaritätszuschlägen. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorgenannten Bescheid Bezug genommen.
22Hiergegen legte der Kläger am 16.06.2015 fristgerecht Einspruch ein, mit welchem er sich inhaltlich allein gegen die lohnsteuerliche Behandlung der Unterkunfts- und Mahlzeitengestellung wendete. Er habe schon nach den Regelungen der früheren Verordnung über Ausnahmeregelungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an neueinreisende ausländische Arbeitnehmer (Anwerbestoppausnahmeverordnung – ASAV) ausländische Saisonarbeitskräfte beschäftigt. Diesen habe er nach Maßgabe der vormals geltenden Vermittlungsabsprachen der Bundesagentur für Arbeit mit den ausländischen Partnerverwaltungen eine Unterkunft sowie Verpflegung zur Verfügung stellen müssen. Hierzu habe er auf seinem Betriebsgelände seinerzeit entsprechende Unterkünfte errichtet, da ein sachgerechter Mietmarkt aufgrund der nur kurzfristigen Aufenthalte der überwiegend ausländischen Saisonarbeitskräfte nicht bestanden habe. Die Erfassung der Unterkunftsüberlassung als steuerpflichtiger, mit dem amtlichen Sachbezugswert zu bewertender geldwerter Vorteil begegne vor dem Hintergrund dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Unterkunftsgestellung Bedenken.
23Außerdem seien die errichteten baulichen Anlagen nicht als Unterkunft, sondern öffentlich-rechtlich als Arbeitsstätte ausgestattet und unterlägen genehmigungsrechtlichen Erfordernissen des Bauamtes sowie der Ämter für Arbeitsschutz. Es sei daher fraglich, ob es sich überhaupt um eine „Unterkunft“ handele. Wenn keine Arbeitsstätte angenommen werde, stelle sich das Problem der Abgrenzung zwischen „Unterkunft“ und „Wohnung“. Wie bereits ausgeführt habe ein Mietmarkt für die Saisonarbeitskräfte faktisch nicht bestanden. Bei Annahme einer „Wohnung“ könne zum Zwecke der Bewertung daher nicht der Mietspiegel der Gemeinde zugrunde gelegt werden.
24Schließlich bestünden auch vor dem Hintergrund des sog. Truckverbotes nach § 107 der Gewerbeordnung (GewO) Bedenken gegen die Anwendung der Werte der SvEV. Aus § 107 GewO folge, dass jedenfalls der Teil der verbilligt gewährten Sachbezüge, der den pfändungsfreien Betrag nicht überschreite, kein geldwerter Vorteil und kein Teil des Arbeitslohns sein könne. Die maßgebliche Pfändungsfreigrenze sei bei Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften insoweit nicht nach deutschem, sondern nach ausländischem Recht zu ermitteln.
25Auf Anforderung übersandte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 11.12.2015 ergänzend ein Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit – Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) – für Arbeitgeber zur Vermittlung und Beschäftigung ausländischer Saisonarbeitnehmer und Schaustellergehilfen, gültig ab Januar 2005. Darin wird auf Seite 3 ausgeführt, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, dem Arbeitnehmer eine angemessene Unterkunft zu stellen oder für seine Unterkunft zu sorgen. Die Unterkunft müsse von der zuständigen Bauordnungsbehörde als Unterkunft für Saisonkräfte baurechtlich genehmigt bzw. geduldet sein. Auch die Aufstellung von Containern zur Unterbringung von Saisonkräften sei genehmigungspflichtig. Die an die Unterkunft hinsichtlich Ausstattung und Größe zu stellenden Mindestanforderungen waren in einem Anhang zu dem Merkblatt niedergelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Unterlagen (Rb.-Akte) Bezug genommen.
26Mit Einspruchsentscheidung vom 03.03.2016 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Seinen gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid gerichteten Einspruch habe der Kläger nicht begründet. Da die Voraussetzungen einer Lohnsteuerpauschalierung gemäß § 40a Abs. 3 EStG aufgrund der Überschreitung der 180-Tage-Grenze für mehrere Saisonarbeitskräfte nicht vorgelegen hätten, habe er, der Beklagte, die insoweit vom Kläger einbehaltenen Pauschalsteuern zu Recht erstattet und den Kläger als Arbeitgeber für die zutreffenden Lohnsteuerbeträge nach Steuerklasse VI in Haftung genommen.
27Auch der Lohnsteuernachforderungsbescheid sei rechtmäßig. Die Gestellung von Unterkünften und Verpflegung gegenüber den ausländischen Saisonarbeitskräften sei dem Grunde und der Höhe nach zutreffend dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden. Nach § 2 Abs. 4 Nr. 6 der Arbeitsstättenverordnung gehörten Unterkünfte zwar zur Arbeitsstätte, dies ändere aber nichts daran, dass die Unterkunft für steuerliche Zwecke als solche zu qualifizieren sei. Insoweit ergebe sich auch keine Abgrenzungsproblematik zwischen Wohnung und Unterkunft. Dass die Saisonarbeitskräfte das Recht hätten, in den vom Kläger zur Verfügung gestellten Unterkünften zu wohnen, beruhe auf dem zum Kläger bestehenden Arbeitsverhältnis, denn ohne dieses wäre es nicht zur Nutzung der Unterkünfte gekommen. Ein ganz überwiegendes betriebliches Interesse des Arbeitgebers an den Vorteil der Unterkunftsüberlassung bewirkenden Aufwendungen sei im Streitfall überdies nicht erkennbar. Vielmehr stehe das Interesse der ausländischen Saisonarbeiter, während ihrer Tätigkeit in Deutschland eine Bleibe in unmittelbarer Arbeitgebernähe zu haben, dem Interesse des Arbeitgebers daran, Saisonarbeitskräfte zu erhalten, zumindest gleichwertig gegenüber.
28Ob ein geldwerter Vorteil für die Saisonarbeitskräfte entstanden sei, hänge davon ab, ob der vom Kläger für die Unterkunftsgewährung einbehaltene Betrag i.H.v. 1,55 € pro Tag als ortsüblich anzusehen sei oder ob insoweit die Werte der SvEV zugrunde gelegt werden müssten. Nach § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG sei letzteres der Fall. Gemäß § 2 Abs. 3 und 4 SvEV sei zwischen der Bewertung einer als Sachbezug zur Verfügung gestellten „Unterkunft“ und einer als Sachbezug zur Verfügung gestellten „Wohnung“ zu unterscheiden. Die Abgrenzung erfolge nach R 8.1 Abs. 5 und 6 LStR 2014. Danach liege im Streitfall eine Unterkunft und keine Wohnung vor, da keine Küche oder vergleichbare Kochgelegenheit vorhanden gewesen sei und lediglich ein einziger Wohnraum bei Mitbenutzung von Bad und Toilette zur Verfügung gestanden habe. Für Unterkünfte gälten grundsätzlich die Sachbezugswerte nach § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 SvEV. Gründe, die für den Ansatz des bei außergewöhnlicher Schwierigkeit der Feststellung der ortsüblichen Miete maßgeblichen „Ersatzwertes“ sprächen, seien im Streitfall weder dargelegt worden noch anderweitig ersichtlich.
29Auch der Hinweis auf § 107 GewO führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Nach dessen Abs. 2 dürfe die Vereinbarung von Sachbezügen als Teil des Arbeitsentgelts nur erfolgen, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspreche. Zudem dürfe der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen. Entgegen der Ansicht des Klägers ergäben sich die insoweit maßgeblichen Pfändungsfreigrenzen für in Deutschland tätige ausländische Arbeitnehmer gemäß § 20 der Zivilprozessordnung (ZPO) aus den Vorschriften des deutschen Rechts, namentlich aus § 850c ZPO. Darauf, ob der Arbeitslohn danach aufgrund des Wertes der Sachbezüge i.S.d. § 107 Abs. 2 GewO zu niedrig sei, komme es aus steuerlicher Sicht nicht an. Dies sei eine Frage des Arbeitsrechts.
30Der Wert der als Sachbezug zur Verfügung gestellten Verpflegung ergebe sich aus § 2 Abs. 1 SvEV und sei vom Kläger nicht angegriffen worden. Die Ausführungen zur Maßgeblichkeit der Sachbezugswerte für die Bewertung der Unterkunftsüberlassung gälten analog auch für die Mahlzeitengestellung.
31Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 03.03.2016 Bezug genommen.
32Am 04.04.2016 hat der Kläger fristgerecht Klage „wegen Lohnsteuernachforderungsbescheid“ erhoben und erklärt, er begehre die Aufhebung des der Klageschrift als Anlage beigefügten Bescheids vom 18.05.2015 „im Hinblick auf den Nachforderungsbescheid“, soweit diesem eine Versteuerung der den Saisonarbeitskräften gewährten Unterkunft und Verpflegung als geldwerter Vorteil zugrunde liege.
33Die Unterkunfts- und Mahlzeitengestellung stelle keinen geldwerten Vorteil der Arbeitnehmer dar, da seinerseits insoweit ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse bestehe. Bis zum Eintritt der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf EU-Ebene seien die überwiegend aus Q und S stammenden Saisonarbeitskräfte auf Grundlage der ASAV für ihn tätig geworden und habe er gegenüber der Agentur für Arbeit die Gewährung einer Unterkunft für diese gewährleisten müssen. Ohne arbeitgeberseitige Zusicherung einer Unterkunft wäre bereits die Vermittlung ausländischer Saisonkräfte ausgeblieben. Die Unterkunftsgestellung habe somit nicht überwiegend im Interesse der Arbeitnehmer gelegen, sondern sei in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Vorgabe erfolgt, um überhaupt an Saisonkräfte aus dem Ausland zu gelangen, auf die der Betrieb insbesondere in Arbeitsspitzen dringend angewiesen sei. In diesem Kontext sei auch das Urteil des FG Münster vom 09.08.2016 (13 K 3218/13) zu beachten, das zur Frage des Vorliegens eines geldwerten Vorteils unter Berücksichtigung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Übernahme von Fortbildungskosten ergangen sei und ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers insoweit bejaht habe. Nahezu jede Fortbildung eines Arbeitnehmers diene aber neben den Arbeitgeberinteressen auch der höheren Qualifikation des Arbeitnehmers und dessen Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
34Zwar seien die bisherigen öffentlich-rechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Unterkunftsgestellung nach Ausdehnung der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf die „neuen“ ... EU-Staaten inzwischen entfallen, die faktischen Gegebenheiten hätten sich jedoch nicht geändert. Aufgrund der früheren öffentlich-rechtlichen Unterbringungserfordernisse habe er, der Kläger, mangels eines bestehenden Mietmarktes für die regelmäßig nur kurz in Deutschland tätigen Saisonarbeiter ebenso wie zahlreiche andere Landwirtschafts- und Gartenbaubetriebe in eigene Unterkünfte für diese investiert und hierfür auch eine entsprechende baurechtliche Genehmigung eingeholt. Eine Umnutzung der im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) errichteten Unterkünfte für andere Zwecke sei ohne Verstoß gegen bauordnungs- und bauplanungsrechtliche Vorgaben sowie Einholung einer potentiellen Nutzungsänderungsgenehmigung, deren Erteilung äußerst fraglich sei, nicht möglich. Anstelle der dortigen Unterbringung der Saisonarbeitskräfte komme daher nur ein vollständiger Leerstand der Unterkünfte trotz erheblichem Investitionsaufwand in Betracht. Aus diesem Grunde bestehe auch nach Eintritt der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Verhältnis zu Q, S usw. ein übergeordnetes betriebliches Interesse an einer Unterkunftsgestellung. Zu beachten sei insoweit auch, dass die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung z.B. im Rahmen des Arbeitnehmerentsendegesetzes oder des Mindestlohngesetzes – unabhängig von § 107 Abs. 2 GewO – keinen Lohnbestandteil darstelle.
35Eine Unterbringung der Saisonarbeitskräfte außerhalb der Hofstelle würde überdies zu erheblichen betriebswirtschaftlichen Problemen führen. In diesem Falle wäre er als Arbeitgeber angesichts der betrieblichen Abläufe in der Landwirtschaft mit dem Erfordernis schneller Reaktionen auf sich ändernde Witterungsverhältnisse und teilweise kurzfristig eingehenden Aufträge gehalten, Arbeits- oder Rufbereitschaft anzuordnen. Im arbeitszeit- und vergütungsrechtlichen Sinne stelle diese aber Arbeitszeit dar und müsse entlohnt werden. Zudem seien die Beschränkungen des Arbeitszeitgesetzes zu beachten. Allein die Unterbringung der Saisonkräfte auf dem Hofgelände ermögliche es daher, von der Anordnung einer Arbeits- oder Rufbereitschaft abzusehen. Zwar hätten die Saisonkräfte arbeitsrechtlich selbstverständlich die Möglichkeit, ihre Freizeit außerhalb des Hofgeländes zu verbringen, tatsächlich machten sie von dieser Möglichkeit jedoch nach langjähriger Erfahrung keinen Gebrauch. Dementsprechend sei auch ohne Anordnung von Arbeits- oder Rufbereitschaft sofortige Vollarbeit mit entsprechender Produktivität möglich. Auch aus diesem Grunde sei sein Interesse als Arbeitgeber an der Unterbringung der Arbeitnehmer vor Ort höher zu bewerten als deren Interesse an der Unterkunftsgestellung.
36Ebenfalls unabhängig von der Frage des Durchgreifens des § 107 Abs. 2 GewO auf das Einkommensteuerrecht stelle sich zudem nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung EG 1408/71 die Frage nach der Anwendbarkeit der SvEV im vorliegenden Fall. Aufgrund der fortbestehenden Zugehörigkeit der Saisonarbeitskräfte zum System der sozialen Sicherheit ihres jeweiligen Herkunftslandes sei ein Durchgriff des Steuerrechts auf die in der SvEV niedergelegten Werte nicht zulässig.
37Auf einen mit Schreiben vom 18.02.2019 erteilten Hinweis der Berichterstatterin, dass für die Saisonarbeitskräfte ggf. ein Fall der doppelten Haushaltsführung vorliegen könnte und der Kläger den in der Unterkunftsgestellung evtl. bestehenden geldwerten Vorteil danach möglicherweise gemäß § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei zuwendenden durfte, teilte der Kläger mit, dass ihm bedauerlicherweise keine Nachweise über eine doppelte Haushaltsführung vorlägen. Aufgrund der zunächst vorgenommenen Lohnsteuerpauschalierung nach § 40a Abs. 3 EStG habe es entsprechender Nachweise nicht bedurft. Nach Ergehen des Lohnsteuerhaftungsbescheids seien zwar Einkommensteuererklärungen für die betroffenen Saisonarbeitskräfte abgegeben worden und er habe vom Beklagten eine Erstattung i.H.v. ca. 28.000 € erhalten. Auch für die Einkommensteuererklärungen seien jedoch keine Nachweise einer doppelten Haushaltsführung benötigt worden, da die jeweils zu versteuernden Einkünfte der Arbeitnehmer weit unter dem Tabelleneingangsbetrag gelegen hätten.
38Der Kläger beantragt,
39den Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 18.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.03.2016 dahingehend zu ändern, dass darin Lohnsteuer i.H.v. -6.476,66 €, Solidaritätszuschlag i.H.v. -356,22 €, ev. Kirchensteuer i.H.v. -185,74 €, röm.-kath. Kirchensteuer i.H.v. -267,12 €, jüd. Kultussteuer i.H.v. -0,32 € und altkath. Kirchensteuer i.H.v. -0,18 € festgesetzt wird,
40hilfsweise, den vorgenannten Bescheid mit der Maßgabe zu ändern, dass der in der verbilligten Unterkunftsüberlassung und kostenlosen Mahlzeitengestellung an die ausländischen Saisonarbeitskräfte bestehende Arbeitslohn gemäß § 3 Nr. 16 EStG im Umfang der abziehbaren Beträge für Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung als steuerfrei behandelt wird.
41Der Beklagte beantragt,
42die Klage abzuweisen.
43Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend hierzu trägt er vor, gerade die Schwierigkeit, im Umfeld des klägerischen Betriebs Wohnraum zu finden, führe dazu, dass die Arbeitnehmer des Klägers die Unterkunftsgestellung durch ihn als Entlohnung für die Zurverfügungstellung ihrer Arbeitskraft ansähen. Sie seien darauf angewiesen, vor Ort eine Unterkunft zu finden, um überhaupt in Deutschland arbeiten zu können. Dass sie hierfür keine teure Wohnung anmieten müssten, sondern vom Arbeitgeber eine Unterkunft gestellt bekämen, für die sie nur eine sehr geringe Miete zahlen müssten, sei für die Arbeitnehmer von einem erheblichen Eigeninteresse, das die eigenbetrieblichen Interessen des Arbeitgebers in den Hintergrund treten lasse.
44Für die Frage, ob die Unterkunftsgestellung zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führe, sei im Übrigen nicht das Arbeitnehmerentsende- oder das Mindestlohngesetz maßgeblich, sondern allein das EStG. Auch die Argumentation, dass eine anderweitige Nutzung der Unterkünfte ohne Verstoß gegen bauordnungs- oder bauplanungsrechtliche Vorgaben und Einholung einer potentiellen Nutzungsänderungsgenehmigung nicht möglich sei, greife angesichts der aktuellen Flüchtlingszuströme und damit verbundenen Wohnraumknappheit nicht durch. Ggf. biete sich ferner eine Vermietung der Unterkünfte an Monteure als anderweitige Nutzungsmöglichkeit an.
45Dass bei anderweitiger Unterbringung der Saisonarbeitskräfte Arbeits- oder Rufbereitschaft angeordnet werden müsste, sei überdies nicht nachvollziehbar. Selbst wenn die Saisonarbeiter auf dem Hof untergebracht seien, könnten sie ohne eine solche Anordnung auswärts unterwegs und daher nicht kurzfristig vor Ort verfügbar sein. Zudem möchten für den Arbeitgeber durch die Unterbringung vor Ort zwar günstigere Betriebsabläufe erreichbar sein, ein das Arbeitnehmerinteresse an der Unterkunftsgestellung ganz überwiegendes betriebliches Arbeitgeberinteresse sei allerdings nicht erkennbar. Das vom Kläger angeführte Urteil des FG Münster sei nicht einschlägig, da es zur Beurteilung von Fortbildungskosten ergangen sei. Bei einer Fortbildungsmaßnahme sei stets ein ganz überwiegendes betriebliches Interesse des Arbeitgebers anzunehmen, wenn die Maßnahme die Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers im Betrieb erhöhen solle. Die Gestellung einer Unterkunft befriedige demgegenüber ein existenzielles Grundbedürfnis des Arbeitnehmers, das unabhängig von der früheren öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Arbeitgebers dessen eigenbetriebliches Interesse überwiege.
46Zu dem Aspekt einer doppelten Haushaltsführung erklärt der Beklagte, es bedürfe insoweit für sämtliche im Zeitraum 01.01.2012 bis 31.12.2014 beim Kläger beschäftigten Saisonkräfte entsprechender Nachweise über das Vorliegen der Voraussetzung eines eigenen Hausstandes am ausländischen Wohnort. Da der Kläger Einkommensteuererklärungen für die Saisonarbeitskräfte erstellt und aufgrund derer auch Erstattungen erhalten habe, sollten ihm die persönlichen Daten der Arbeitnehmer bekannt und ein entsprechender Nachweis der Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung möglich sein. Es sei nicht Aufgabe des Finanzamtes, steuermindernde Tatsachen zu ermitteln. Zudem sei davon auszugehen, dass die eingereichten Steuererklärungen keine Erkenntnisse zum Vorliegen der Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung lieferten, wenn die Höhe der Arbeitslöhne bei einer Steuererklärung nach § 1 Abs. 3 EStG unterhalb des Grundfreibetrags liege und daher kein Antrag auf Abzug der Kosten für eine doppelte Haushaltsführung gestellt worden sei.
47Nach Hinweis der Berichterstatterin auf das Urteil des FG Sachsen vom 12.07.2013 (4 K 1911/11), wonach sich die unentgeltliche (einfache) Verköstigung von Erntehelfern als anlassbezogene Mahlzeitengestellung anlässlich eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes darstellen könne, hat der Beklagte ferner ausgeführt, ein „außergewöhnlicher Arbeitseinsatz“ in diesem Sinne liege bei den arbeitstäglich an die Saisonarbeitskräfte des Klägers ausgegebenen Mahlzeiten nicht vor.
48In der mündlichen Verhandlung am 27.11.2019 hat der persönlich anwesende Kläger klarstellend ausgeführt, er bestreite nicht, dass die Überlassung der Unterkünfte an die ausländischen Saisonarbeitskräfte dem Grunde nach zum Zufluss eines geldwerten Vorteils in Form eines Sachbezugs führen könne. Allerdings empfinde er den vom Beklagten insoweit angesetzten Sachbezugswert von durchschnittlich knapp 3 € pro Tag als deutlich zu hoch. In den Streitjahren habe er überwiegend Saisonarbeitskräfte aus S beschäftigt. Ein Ansatz des in der Unterkunftsgestellung bestehenden Sachbezugs mit 3 € pro Tag, d.h. 90 € im Monat, entspreche einem halben Monatsgehalt in S und erscheine für eine einfache Containerunterkunft der von ihm zur Verfügung gestellten Art aus seiner Sicht nicht angemessen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass er selbst die Container gebraucht für nur etwa 1.000-2.000 € erworben habe. Bei Einbehalt von 3 € pro Tag und Person für die Überlassung hätte sich deren Anschaffung für ihn somit bereits nach einem Jahr amortisiert. Vom Landwirtschaftsverband sei ihm seinerzeit mitgeteilt worden, dass er von den Saisonarbeitskräften den Betrag von 1,55 € pro Tag und Person für die Unterkunftsgestellung einbehalten müsse. Seines Wissens habe dieser Betrag den damaligen Vorgaben der einschlägigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen entsprochen. Mehr habe man aus seiner Sicht für die zur Verfügung gestellten Unterkünfte auch nicht verlangen können. Die bis einschließlich September 2014 verwendeten Containerunterkünfte hätten eine Wohnfläche von 15 m² pro Zimmer gehabt, wobei jedes Zimmer mit zwei bis drei Personen besetzt gewesen sei. Pro Person hätten somit 5 m² bis 7,5 m² zur Verfügung gestanden. Hinzu gekommen seien, ausgehend von der maximal möglichen Belegung der Unterkünfte mit 28 Personen, durchschnittlich weitere 3 m² pro Person für die gemeinschaftlich genutzten Räume (Aufenthaltsraum, Küche usw., Gesamtfläche: 84 m²). In Summe habe somit jedem Saisonarbeitnehmer eine Fläche von 8 m² bis 10,5 m² zur Verfügung gestanden. Lege man die vom Beklagten zugrunde gelegten Sachbezugswerte von durchschnittlich knapp 3 € pro Tag und Person auf diese Fläche um, ergebe sich ein Quadratmeterpreis, der weit über dem ortsüblichen Mietpreis für Wohnungen in C liege. Dies könne nicht richtig sein.
49In Bezug auf die Mahlzeitengestellung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, der Caterer habe das Mittagessen grundsätzlich auf den Hof gebracht und die Arbeitskräfte hätten dieses im Gemeinschaftsraum eingenommen. In Ausnahmefällen sei das Essen auch von der Hofstelle aus zu den Arbeitern auf das Feld gebracht worden. Er stelle bereits dem Grunde nach in Frage, dass die Mahlzeitengestellung einen geldwerten Vorteil / Sachbezug darstelle. Seines Erachtens handele es sich im Streitfall um die Verpflegung während eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes in seinem ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse als Arbeitgeber.
50Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Werte einer als Sachbezug zur Verfügung gestellten Unterkunft durch die SvEV vorgegeben und daher von ihm zwingend zugrunde zu legen seien. Insoweit bestehe für ihn kein Spielraum für den Ansatz eines niedrigeren Wertes.
51Entscheidungsgründe
52Die Klage ist nur zum Teil erfolgreich.
53I. Der Senat sieht die Klage als allein gegen den Lohnsteuernachforderungsbescheid, nicht auch gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid gerichtet an.
54Bei dem der Klageschrift vom 04.04.206 als Anlage beigefügten Bescheid vom 18.05.2015 handelt es sich um einen kombinierten Lohnsteuerhaftungs- und -nachforderungsbescheid, d.h. um einen Sammelbescheid, in dem zwei rechtlich selbständige Verwaltungsakte äußerlich miteinander verbunden worden sind. Nach der von einem Rechtsanwalt verfassten Klageschrift wurde die Klage allerdings nur „wegen (des) Lohnsteuernachforderungsbescheid(s)“ erhoben. Ferner wurde in der Klageschrift ausdrücklich erklärt, es werde die Aufhebung des der Klageschrift als Anlage beigefügten Bescheids „im Hinblick auf den Nachforderungsbescheid“ begehrt, soweit diesem eine Versteuerung der Unterkunfts- und Mahlzeitengewährung als geldwerter Vorteil zugrunde liege.
55Das Gericht sieht angesichts dieses klaren und eindeutigen Wortlauts der von einem Rechtskundigen formulierten Klageschrift keine Möglichkeit, die Klage unter Berücksichtigung des Gebots zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) als auch gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid gerichtet auszulegen, obwohl auch diesem Bescheid Sachbezüge in Form der Unterkunftsgestellung i.H.v. insgesamt 3.947,85 € zugrunde liegen und der Kläger erkennbar die lohnsteuerliche Behandlung der Unterkunftsgestellung beanstandet. Eine entsprechende rechtsschutzgewährende Auslegung käme nur dann in Betracht, wenn die Klageschrift auslegungsfähig und -bedürftig wäre. Ein von einem fachkundigen Bevollmächtigten eingelegter Rechtsbehelf, der den angefochtenen Bescheid eindeutig und abschließend bezeichnet, ist jedoch gerade nicht dahingehend auslegungsfähig, dass auch ein weiterer, in der Rechtsbehelfsschrift nicht benannter Steuerbescheid angefochten werden soll (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.11.2018 – I R 61/16, BFH/NV 2019, 898). An der Auslegungsfähigkeit fehlt es, wenn die Erklärung – wie vorliegend – nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (vgl. BFH-Urteile vom 29.07.1986 – IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359; vom 28.11.2001 – I R 93/00, BFH/NV 2002, 613; BFH-Beschlüsse vom 13.11.1998 – VII B 236/98, BFH/NV 1999, 591; vom 10.04.2001 – V B 116/00, BFH/NV 2001, 1220). Zudem darf die Auslegung nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen (vgl. BFH-Urteile vom 10.05.1989 – II R 196/85, BStBl II 1989, 822; vom 02.10.1990 – VIII R 118/85, BFH/NV 1991, 429; vom 28.11.2001 – I R 93/00, BFH/NV 2002, 613; BFH-Beschlüsse vom 13.11.1998 – VII B 236/98, BFH/NV 1999, 591; vom 15.12.1998 – I B 45/98, BFH/NV 1999, 751).
56Auch die Umdeutung in eine sowohl gegen den Lohnsteuernachforderungs- als auch gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid gerichtete Klage scheidet aus. Von einem Rechtskundigen wie einem Rechtsanwalt muss grundsätzlich eine klare Ausdrucksweise bei der Rechtsbehelfseinlegung erwartet werden. Es entspricht dem Gebot der Rechtssicherheit, ihn mit seinen Verfahrenserklärungen beim Wort zu nehmen, da bei ihm davon ausgegangen werden kann, dass er sich über die rechtliche Tragweite seiner Erklärungen im Klaren ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.06.2016 – IX R 11/15, BFH/NV 2016, 1676). Dementsprechend folgt bereits aus der Eindeutigkeit der Klageschrift, dass eine Umdeutung im Streitfall ausscheidet.
57II. Die so verstandene Klage ist nur teilweise begründet.
58Der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 18.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.03.2016 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO), als der Beklagte darin für die Unterkunftsgestellung gegenüber den ausländischen Saisonarbeitskräften Sachbezugswerte i.H.v. 5.919,02 € (2012), 3.670,41 € (2013) und 2.915,04 € (2014) in Ansatz gebracht hat. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich des ihm zugrunde liegenden Ansatzes eines Sachbezugswertes i.H.v. 9.210 € für die kostenlose Mahlzeitengestellung im Jahr 2014, ist der angefochtene Bescheid hingegen rechtmäßig.
591. Zu Recht hat der Beklagte die unentgeltliche Mahlzeitengestellung gegenüber den ausländischen Saisonarbeitskräften als Arbeitslohn in Form eines geldwerten Vorteils (Sachbezugs) i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 2 EStG der Lohnsteuer gemäß § 40a Abs. 3 EStG unterworfen und den Kläger insoweit durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen.
60a) Was steuerpflichtiger Arbeitslohn i.S.d. §§ 38 ff., 19 EStG ist, bestimmt sich allein nach steuerlichen Maßstäben. Die für die Annahme von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. § 19 Abs. 1 EStG maßgeblichen Begriffe „Dienstverhältnis“, „Arbeitnehmer“, „Arbeitgeber“ und „Arbeitslohn“ sind eigenständiger Natur; ihr Inhalt stimmt daher nicht notwendig mit dem überein, der ihnen z.B. im bürgerlichen Recht, im Arbeitsrecht oder im Sozialversicherungsrecht beigelegt wird (vgl. Geserich in: Blümich, EStG, § 19 Rn. 50). Sie sind folglich nach den für das Steuerrecht maßgebenden Grundsätzen auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23.04.2009 – VI R 81/06, BStBl II 2012, 262 m.w.N.).
61Aus diesem Grunde kann insbesondere der steuerrechtliche Arbeitslohnbegriff weiter gehen als z.B. der des Arbeitsrechts (vgl. BFH-Urteil vom 04.05.2006 – VI R 19/03, BStBl II 2006, 832 m.w.N.). Zwar hat die arbeits- oder sozialrechtliche Behandlung einer Frage für das Steuerrecht indizielle Bedeutung, eine rechtliche Bindung besteht insoweit jedoch nicht (vgl. BFH-Urteile vom 23.04.2009 – VI R 81/06, BStBl II 2012, 262; vom 20.10.2010 – VIII R 34/08, BFH/NV 2011, 585; BFH-Beschluss vom 09.07.2012 – VI B 38/12, BFH/NV 2012, 1968). Selbst wenn die Zuwendung bestimmter Sachbezüge nach dem vom Kläger angeführten sog. Truckverbot (§ 107 Abs. 2 GewO), dem Arbeitnehmerentsende- oder dem Mindestlohngesetz keinen Lohnbestandteil darstellen sollte, folgt hieraus somit nicht zwingend, dass insoweit auch steuerrechtlich kein Arbeitslohn vorliegt.
62aa) Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die „für“ seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen, das heißt im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt werden.
63Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der für die Zuwendung maßgebenden Umstände zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz überwiegend“ eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 21.01.2010 – VI R 51/08, BStBl II 2010, 700).
64Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer wiegt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber – neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers – ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22.06.2006 – VI R 21/05, BStBl II 2006, 915; vom 22.07.2008 – VI R 47/06, BStBl II 2009, 151; vom 21.01.2010 – VI R 51/08, BStBl II 2010, 700).
65bb) Diese zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitigen abstrakten Grundsätze gelangen auch dann zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern – wie vorliegend – Speisen und Getränke unentgeltlich bzw. verbilligt zur Verfügung stellt (vgl. BFH-Urteile vom 05.05.1994 – VI R 55-56/92, BStBl II 1994, 771; vom 07.12.1984 – VI R 164/79, BStBl II 1985, 164; vom 04.08.1994 – VI R 61/92, BStBl II 1995, 59; vom 19.11.2008 – VI R 80/06, BStBl II 2009, 547; vom 21.01.2010 – VI R 51/08, BStBl II 2010, 700), obwohl Verpflegungsaufwendungen grundsätzlich den für die Einkünfteermittlung unbeachtlichen Bereich der Lebensführung betreffen (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2005 – VI R 32/03, BStBl II 2006, 30).
66Danach handelt es sich bei der Abgabe von Mahlzeiten an Arbeitnehmer grundsätzlich um Vorteile, die für eine Beschäftigung gewährt werden. Denn die Nahrungsaufnahme erfüllt ebenso wie z.B. Bekleidung ein allgemeines menschliches Bedürfnis und ist deshalb in aller Regel bei unentgeltlicher Zuwendung einer Mahlzeit mit einem erheblichen eigenen Interesse des Arbeitnehmers verbunden (vgl. BFH-Urteile vom 28.02.1975 – VI R 28/73, BStBl II 1976, 134; 05.05.1994 – VI R 55-56/92, BStBl II 1994, 771).
67Die Rechtsprechung erkennt jedoch verschiedene Ausnahmen von diesem Grundsatz an, wenn die Mahlzeitengestellung ganz überwiegend betriebsfunktionalen Zielsetzungen dient.
68Neben der Bewirtung von Arbeitnehmern anlässlich herkömmlicher Betriebsveranstaltungen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 31.01.1997 – VI R 70/96, BFH/NV 1997, 400) ist dies insbesondere bei der unentgeltlichen Essensabgabe im Rahmen eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes (z.B. Dienstbesprechungen, Fortbildungsveranstaltungen, unerwarteter Arbeitsanfall) der Fall. Die unentgeltliche Überlassung des Essens bezweckt bei derartigen Arbeitseinsätzen in erster Linie eine Beschleunigung der Arbeitsabläufe. Ein Entlohnungscharakter kann daher jedenfalls dann verneint werden, wenn es sich bei den überlassenen Mahlzeiten um einfaches, nicht aufwendiges Essen handelt (vgl. BFH-Urteile vom 05.05.1994 – VI R 55-56/92, BStBl II 1994, 771; vom 04.08.1994 – VI R 61/92, BStBl II 1995, 59). Demgegenüber kann im Falle einer regelmäßigen unentgeltlichen oder verbilligten Essensgewährung an Arbeitnehmer ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers nicht angenommen werden (vgl. BFH-Urteile vom 05.05.1994 – VI R 55-56/92, BStBl II 1994, 771; vom 07.12.1984 – VI R 164/79, BStBl II 1985, 164).
69Nach diesen Grundsätzen hat das Sächsische FG auch die einfache Verköstigung von Erntehelfern als Mahlzeitengestellung im Rahmen eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes angesehen (vgl. Sächsisches FG, Urteil vom 12.07.2013 – 4 K1911/11, n.v.). In dem vom Sächsischen FG entschiedenen Fall verpflegte der Arbeitgeber seine Erntehelfer während der jährlich nur ca. zwei bis vier Wochen andauernden Ernteperiode im Rahmen der Einsätze auf dem Feld unentgeltlich mit belegten Brötchen, die mit eigenem Personal zubereitet worden waren, zu den Arbeitern auf die in einem sehr weiträumigen Gebiet verstreuten Felder gebracht und an Ort und Stelle verzehrt wurden. Das FG stellte u.a. auf die Kurzfristigkeit der gewährten Verpflegung, die Größe der zu bewirtschaftenden Flächen und die daraus folgende erschwerte Möglichkeit der Organisation einer Essensversorgung sowie den Umstand ab, dass es sich eine Verpflegung in einfachster Form gehandelt hatte. Diese Umstände würdigte das Gericht dahingehend, dass die Ernteverpflegung in dem von ihm zu beurteilenden Fall nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung zu qualifizieren sei.
70Der BFH hat eine betriebsfunktionale Zwangslage, aufgrund derer die unentgeltliche Zuwendung von Mahlzeiten an das Personal keinen Arbeitslohn darstellt, beispielsweise auch in der Fluss- bzw. Hochseeschifffahrt für möglich gehalten (vgl. BFH-Urteil vom 21.1.2010 – VI R 51/08, BStBl II 2010, 700). Hieran anknüpfend hat das FG Hamburg die unentgeltliche Mahlzeitengestellung an Mitarbeiter auf einer nur per Helikopter erreichbaren Offshore-Plattform, die im 14-tägigen Schichtdienst tätig waren, nicht als Zuwendung von Sachlohn eingestuft (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 17.09.2015 – 2 K 54/15, EFG 2016, 36). Es hat insoweit auf die unter den Gesichtspunkten der Logistik, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit außergewöhnlichen Arbeitsumstände des Personals auf einer derartigen Plattform sowie die beengten räumlichen Gegebenheiten, die einer Selbstversorgung entgegenstanden, abgestellt und eine faktische Zwangslage der Arbeitnehmer zur Annahme der vom Arbeitgeber angebotenen Mahlzeiten angenommen.
71b) Nach diesen vom erkennenden Senat geteilten Rechtsprechungsgrundsätzen führt die arbeitstägliche Bereitstellung eines kostenlosen Mittagessens für die ausländischen Saisonarbeitskräfte im vorliegenden Fall zur Zuwendung von Arbeitslohn. Bei Würdigung aller Umstände des Streitfalles stellt sich die Mahlzeitengestellung nach Überzeugung des Senats nicht lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen dar.
72Anders als es im klägerischen Vortrag teilweise anklingt, ist es für die Annahme von Arbeitslohn nicht erforderlich, dass das Interesse der Arbeitnehmer an der Erlangung des jeweiligen Vorteils das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Vorteilsgewährung überwiegt. Vielmehr reicht es bereits aus, dass der betriebsfunktionalen Zielsetzung des Arbeitgebers ein „nicht unerhebliches“ eigenes Interesse des Arbeitnehmers gegenübersteht. Ein solches Interesse der vom Kläger beschäftigten ausländischen Saisonarbeitskräfte an der kostenlosen Bereitstellung eines Mittagessens ist nach Auffassung des Senats bei Abwägung gegen die Interessen des Klägers anzunehmen.
73Die Essensabgabe erfolgte vorliegend nicht nur anlässlich und während eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes aus arbeitsablaufbedingten und betriebsfunktionalen Gründen, sondern vielmehr regelmäßig. Die Umstände des Streitfalles sind insoweit nicht mit denen des dem Urteil des Sächsischen FG vom 12.07.2013 (4 K1911/11) zugrunde liegenden Sachverhalts vergleichbar. Während die Arbeitnehmer dort lediglich während eines kurzen Zeitraums von wenigen Wochen zwecks möglichst effektiver Einbringung der Ernte und Ausnutzung einer hierfür günstigen Wetterlage in einfachster Form auf dem Feld mit belegten Brötchen versorgt wurden, hat der Kläger die von ihm beschäftigten Saisonarbeitskräfte arbeitstäglich mit einem kostenlosen fertigen Mittagessen verpflegt, das von einem Caterer angeliefert und von den Arbeitnehmer in der Regel während ihrer Pausenzeiten auf der Hofstelle eingenommen wurde. Ein Ausnahmesachverhalt im Sinne einer lediglich anlassbezogenen Bewirtung der Arbeitnehmer im Rahmen eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes ist insoweit nicht erkennbar. Vielmehr entsprach es ohne einen bestimmten Anlass gerade den gewöhnlichen Arbeitsumständen, dass den Saisonkräften vom Kläger an Arbeitstagen unentgeltlich ein Mittagessen zur Verfügung gestellt wurde.
74Auch eine betriebsfunktionale Zwangslage, wie sie für die Arbeitnehmer im Bereich der Fluss- und Hochseeschifffahrt oder auf einer Offshore-Plattform anzunehmen ist, lässt sich im Streitfall nicht feststellen. Die Arbeitsumstände des Personals auf einem Fluss- oder Hochseekreuzfahrtschiff oder einer nur per Helikopter erreichbaren Offshore-Plattform sind aus Sicht des Senats nicht mit denen von Saisonarbeitskräften in einem landwirtschaftlichen Betrieb wie dem des Klägers vergleichbar. Die auf einem Schiff oder einer Offshore-Plattform tätigen Arbeitnehmer befinden sich aufgrund der fehlenden Möglichkeit, sich in ihrer Freizeit während eines Landgangs selbst mit Lebensmitteln zu versorgen, in einer faktischen Zwangslage, die von ihrem Arbeitgeber am Arbeitsort angebotenen Mahlzeiten anzunehmen. Eine derartige Zwangslage ist für die Saisonarbeitskräfte des Klägers nicht erkennbar, selbst wenn es sich bei der Umgebung des klägerischen Betriebs um eine eher ländliche Gegend mit möglicherweise nicht allzu vielen Einkaufsmöglichkeiten oder Gaststätten handeln mag. Der Umstand, dass der Kläger erst ab Ende April 2014 dazu übergegangen ist, seine Arbeitskräfte zu verpflegen und ab diesem Zeitpunkt zudem nur ein Mittagessen zur Verfügung gestellt wurde, indiziert überdies, dass den Saisonarbeitskräften eine Selbstversorgung durchaus und nicht nur theoretisch möglich gewesen ist.
75Unter den Umständen des Streitfalles verbleibt es nach alledem bei dem Grundsatz, dass die Versorgung mit Mahlzeiten ein allgemeines menschliches Bedürfnis erfüllt und daher im Falle einer unentgeltlichen Zuwendung mit einem erheblichen eigenen Interesse des Arbeitnehmers verbunden ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28.02.1975 – VI R 28/73, BStBl II 1976, 134; vom 05.05.1994 – VI R 55-56/92, BStBl II 1994, 771). Ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Klägers an der Mahlzeitengestellung kann insoweit daher nicht angenommen werden, weil der Vorteil einer kostenlosen Verpflegung zumindest auch im nicht völlig untergeordneten Interesse der Arbeitnehmer lag.
76c) Einwendungen gegen die vom Beklagten vorgenommene Bewertung des in der unentgeltlichen Verpflegung der Saisonarbeitskräfte bestehenden Sachbezugs wurden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch anderweitig nicht ersichtlich.
77Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG in der für das Jahr 2014 geltenden Fassung sind bei Arbeitnehmern, für deren Sachbezüge durch Rechtsverordnung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Werte bestimmt worden sind, diese Werte maßgebend. Daher sind für die zur Verfügung gestellte Verpflegung, Unterkunft oder Wohnung die für jedes Kalenderjahr im Voraus durch die SvEV festgelegten Werte heranzuziehen.
78Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 SvEV in der für das Jahr 2014 geltenden Fassung beträgt der Wert eines als Sachbezug zur Verfügung gestellten Mittagessens monatlich 90 €, d.h. 3,00 € pro Tag. Dies entspricht dem im Streitfall vom Beklagten zugrunde gelegten Wert pro Mahlzeit. Gemessen daran, dass der Kläger ausweislich der vorliegenden Rechnungen des Catering-Unternehmens selbst Aufwendungen i.H.v. 4,50 € pro Mahlzeit getragen hat, erscheint der Ansatz des in der Mahlzeitengestellung bestehenden Sachbezugs mit 3,00 € pro Mahlzeit auch keineswegs überzogen. Ohnehin sind die in § 2 SvEV festgesetzten Sachbezugswerte für die Sachbezüge, für die sie bestimmt sind, nach der Rechtsprechung des BFH zwingend anzusetzen, soweit nicht eine Bewertung nach § 8 Abs. 3 EStG in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil vom 23.08.2007 – VI R 74/04, BStBl II 2007, 948). Dem Ansatz der amtlichen Werte der SvEV stehen selbst in den Fällen, in denen sie (angeblich) über dem Marktwert liegen, auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 23.08.2007 – VI R 74/04, a.a.O.).
79d) Der Kläger vermag hinsichtlich der kostenlosen Mahlzeitengestellung auch nicht mit seinem Hilfsantrag durchzudringen, dass der darin bestehende Arbeitslohn gemäß § 3 Nr. 16 EStG im Umfang der abziehbaren Beträge für Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung als steuerfrei zu behandeln ist.
80Nach § 3 Nr. 16 EStG in der im Streitjahr 2014 geltenden Fassung sind die Vergütungen, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber zur Erstattung von Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung erhalten, steuerfrei, soweit sie bei Verpflegungsmehraufwendungen die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, Abs. 4a Satz 12 EStG als Werbungskosten abziehbaren Pauschbeträge nicht übersteigen. Die Steuerfreiheit greift auch dann, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nicht einen Geldbetrag, sondern die damit zu erbringende Leistung unmittelbar zuwendet (vgl. BFH-Urteil vom 21.01.2010 – VI R 51/08, BStBl II 2010, 700 m.w.N.). Eine doppelte Haushaltsführung besteht dann, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG in der für den VZ 2014 geltenden Fassung). Das Vorliegen eines eigenen Hausstands setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG in der für den VZ 2014 geltenden Fassung).
81Dass die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung für jeden einzelnen im Jahr 2014 beim Kläger beschäftigten Saisonarbeitnehmer vorlagen, hat der Kläger jedoch nicht nachgewiesen. Er trägt insoweit selbst vor, dass er den entsprechenden Nachweis nicht zu führen vermag. Überdies käme eine Berücksichtigung des Verpflegungsmehraufwands selbst bei erfolgreichem Nachweis der Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung nur für die ersten drei Monate nach deren Begründung in Betracht (§ 9 Abs. 4a Satz 12 i.V.m. Satz 6 EStG in der für den VZ 2014 geltenden Fassung).
82e) Der Beklagte durfte den Kläger ferner auch rechtmäßig durch Nachforderungsbescheid für die nach § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG pauschalierte Lohnsteuer auf den in der Mahlzeitengestellung bestehenden Sachbezug in Anspruch nehmen.
83Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet worden ist und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt (vgl. BFH-Urteil vom 21.01.2010 – VI R 51/08, BStBl II 2010, 700 m.w.N.). Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt gemäß § 40a Abs. 5 EStG i.V.m. § 40 Abs. 3 EStG u.a. dann vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG gegeben sind. Die pauschale Lohnsteuer nach § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG auf den in der Mahlzeitengestellung bestehenden Sachbezug ist nach § 40a Abs. 5 EStG i.V.m. § 40 Abs. 3 Satz 1 EStG vom Kläger zu übernehmen; insoweit ist er alleiniger Steuerschuldner (§ 40 Abs. 3 Satz 2 EStG).
842. Zu Unrecht hat der Beklagte allerdings im Rahmen des Lohnsteuernachforderungsbescheids die Unterkunftsgestellung gegenüber den ausländischen Saisonarbeitskräften mit um 5.919,02 € (2012), 3.670,41 € (2013) und 2.915,04 € (2014) erhöhten Sachbezugswerten in Ansatz gebracht.
85a) Zwar ist die Überlassung einer Unterkunft unter den Umständen des Streitfalles nach Überzeugung des Senats grundsätzlich geeignet, zum Zufluss eines geldwerten Vorteils in Form eines Sachbezugs bei den Arbeitnehmern zu führen. Ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Klägers, das das Interesse der Saisonarbeitskräfte an der Erlangung des Vorteils der Unterkunftsgestellung gänzlich in den Hintergrund treten ließe, ist bei Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände nicht erkennbar.
86aa) Hinsichtlich der Definition von steuerpflichtigem Arbeitslohn i.S.d. §§ 38 ff., 19 EStG gelten in Bezug auf eine vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Unterkunft dieselben abstrakten Grundsätze wie bezüglich der Versorgung der Arbeitnehmer mit Speisen und Getränken. Insoweit kann daher auf die oben dargestellten allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätze verwiesen werden. Auch die Versorgung mit einer Unterkunft entspricht einem existentiellen menschlichen Grundbedürfnis, so dass die Unterkunftsgewährung durch den Arbeitgeber in aller Regel mit einem erheblichen Eigeninteresse des Arbeitnehmers verbunden ist und zum Zufluss von Arbeitslohn führt.
87bb) Zwar kann nach der Rechtsprechung des BFH in Ausnahme hierzu ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Unterkunftsgestellung anzunehmen sein, wenn dem Arbeitnehmer eine Übernachtungsmöglichkeit in einem gemieteten Zimmer bei Einsatz an einer weit von seinem Tätigkeitsort entfernten Tätigkeitsstelle zur Verfügung gestellt wird (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.1994 – V R 21/92, BStBl II 1994, 881 zur Umsatzsteuer). Denn insoweit erfüllt der Arbeitgeber nicht den generellen Wohnbedarf des Arbeitgebers, sondern deckt einen darüber hinausgehenden, durch seine unternehmerischen Belange verursachten zusätzlichen Bedarf.
88Allerdings ist dies nach Überzeugung des Senats nicht auf den vorliegend zu beurteilenden Fall ausländischer Saisonarbeitnehmer übertragbar, die ihren Heimatort im Ausland „freiwillig“ verlassen, um in Deutschland zumindest vorübergehend einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen. Der Senat verkennt nicht, dass die hiesigen landwirtschaftlichen Betriebe in vielen Fällen auf die ausländischen Saisonarbeitskräfte angewiesen sind und es durch die geografischen Bedingungen (ländlich geprägte Gebiete) kaum zumutbar ist, den Saisonarbeitern die Suche nach geeignetem Wohnraum völlig allein zu überlassen. Dennoch reicht dies nach Auffassung des Gerichts auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Unterbringung der Saisonarbeitskräfte auf der klägerischen Hofstelle besonders effiziente betriebliche Abläufe ermöglicht haben mag, für ein ganz überwiegendes, die Eigeninteressen der Arbeitnehmer gänzlich in den Hintergrund treten lassendes eigenbetriebliches Interesse des Klägers an der Unterkunftsüberlassung nicht aus.
89Insoweit sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit einem Urteil des FG des Saarlandes vom 31.01.2018 (2 K 1198/15, EFG 2018, 1130), das die Gestellung einer (vom Kläger des Verfahrens tatsächlich gar nicht genutzten) Gemeinschaftsunterkunft für Soldaten der Bundeswehr betraf. Das FG stufte die Unterkunftsgestellung als lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil ein, da der Kläger hierdurch eigene Aufwendungen für eine eigene Unterkunft am Dienstort erspart hatte. Die allgemeine Vorteilhaftigkeit der Unterkunftsgewährung für die Bundeswehr, die darin bestand, dass die Soldaten jederzeit in der Kaserne und damit jederzeit einsatzbereit waren, erachtete das FG als für die Annahme eines ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers nicht ausreichend.
90Darauf, dass eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Unterkunftsgewährung gegenüber den ausländischen Saisonarbeitskräften bestand, kann sich der Kläger zudem für die Streitjahre (2012 bis 2014) selbst nach eigenem Vortrag nicht mehr berufen. Die einmal errichteten Container nach Wegfall der entsprechenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung weiterhin als Unterkünfte für die Saisonarbeitskräfte zu nutzen, mag betriebswirtschaftlich und auch baurechtlich sinnvoll gewesen sein. Ein betriebsfunktionaler Zwang hierzu, der das Interesse der Arbeitnehmer an der Unterkunftsgewährung völlig in den Hintergrund treten lassen würde, bestand nach der aufgrund einer Gesamtwürdigung der Sachverhaltsumstände gewonnenen Auffassung des Gerichts jedoch nicht.
91Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, er bestreite nicht mehr, dass die Überlassung der Unterkünfte an die ausländischen Saisonarbeitskräfte dem Grunde nach zum Zufluss eines geldwerten Vorteils in Form eines Sachbezugs führen könne, sieht der Senat von weiteren Ausführungen hierzu ab.
92b) Im Streitfall ist ein mit der Unterkunftsgewährung verbundener geldwerter Vorteil der Saisonarbeitskräfte jedoch tatsächlich nicht feststellbar, da der Wert des in der Unterkunft bestehenden Sachbezugs den hierfür seitens des Klägers von den Arbeitnehmern einbehaltenen Betrag von 1,55 € pro Tag nicht überschreitet.
93aa) Wie der Beklagte in der Einspruchsentscheidung selbst ausgeführt hat, hängt die Beantwortung der Frage, ob ein weiterer geldwerter Vorteil für die Saisonarbeitskräfte entstanden ist, entscheidend davon ab, ob nach der gemäß § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG zur Bewertung des Sachbezugs heranzuziehenden SvEV insoweit ein höherer Wert als der vom Kläger für die Unterkunftsgewährung einbehaltene Betrag i.H.v. 1,55 € pro Tag zugrunde zu legen ist.
94Zu Recht hat der Beklagte in der Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Bewertung zwischen einer als Sachbezug zur Verfügung gestellten „Unterkunft“ gemäß § 2 Abs. 3 SvEV und einer als Sachbezug zur Verfügung gestellten „Wohnung“ nach § 2 Abs. 4 SvEV differenziert. Unterkunft i.S.d. § 2 Abs. 3 SvEV sind alle dem Arbeitnehmer überlassenen Räumlichkeiten, die nicht den Begriff der Wohnung i.S.d. § 2 Abs. 4 SvEV erfüllen (vgl. Kister in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 8 Rn. 129). Eine Wohnung i.S.d. § 2 Abs. 4 SvEV ist nach dem auch für das Einkommensteuerrecht maßgebenden bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff eine in sich geschlossene Einheit von Räumen, in denen (im Gegensatz zur Unterkunft) ein selbständiger Haushalt geführt werden kann. Dabei wird entscheidend auf das Vorhandensein einer Wasserver- und -entsorgung, einer Kochgelegenheit, die einer Küche vergleichbar ist, sowie einer Toilette abgestellt (vgl. BFH-Urteil vom 05.10.1984 – III R 192/83, BStBl II 1985, 151). Nach diesen, auch von der Finanzverwaltung anerkannten Grundsätzen handelt es sich bei den im Streitfall vom Kläger zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten um eine Unterkunft und nicht um eine Wohnung, da lediglich ein einziger Wohnraum bei Mitbenutzung von Bad, Toilette und Küche vorhanden war. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
95Für die Bewertung einer als Sachbezug zur Verfügung gestellten Unterkunft gelten grundsätzlich die Werte nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SvEV in der in den Streitjahren jeweils geltenden Fassung. Danach beträgt der Wert einer Unterkunft monatlich 212 € für 2012, 216 € für 2013 und 221 € für 2014. Bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft mit gemeinschaftlichen Waschräumen oder Küchen vermindert sich dieser Wert gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SvEV um 15 %. Ferner ist bei der Belegung der Unterkunft mit mehreren Beschäftigten nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SvEV ein weiterer Abschlag vorzunehmen. Bei Belegung mit zwei Beschäftigten beträgt dieser 40 %, bei Belegung mit drei Beschäftigten 50 %. Werden mehrere Abschlagstatbestände des § 2 Abs. 3 Satz 2 SvEV erfüllt, so sind die Prozentsätze zu addieren (vgl. Ettlich in: Blümich, EStG, § 8 Rn. 146 unter Hinweis auf BR-Drs. 968/94, 11). Hieraus ergeben sich im vorliegenden Fall nach § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 SvEV Sachbezugswerte i.H.v. (212 € abzgl. 65 % / 30 Tage=) 2,47 € pro Tag für 2012, (216 € abzgl. 65 % / 30 Tage=) 2,52 € pro Tag für 2013, (221 € abzgl. 65 % / 30 Tage=) 2,58 € pro Tag für den Zeitraum 01.01.2014 bis 30.09.2014 und (221 € abzgl. 55 % / 30 Tage=) 3,32 € pro Tag für den Zeitraum 01.10.2014 bis 31.12.2014. Diese Werte wurden auch vom Beklagten zugrunde gelegt.
96Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 SvEV kann die Unterkunft jedoch auch mit dem ortsüblichen Mietpreis bewertet werden, wenn der Wertansatz nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SvEV im Einzelfall unbillig ist. § 2 Abs. 4 Satz 2 SvEV gilt in diesem Fall entsprechend. Ist im Einzelfall die Feststellung des ortsüblichen Mietpreises mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden, können nach § 2 Abs. 4 Satz 2 SvEV in der in den Streitjahren jeweils geltenden Fassung die folgenden Werte angesetzt werden:
97bei normaler Ausstattung |
bei einfacher Ausstattung (ohne Sammelheizung oder Bad / Dusche) |
|
2012 |
3,70 € / m² |
3,00 € / m² |
2013 |
3,80 € / m² |
3,10 € / m² |
2014 |
3,88 € / m² |
3,17 € / m² |
bb) Vorliegend ist der Wert der vom Kläger überlassenen Unterkünfte danach mit den sich aus § 2 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SvEV in der jeweils geltenden Fassung für eine Unterkunft mit einfacher Ausstattung ergebenden Werten zu bestimmen. Denn gemessen an den Umständen des Streitfalls erschiene es nach Überzeugung des Senats unbillig, den Sachbezugswert der Unterkunftsgewährung mit den sich aus § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 SvEV ergebenden, vom Beklagten zugrunde gelegten Werten von 2,47 € (2012), 2,52 € (2013) und 2,58 € bzw. 3,32 € (2014) pro Tag anzusetzen.
99Nach der unwidersprochenen und aus Sicht des Senats nachvollziehbaren Darstellung des Klägers in der mündlichen Verhandlung stand den ausländischen Saisonarbeitskräften bis einschließlich September 2014 bei Einbeziehung der gemeinschaftlich genutzten Räume (Aufenthaltsraum, Küche usw.) eine Wohnfläche zwischen 8 m² (bei Dreierbelegung) und 10,5 m² (bei Zweierbelegung) pro Person zur Verfügung. Hiervon ausgehend ergäbe sich aus dem Ansatz eines Sachbezugswertes von 2,47 € pro Tag und Person für das Jahr 2012 ein Quadratmeterpreis zwischen 7,06 € und 9,26 € monatlich. Für die Jahre 2013 und 2014 würden sich monatliche Quadratmeterpreise bei Ansatz der Sachbezugswerte gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 SvEV zwischen 7,20 € und 9,45 € (2013) sowie 7,37 € und 9,68 € (01.01.-30.09.2014) ergeben.
100Ab Oktober 2014 erfolgte die Unterbringung in einer neu errichteten Halle mit einer Belegung von nur noch zwei Personen pro Zimmer und jeweils eigener Dusche / eigenem WC. Ausgehend von den in den Prüferhandakten abgehefteten Fotos schätzt der Senat die jedem Arbeitnehmer in diesen neuen Unterkünften zur Verfügung stehende Fläche auf ca. 11 m² (8 m² Wohnraum zzgl. 3 m² Gemeinschaftsräume). Hiervon ausgehend ergäbe sich bei Ansatz des Sachbezugswerts gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 SvEV (3,32 € pro Tag) ein Quadratmeterpreis von 9,05 € monatlich.
101Aus Sicht des Gerichts erscheinen derartige Quadratmeterpreise jedoch – selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie sich inkl. Nebenkosten verstehen – unangemessen hoch. Zum Vergleich sind die sich aus dem Mietspiegel der Stadt C ergebenden durchschnittlichen Mietpreise für den vorliegenden Streitzeitraum heranzuziehen. Danach lag die ortsübliche Kaltmiete für eine 30 m² große Mietwohnung im Stadtgebiet C in den Jahren 2012 bis 2014 zwischen 8,47 € und 10,43 € pro Quadratmeter. Ausweislich des von wohnungsboerse.net im November 2019 aktualisierten Mietspiegels der Stadt C sank der Mietpreis im Jahr 2015 wieder auf 9,04 €. Gemessen daran erschiene es unbillig, den Wert einer im Außenbereich gelegenen einfachen Gemeinschaftsunterkunft in Wohncontainern bzw. einer Halle ohne eigene Küche und eigenes Bad mit rd. 7 € bis 10 € pro Quadratmeter anzusetzen, da eine solche Unterkunft – wohl unstreitig – als deutlich geringwertiger einzustufen ist als eine Neubauwohnung im Stadtgebiet.
102Mithin ist vorliegend der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SvEV eröffnet. Dies hat der Beklagte nicht beachtet, indem er in der Einspruchsentscheidung keine Gründe für den Ansatz eines „Ersatzwertes“ gesehen und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, es bestehe für ihn aufgrund der Bindung an die SvEV kein Spielraum für den Ansatz eines gegenüber den bisher von ihm angesetzten, sich nach § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 SvEV ergebenden Sachbezugswerten niedrigeren Wertes.
103Da die Ermittlung des ortsüblichen Mietpreises für eine im Außenbereich gelegene Gemeinschaftsunterkunft für Saisonarbeitskräfte mangels eines vorhandenen Mietmarkts für derartige Unterkünfte mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden ist, sind ersatzweise die Werte, die sich aus der Billigkeitsregelung in § 2 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SvEV bei einfacher Ausstattung ergeben (3,00 € / m ² für 2012, 3,10 € / m² für 2013 und 3,17 € / m² für 2014), heranzuziehen.
104Bei Zugrundelegung dieser Werte lässt sich im Ergebnis kein den Arbeitnehmern durch die Unterkunftsgestellung zugeflossener, über die vom Kläger einbehaltenen 1,55 € pro Tag hinausgehender geldwerter Vorteil feststellen. Wird vom Arbeitnehmer für die Sachbezüge tatsächlich etwas bezahlt, so ist dem Arbeitsentgelt nach § 2 Abs. 5 SvEV nur die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Preis und dem Sachbezugswert hinzuzurechnen. Je nach Belegung der Unterkunft mit zwei oder Personen entspricht der Einbehalt von 1,55 € pro Tag und Person einer Mietzahlung i.H.v. 4,43 € bis 5,81 € monatlich pro Quadratmeter. Die vom Kläger gegenüber den Arbeitnehmern für die Unterkunft berechnete Miete lag im gesamten Streitzeitraum somit über dem sich aus § 2 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SvEV jeweils ergebenden amtlichen Sachbezugswert. Letztlich hat der Kläger den ausländischen Saisonarbeitskräften daher keinen geldwerten Vorteil durch eine verbilligte Unterkunftsgewährung zugewandt, da die Unterkunft den Arbeitnehmern zu einem Mietpreis überlassen wurde, der die nach der SvEV hierfür anzusetzenden Werte sogar überschritt.
105III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative FGO.
106IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.