Finanzgericht Köln, 12 V 827/18
Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller war von 1997 bis zum 30.06.2001 (alleiniger) Geschäftsführer der E1 (E1) in Griechenland, einer 100%-igen Tochtergesellschaft der E in L. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30.09.2001 beendet. Im Jahr 2002 führten die griechischen Finanzbehörden bei der E1 für die Jahre 1993 bis 2000 eine steuerliche Betriebsprüfung durch, die zu Steuernachforderungen in Höhe von rund … € führte. Die E1 wurde daraufhin in die „E2“ umfirmiert und ging in Insolvenz.
4Mit Schreiben vom 28.01.2013 erhielt der Antragsteller eine Zahlungsaufforderung durch das Finanzamt ..., wonach er der sog. „Operational Recovery Unit“ in Athen einen Betrag in Höhe von insgesamt … € schulde. Der Betrag setzte sich zusammen aus Umsatzsteuerschulden für den Zeitraum 01.01.2000 bis 31.12.2000 i.H.v. …€ sowie hierauf angefallene Zinsen i.H.v. … €. Als Rechtsgrundlage war auf die EU-Beitreibungsrichtlinie verwiesen. Dem Schreiben beigefügt war ein einheitlicher Vollstreckungstitel vom 25.01.2013. Darin war als Datum der Festsetzung der Forderung der 14.05.2008 und als Datum, ab dem die Vollstreckung möglich sei, der 01.07.2008 angegeben. Als Datum der Zustellung des ursprünglichen Vollstreckungstitels war der 16.05.2008 aufgeführt. Ferner war festgehalten, dass der Antragsteller als „Mitschuldner“ in Anspruch genommen werde. Er sei Geschäftsführer der Hauptschuldnerin gewesen.
5Nach dem Vorbringen des Antragstellers will dieser erstmals durch den einheitlichen Vollstreckungstitel von der vermeintlichen Haftungsschuld Kenntnis erlangt haben. Ihm soll von den griechischen Finanzbehörden weder der entsprechende Umsatzsteuerbescheid gegenüber der E1 für das Jahr 2000 noch ein entsprechender Haftungsbescheid bekannt gegeben worden sein. Dementsprechend beantragte er beim Finanzamt ... die Einstellung der Beitreibungsmaßnahmen sowie die Ablehnung der Amtshilfe nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 des EU-Beitreibungsgesetzes (EUBeitrG) wegen Verjährung bzw. wegen Unbilligkeit nach § 14 Abs. 1 EUBeitrG. Das Finanzamt ... leitete die Eingabe des Antragstellers daraufhin an die zuständigen griechischen Finanzbehörden weiter und stellte das Verfahren mit Schreiben vom 05.03.2013 bis zur Rückantwort der griechischen Behörden ruhend. Mit Schreiben vom 11.05.2016 kündigte das Finanzamt ... sodann an, das Vollstreckungsverfahren wieder aufzunehmen. Daraufhin nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 20.06.2016 gegenüber dem Finanzamt ... noch einmal ausführlich Stellung, worauf das Finanzamt ... das Beitreibungsverfahren zunächst weiterhin ruhend stellte. In der Folge teilte das Finanzamt ... dem Antragsteller mit Schreiben vom 24.01.2017 mit, es habe von den griechischen Finanzbehörden die Antwort erhalten, dass er für den Umsatzsteuerbescheid gegen die E1 betreffend den Zeitraum 01.01.2000 bis 31.12.2000 nach den griechischen Rechtsvorschriften gesamtschuldnerisch hafte und der entsprechende Umsatzsteuerbescheid am 23.04.2003 der E1 über den Angestellten D zugestellt worden sei. Dementsprechend hätte ihn das Unternehmen unterrichten müssen. Im Übrigen habe der Antragsteller Herrn D seit dem 08.04.2002 zu seinem Steuervertreter bestellt. Die Bekanntgabe der drohenden strafrechtlichen Verfolgung sei ihm am 27.10.2003 an die Anschrift „...“ gesandt worden. Rechtsmittel gegen den Vollstreckungstitel oder andere Beitreibungsmaßnahmen habe er bei den griechischen Behörden nicht eingelegt. Da sich der Antragsteller mit der Antwort des Finanzamts ... nicht zufrieden gab, stellte das Finanzamt ... mit Schreiben vom 07.03.2017 das Beitreibungsverfahren erneut ruhend.
6In der Folge verzog der Antragsteller nach F, woraufhin der Antragsgegner (das Finanzamt F) das Beitreibungsverfahren mit Schreiben vom 20.03.2018 wieder aufnahm. Der Antragsgegner begründete die Wiederaufnahme des Verfahrens allein mit der Antwort der griechischen Behörden, dass derzeit kein Rechtsbehelfsverfahren in Griechenland anhängig sei. Zugleich kündigte er die unverzügliche Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen an. Den Einspruch des Antragstellers gegen die Zahlungsaufforderung des Finanzamts ... vom 28.01.2013 verwarf der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2018 als unzulässig. Mit Schreiben vom 23.03.2018 beantragte der Antragsteller noch einmal ausdrücklich, das Beitreibungsersuchen gemäß § 14 Abs. 2 bzw. Abs. 1 EUBeitrG abzulehnen, hilfsweise die Vollstreckung gemäß § 258 der Abgabenordnung (AO) einstweilen einzustellen. Auf den Hinweis des Antragsgegners mit Schreiben vom 28.03.2008, dass Einwendungen gegen den vollstreckbaren Titel nach der Rechtslage des ersuchenden Staates zu beurteilen und dort, mithin in Griechenland, vorzubringen seien, machte der Antragsteller nochmals mit Schreiben vom 05.04.2018 geltend, dass der Antragsgegner als ersuchte Behörde eine mögliche Verjährung im Sinne des § 14 Abs. 2 EUBeitrG zu prüfen habe. Im Übrigen habe der Antragsgegner auf der Grundlage der kürzlich ergangenen BFH-Entscheidung vom 28.11.2017 VII R 30/15 im jetzigen Verfahrensstadium zu prüfen, ob eine Beitreibung unbillig sei oder ein Verstoß gegen den „ordre public“-Grundsatz vorliege. Noch am 05.04.2018 erließ der Antragsgegner eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung betreffend die Konten, Depots und Schließfächer des Antragstellers bei der A AG Filiale F.
7Angesichts der erfolgten Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 05.04.2018 sowie dem Umstand, dass mit weiteren Vollstreckungsmaßnahmen zu rechnen sei, hat der Antragsteller mit Schreiben vom 12.04.2018 den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Den Anordnungsanspruch begründet der Antragsteller damit, dass vorliegend ein Beitreibungshindernis vorliege. Das Beitreibungsersuchen der griechischen Finanzbehörden verstoße gegen das Verbot des § 14 Abs. 2EUBeitrG, es sei ferner unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 EUBeitrG und verstoße schließlich gegen den „ordre public“-Grundsatz. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG dürfe die ersuchte Amtshilfe nicht geleistet werden, wenn sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen beziehe, die älter als 5 Jahre seien (relative Verjährung). Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EUBeitrG gelte das gleiche, wenn die Forderungen älter als 10 Jahre seien (absolute Verjährung). Maßgeblich sei jeweils der Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung, für deren Vollstreckung Amtshilfe ersucht werde. Vorliegend gehe es um eine vermeintliche Haftungsschuld aus seiner damaligen Funktion als Geschäftsführer für Umsatzsteuerschulden der E1 betreffend den Zeitraum 01.01.2000 bis 31.12.2000 nebst Zinsen. Hierfür solle er, der Antragsteller, neben der E1 als Mitschuldner gesamtschuldnerisch haften. Mithin gehe es um Steuerforderungen, die bereits im Jahr 2003 festgesetzt und fällig geworden seien. Aus welchen Gründen in dem einheitlichen Vollstreckungstitel als Tag der Festsetzung der Forderungen der 14.05.2008 genannt sei, sei nicht nachvollziehbar. Tatsächlich sei seines Wissens am 14.05.2008 ein eigenständiger griechischer Veranlagungsbescheid einem Herrn G, dem letzten Vorsitzenden der E1, bekannt gegeben worden. Das Vollstreckungsersuchen vom 25.01.2013 beziehe sich damit auf Forderungen, die zu diesem Zeitpunkt bereits älter als 5 Jahre gewesen seien. Zudem handele es sich um Forderungen, die inzwischen auch älter als 10 Jahre seien. Es liege damit ein absolutes Beitreibungshindernis vor.
8Darüber hinaus sei das Beitreibungsersuchen unbillig im Sinne von § 14 Abs. 1EUBeitrG bzw. verstoße gegen die öffentliche Ordnung (ordre public). Vorliegend hätten die griechischen Steuerbehörden ihm, dem Antragsteller, gegenüber keinen Haftungsbescheid erlassen, wie er nach den deutschen Regelungen zwingend erforderlich sei. Von der Haftungsinanspruchnahme habe er erstmals durch das Schreiben des Finanzamts ... vom 28.01.2013 Kenntnis erlangt. Auch der entsprechende Umsatzsteuerbescheid der E1 für das Jahr 2000 sei nicht ihm, sondern der E1 bekannt gegeben worden. Über die Herren D und G sei ihm lediglich zugetragen worden, dass es einen solchen Umsatzsteuerbescheid gegen die E1 gebe. Keinerlei Kenntnis habe er jedoch davon gehabt, dass er persönlich für die Umsatzsteuerschulden der E1 haften solle, zumal er bereits im Jahr 2001 als Geschäftsführer ausgeschieden sei und nicht mehr in Griechenland gewohnt habe. Er habe damit keine Möglichkeit gehabt, Rechtsmittel gegen die Umsatzsteuerfestsetzung betreffend die E1 einzulegen. Bislang sei ihm die Wahrnehmung seiner Rechte in Griechenland faktisch verwehrt gewesen. Es komme hinzu, dass die in dem einheitlichen Vollstreckungstitel genannte „Operational Recovery Unit“ tatsächlich nicht existiere. Es stelle sich die Frage, gegen welche Behörde er sich habe werden sollen. Die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen in Deutschland beinhalte damit einen offensichtlichen und erheblichen Verstoß gegen den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Zudem habe er zu seinen Einwendungen gegen das Vollstreckungsersuchen bis heute von den deutschen Finanzbehörden keine zufriedenstellende Antwort erhalten.
9Auch sei der erforderliche Anordnungsgrund gegeben. Ein Anordnungsgrund bestehe dann, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen unmittelbar bedroht sei. Dies sei vorliegend der Fall. Die Höhe der zu vollstreckenden Forderung übersteige deutlich sein Vermögen, das sich zur Zeit auf … € belaufe. Im Falle der Beitreibung der Gesamtforderung drohe ihm damit unweigerlich die Privatinsolvenz. Sein Vermögen setze sich zusammen aus einer Eigentumswohnung in F, Bankguthaben, Bargeld sowie einem Einkommensteuererstattungsanspruch gegen das Finanzamt. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Antragsteller insoweit auf die beigefügte Versicherung an Eides statt vom 05.04.2018 (Anlage 24 der Antragsschrift). In der Versicherung an Eides statt ist unter anderem erklärt, dass der Antragsteller Eigentümer eines Wohnhauses mit 5 kleineren Wohnungen in L war, das er Ende Juni 2017 zum Preis von … € abzüglich Maklerprovision von… € verkauft habe. Seitdem bewohne er eine Eigentumswohnung in F, die er im Juli 2017 zum Preis von … € gekauft habe. Es komme hinzu, dass es sich bei dem erklärten Vermögen von … € um seine komplette Altersvorsorge handele. Rentenanwartschaften stünden ihm nicht zu. Im Falle der Beitreibung würde ihm mithin seine komplette Altersvorsorge entzogen werden. Auch könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsgegner im Falle der erfolgreichen Beitreibung der Umsatzsteuerforderungen verpflichtet wäre, den beigetriebenen Betrag an die griechischen Steuerbehörden weiterzuleiten. Erweise sich in der Folge das Vollstreckungsersuchen als fehlerhaft, sei damit nicht sichergestellt, ob ihm der beigetriebene Betrag wieder erstattet werde.
10Der Antragsteller beantragt,
11den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der A vom 05.04.2018 aufzuheben, die Vollstreckung im Übrigen einzustellen sowie einstweilen von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen.
12Der Antragsgegner beantragt,
13den Antrag zurückzuweisen.
14Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung seien nicht gegeben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor: Entgegen der Auffassung des Antragstellers verstoße das Vollstreckungsersuchen vorliegend nicht gegen § 14 EUBeitrG. Das ursprüngliche Beitreibungsersuchen datiere vom 14.12.2012 und sei vom Bundeszentralamt für Steuern entsprechend § 3 EUBeitrG auf seine formalen Voraussetzungen hin überprüft worden. Es sei – auch im Hinblick auf die Verjährung – nicht beanstandet worden. Soweit der Antragsteller sich gegen die Rechtmäßigkeit der dem Vollstreckungsersuchen zu Grunde liegenden Forderungen wende, sei er hiermit vorliegend ausgeschlossen. Entsprechende Einwendungen müssten bei der zuständigen Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats, mithin in Griechenland, vorgebracht werden (§ 14 Abs. 1 EU-Beitreibungsrichtlinie). Es hätte daher dem Antragsteller oblegen, mit den in Griechenland vorhandenen Rechtsmitteln eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen. Nach der eingeholten Auskunft lägen den griechischen Behörden jedoch keine Verfahren des Antragstellers gegen die dem Beitreibungsersuchen zugrundeliegenden Forderungen vor. Dem Antragsgegner sei es mithin verwehrt, die Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit der dem Beitreibungsersuchen zugrundeliegenden Forderungen infrage zu stellen. Auch der Hinweis auf den „ordre public“ gehe fehl. Denn eine Prüfung nach dem „ordre public“ würde zum jetzigen Verfahrenszeitpunkt eine Faktenlage schaffen, die geeignet wäre, die souveräne Entscheidung eines demokratischen Staates (Griechenland) zu unterlaufen, bevor dieser sich mit der strittigen Rechtsfrage umfassend auseinandergesetzt habe. Vollstreckungshindernisse im Sinne des § 257 AO lägen demnach nicht vor. Das Vollstreckungsersuchen sei auch nicht im Hinblick auf die angebliche Existenzvernichtung des Antragstellers unbillig. Um eine Existenzvernichtung zu vermeiden, sehe das inländische Recht diverse Schutzinstrumentarien vor, zu denen insbesondere die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff der Zivilprozessordnung (ZPO) zählten. Allein diese Schutzvorschriften begrenzten den Umfang und die Wirkung des Zwangsvollstreckungsverfahrens, und zwar unabhängig von der Höhe der Forderungssumme. Würde man der Begründung des Antragstellers folgen, wonach aufgrund der Höhe der Forderung eine existenzbedrohende Situation gegeben sei, würde der in Art. 3 des Grundgesetzes (GG) zum Ausdruck gebrachte Gleichheitsgrundsatz verletzt werden. Auch stellten die steuerlichen Forderungen der Mitgliedstaaten keine Forderungen minderen Rechts dar. Ebenso wenig sei das Zwangsvollstreckungsverfahren unbillig im Sinne von § 258 AO. Dies sei nur der Fall, wenn eindeutig erkennbar sei, dass innerhalb von 6 bis max. 12 Monaten ab Fälligkeit eine Vollzahlung erfolge. Hiervon könne jedoch bereits nach den Ausführungen des Antragstellers nicht ausgegangen werden. Entgegen den Ausführungen des Antragstellers seien auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 EUBeitrG gewahrt. Ausweislich des einheitlichen Vollstreckungstitels sei die Forderung mit Bescheid vom 14.05.2008 festgesetzt und am 01.07.2008 fällig gestellt worden. Zweifel hieran müssten vom Antragsteller bei der zuständigen Stelle in Griechenland, der „Operational Recovery Unit“, vorgebracht werden. Die zuständige Stelle sei in dem einheitlichen Vollstreckungstitel sowohl mit postalischer Anschrift als auch mit der E-Mail-Adresse ausgewiesen. Bedenken gegen die Wahrung der relativen Verjährungsfrist von 5 Jahren bzw. der absoluten Verjährungsfrist von 10 Jahren bestünden mithin nicht.
15II.
16Der Antrag ist unbegründet.
17Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig darlegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO; BFH-Beschluss vom 22.12.2006 VII B 121/06, BStBl II 2009, 839).
18Hiervon ausgehend ist vorliegend bei summarischer Prüfung weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben.
191. Der Antragsteller hat den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet, weder schlüssig dargelegt noch dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht. Gründe für eine Einstellung der Vollstreckung nach § 257 AO bzw. einen Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO sind nicht dargetan; denn dem Vollstreckungsersuchen stehen bei summarischer Prüfung keine Ablehnungsgründe nach Maßgabe des EUBeitrG entgegen.
20a) Das gilt zum einen für den Ablehnungsgrund der Verjährung der Amtshilfe. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG wird Amtshilfe nicht geleistet, wenn sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Forderungen bezieht, die älter als 5 Jahre waren. Waren die Forderungen insgesamt älter als 10 Jahre, so scheidet eine Amtshilfe nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EUBeitrG gänzlich aus. Vorliegend sind keine Umstände dafür ersichtlich, dass die begehrte Amtshilfe gegen die 5-jährige Verjährungsfrist verstoßen könnte. Denn in dem einheitlichen Vollstreckungstitel ist als Datum der Fälligkeit der streitigen Forderungen der 01.07.2008 genannt. Unter diesen Umständen wahrte das Vollstreckungsersuchen vom 25.01.2013 die relative Verjährungsfrist von 5 Jahren. Dem kann der Antragsteller nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber der E1 sei bereits im Jahr 2003 erfolgt. Dementsprechend habe auch die Fälligkeit bereits im Jahr 2003 vorgelegen. Denn die vom Finanzamt ... bei den griechischen Behörden eingeholte Auskunft hat ergeben, dass sowohl gegen die Bekanntgabe des Umsatzsteuerbescheides für 2000 gegenüber der E1 als auch gegen die Haftungsinanspruchnahme des Antragstellers als früheren Geschäftsführer der E1 keine Einwände bestehen. Bei summarischer Prüfung erscheint die Stellungnahme der griechischen Behörden schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Dass das aufgeführte Fälligkeitsdatum in 2008 tatsächlich – wie vom Antragsteller vorgetragen – einen anderen Geschäftsführer der E1 betrifft, erscheint wenig wahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen. Angesichts des Umstandes, dass die Betriebsprüfung zu einer Steuernachforderung von rund 35 Mio. € geführt hat, spricht im Gegenteil viel dafür, dass die E1 gegen die entsprechenden Bescheide zunächst Rechtsmittel eingelegt hat und die Forderung nach Beendigung der Rechtsmittelverfahren in 2008 endgültig fällig geworden sind. Unter diesen Umständen war bei Erlass der streitigen Pfändungs- und Einziehungsverfügung auch die 10-jährige Verjährungsfrist gewahrt. Maßgebend ist insoweit der Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EUBeitrG).
21b) Zum anderen steht dem Vollstreckungsersuchen bei summarischer Prüfung auch nicht der Ablehnungsgrund der Unbilligkeit gemäß § 14 Abs. 1 EUBeitrG bzw. der “ordre public“-Grundsatz entgegen. Nach § 14 Abs. 1 EUBeitrG wird die für Beitreibungsersuchen vorgesehene Amtshilfe nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unbillig erscheint. Diese Bestimmung kann man als eine Ausformung eines allgemeinen Grundsatzes des deutschen Vollstreckungsrechts ansehen, dass auch im Rahmen der Vollstreckung die Billigkeit zu prüfen ist. So regelt § 258 AO ausdrücklich, dass die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Steuerforderungen einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben kann, soweit sie im Einzelfall unbillig ist. Man kann darin möglicherweise auch die Anwendung eines allgemeinen „ordre public“-Grundsatzes des Vollstreckungsstaats sehen (ablehnend FG Köln, Urteil vom 30.09.2000 14 K 2097/13, EFG 2016, 494; offenbar zustimmend, jedoch ohne Begründung BFH-Urteil vom 28.01.2017 VII R 30/15, BFH/NV 2018, 805). Ob ein Verstoß gegen den „ordre public“ des Vollstreckungsstaats nach der Neuregelung der Amtshilfe durch das EUBeitrG durch die Gerichte dieses Staates weiterhin geprüft werden kann, braucht der erkennende Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Selbst wenn dem so wäre, ist für einen Verstoß gegen „ordre public“ nichts ersichtlich. Denn der Vorwurf, die Haftungsinanspruchnahme erfolge vorliegend ohne ein ordnungsgemäßes Haftungsverfahren kann einen Verstoß gegen „ordre public“ nicht begründen. Allein der Umstand, dass nach griechischem Recht die Haftungsinanspruchnahme offensichtlich keine gesonderte Festsetzung der Haftungsschuld durch einen Haftungsbescheid, wie er in § 191 AO vorgesehen ist, voraussetzt, macht die Haftungsinanspruchnahme nicht schrankenlos. Ebenso wie nach deutschem Recht setzt die Haftungsinanspruchnahme nach griechischem Recht die Festsetzung der Steuerschuld gegen den Hauptschuldner voraus. Auch sind die Voraussetzungen einer Haftungsinanspruchnahme offensichtlich im Einzelnen gesetzlich geregelt. In dem einheitlichen Vollstreckungsbescheid wird der Antragsteller als Mitschuldner in Anspruch genommen, weil er vom 22.11.1999 bis 01.10.2001 Geschäftsführer des Hauptschuldners war. Der Haftungsschuldner muss daher auch nach griechischem Recht zu einem bestimmten Zeitraum Vertreter des Hauptschuldners gewesen sein. Zudem geht aus der Stellungnahme der griechischen Behörden hervor, dass vor der Vollstreckung noch die „Bekanntgabe der drohenden strafrechtlichen Verfolgung“ zwischengeschaltet war und damit den Antragsteller die Vollstreckung nicht unvorbereitet trifft. Im Normalfall ist der Geschäftsführer auf die Haftungsinanspruchnahme vorbereitet und kann entsprechende Rechtsmittel vor Ort einlegen. Warum der Antragsteller dies in all den Jahren letztlich nicht getan hat, vermag der Senat ohnehin nicht nachzuvollziehen. Angesichts der Höhe der zu vollstreckenden Forderung von mehr als … € hätte die Inanspruchnahme aller Rechtsschutzmöglichkeiten vor den griechischen Behörden nahegelegen. Stattdessen hat sich der Antragsteller bislang auf Einwendungen gegen das Vollstreckungsersuchen als solchem beschränkt. Der Einwand, die in dem einheitlichen Vollstreckungstitel aufgeführte Behörde „Operational Recovery Unit“ existiere tatsächlich nicht, kann insoweit nur als Schutzbehauptung angesehen werden. Dass der einheitliche Vollstreckungstitel teilweise griechische Begriffe enthält, ist darauf zurückzuführen, dass system- und rechtsbedingt die griechischen Forderungen mit der rechtsgültigen Bezeichnung auszuweisen waren.
22Ebenso wenig sind sonstige Gründe für einen Vollstreckungsaufschub im Sinne des§ 258 AO ersichtlich. Unbilligkeit im Sinne des § 258 AO ist nur anzunehmen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Abwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte (BFH-Beschluss vom 18.11.2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199). Vorliegend bestehen jedoch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Antragsteller sei in absehbarer Zeit in der Lage, die Steuerforderungen zu begleichen. Im Gegenteil trägt der Antragsteller selbst vor, die Steuerrückstände würden sein gesamtes Vermögen bei weitem überschreiten.
232. Im Streitfall ist auch ein Anordnungsgrund weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
24Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine einstweilige Regelung in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das ist der Fall, wenn ohne vorläufige Regelung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Antragstellers bedroht wäre (BFH-Beschluss vom 23.09.1998 IB 82/98, BStBl II 2000, 320). Geringere Beeinträchtigungen des Antragstellers reichen grundsätzlich nicht aus. Bloße Nachteile, wie sie im Regelfall mit der Zahlung von Steuern verbunden sind, machen damit den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht unabweisbar (BFH-Beschluss vom 10.08.1993 VII B 2 62/92, BFH/NV 1994, 719). Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat der Antragsteller vorliegend weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass er ausschließlich über ein Vermögen i.H.v. … € verfügt und dementsprechend bei voller Beitreibung der Forderungen sein komplettes Vermögen, das auch seine komplette Altersvorsorge darstellen soll, verliert und ihm darüber hinaus, die Insolvenz droht.
25Bei summarischer Prüfung bestehen vorliegend Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der vom Antragsteller erklärten Vermögensverhältnisse. Der Antragsteller hat im Juni 2017 sein Mehrfamilienhaus in L veräußert. Bei der Veräußerung einer Immobilie im Rahmen einer drohenden Vollstreckung ist es nicht auszuschließen, dass der Vollstreckungsschuldner Vermögenswerte zur Seite bringen will. Unter diesen Umständen wäre es geboten gewesen, im Einzelnen darzulegen, wie der Kaufpreis verwendet worden ist, ob hiermit z. B. auf dem Grundbesitz lastende Verbindlichkeiten beglichen worden sind. Das hat der Antragsteller jedoch nicht getan. Angesichts einer fehlenden detaillierten Schilderung der Mittelverwendung bleibt damit offen, ob der erzielte Kaufpreis Eingang in das vom Antragsteller erklärte Barguthaben (Bankguthaben und Bargeld) gefunden hat. Das erklärte Barguthaben im Gesamtwert von … € liegt jedenfalls unterhalb des erzielten Kaufpreises von … €. Unterstellt man andererseits, das erklärte Barguthaben resultiere allein aus der Veräußerung des Mehrfamilienhauses, so würde dies bedeuten, dass der Antragsteller zuvor über kein nennenswertes Barguthaben verfügt haben kann. Das erscheint jedoch wenig wahrscheinlich, da der Antragsteller während seines Berufslebens in hervorgehobenen Positionen tätig gewesen ist und dementsprechend über gute Einkünfte verfügt haben dürfte, von denen er Rücklagen hat bilden können. Es kommt hinzu, dass der Antragsteller eine Eigentumswohnung in F zum Kaufpreis von … € erworben haben will. Ob der tatsächliche Verkehrswert dem Kaufpreis entspricht, erscheint angesichts der derzeitigen Situation auf dem Immobilienmarkt zumindest zweifelhaft. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um eine kleine Eigentumswohnung handeln sollte. Im Übrigen kann der Umstand, dass die Verbindlichkeiten gegenüber den griechischen Finanzbehörden höher sind als das vorhandene Vermögen – worauf der Antragsgegner zutreffend hinweist – nicht dazu führen, gänzlich auf eine Vollstreckung zu verzichten. Das gilt umso mehr, als – wie im Streitfall - erhebliches Vermögen vorhanden ist. Dass das Vermögen des Vollstreckungsschuldners durch die Vollstreckung aufgebraucht wird, muss als mögliche Konsequenz der Vollstreckung hingenommen werden. Schutz bieten insoweit – worauf der Antragsgegner zutreffend hinweist – die einschlägigen Pfändungsschutzvorschriften der ZPO.
263. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.