Finanzgericht Köln, 12 V 1354/18
Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
1
Gründe:
2I.
3Mit Beschluss vom 24.05.2018 hat der Senat im Verfahren 12 V 827/18 den Antrag des Antragstellers, im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners aufzuheben sowie die auf einem Beitreibungsersuchen gemäß EU-Beitreibungsgesetz (EUBeitrG) durch den griechischen Staat basierenden Vollstreckungsmaßnahmen im Übrigen einzustellen, abgelehnt. Der Senat hat insoweit ausgeführt, dass weder das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs noch eines Anordnungsgrundes i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO schlüssig dargelegt und hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft gemacht worden sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 24.05.2018 verwiesen.
4Mit Schreiben vom 06.06.2018 hat der Antragsteller die vorliegende Anhörungsrüge erhoben. Er macht geltend, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei dadurch verletzt worden, dass ihm die Antragserwiderung des Antragsgegners vom 18.05.2018 erst am 23.05.2018 übersandt worden sei und er keine Gelegenheit gehabt habe, vor Beschlussfassung hierzu Stellung zu nehmen. Der Antragserwiderung sei erstmals der gesamte Korrespondenzschriftverkehr zwischen der griechischen Finanzbehörde und dem vormals zuständigen Finanzamt … beigefügt gewesen. Zuvor hätten ihm lediglich ins Deutsche übersetzte Auszüge der Antworten vorgelegen. Zudem sei ihm auch das Recht auf Akteneinsicht faktisch verwehrt worden. Zwar sei seinem Antrag auf Akteneinsicht seitens des Gerichts dem Grunde nach stattgegeben und mit Schreiben vom 15.05.2018 auch mitgeteilt worden, dass die Akten nunmehr zur Einsichtnahme vorliegen würden. Eine konkrete Frist sei aber nicht gesetzt worden, woraufhin ein Termin zur Einsichtnahme für den 28.05.2018 vereinbart worden sei. Der Beschluss sei verfasst worden, ohne diesen Termin abzuwarten. Wenn das Gericht die Antragserwiderung nebst Anlagen schon nicht zeitnah vor seiner Entscheidung weiterleite, hätte es zwingend die Durchführung der Akteneinsicht abwarten müssen. Die Kenntnis des vollständigen Schriftverkehrs zwischen der griechischen Finanzbehörde und dem Finanzamt … sei auch entscheidungserheblich, da sich hieraus ergebe, dass die der Vollstreckung zugrunde liegenden Forderungen durch Herrn G angefochten wurden (Ziffer 20 Abs. 5 vom 13.05.2014) und das Verfahren noch anhängig sei (Ziffer 20 Abs. 3 vom 23.02.2016). Hieraus würde sich „zwingend“ ergeben, dass das Beitreibungsverfahren gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 EU-BeitrG „derzeit auszusetzen“ sei. Im Übrigen habe das Gericht auch die -immerhin strafbewehrte- eidesstattliche Versicherung, wonach ihm weder der Umsatzsteuerbescheid gegen die E1 noch ein gesonderter Haftungsbescheid, eine Zahlungsaufforderung oder eine Vollstreckungsankündigung bekannt gegeben worden sei, in keiner Weise beachtet. Aus dem nunmehr vorliegenden Schriftverkehr ergebe sich, dass offensichtlich auch das Finanzamt … „erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung“ gehabt habe (Ziffer 20 vom 25.07.2016). Darüber hinaus habe er erstmals im Rahmen der Einsichtnahme in die Akten des Finanzamts davon Kenntnis erlangt, dass auch das Amtsgericht F hinsichtlich der vom Antragsgegner beantragten Eintragung einer Sicherungshypothek erhebliche Bedenken hinsichtlich der Existenz einer „Operational Recovery Unit“ geäußert habe. Schließlich hätte ihm das Gericht auch Gelegenheit geben müssen, zu den im Beschluss geäußerten Einwendungen hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Vermögensverhältnisse Stellung zu nehmen, zumal er auch diese strafbewehrt eidesstattlich versichert habe. Nach alldem sei nicht ausgeschlossen, dass das Gericht ohne die Verletzung der Gewährung des rechtlichen Gehörs zu einer anderen, für ihn günstigeren Entscheidung gekommen wäre. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 06.06.2018 verwiesen.
5Nach einem Aktenvermerk des Vorsitzenden Richters des Senates, …, ist der Beschluss in der Sache 12 V 827/18 vom 24.05.2018 am 25.05.2018 um 10.23 Uhr per Fax an die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers versendet worden. Erst im Anschluss hieran sei „gegen Mittag des 25.05.2018“ von den Prozessbevollmächtigten ein Termin zur Akteneinsicht für Montag (28.05.2018) mit Frau M telefonisch vereinbart worden. Laut Rücksprache mit Frau M sei bei der Terminabsprache von den Prozessbevollmächtigten ausdrücklich bestätigt worden, dass der Beschluss vom 24.05.2018 bereits vorliege. Dennoch habe man die Akten einsehen wollen.
6II.
7Die form- und fristgerecht erhobene Anhörungsrüge ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
81. Nach § 133a Absatz 1 Satz 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
9Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, wenngleich es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung zu befassen. Das rechtliche Gehör wird nicht dadurch verletzt, dass das Gericht der Rechtsansicht eines Beteiligten nicht folgt. Die Anhörungsrüge dient auch nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen (vgl. BFH, Beschluss vom 27.12.2006 V S 24/06, BFH/NV 2007, 1667).
10Aus den Ausführungen des Antragstellers ergibt sich nicht, dass das Gericht im Rahmen der angegriffenen Entscheidung den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
11a) So hat der Senat den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs zunächst nicht dadurch verletzt, dass er zeitnah über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) entschieden hat. Das Verfahren nach § 114 FGO ist ein Eilverfahren, in dem der Antragsteller die Anspruchsvoraussetzungen glaubhaft zu machen hat (Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 114 FGO, Rz. 69 m.w.N). Da es sich wegen der Eilbedürftigkeit um eine vorgezogene gerichtliche Entscheidung handelt, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör insoweit durch die „Natur der Sache“ begrenzt (Stapperfend in Gräber: FGO, 8. Auflage 2015, § 114, Rz. 76). Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass eine Entscheidungsfindung sich anders als im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens vollzieht, bei dem die Schriftsätze regelmäßig mit einer ausreichenden Frist zur Stellungnahme der Gegenseite übermittelt werden. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung erfolgt wegen der gebotenen Eile ein solcher Schriftsatzaustausch hingegen im Regelfall nicht. Insoweit war es nicht geboten, eine Stellungnahme des Antragstellers zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 18.05.2018 abzuwarten, der im Übrigen bei Gericht am 23.05.2018 eingegangen und dem Antragsteller noch am gleichen Tag übermittelt worden ist. Vielmehr konnte das Gericht unmittelbar nach Eingang dieses Schriftsatzes seine Entscheidung treffen. Nach diesen, im Rahmen des summarischen Eilverfahrens geltenden Grundsätzen war das Gericht auch nicht gehalten, dem Antragsteller vor Abfassung seines Beschlusses Gelegenheit zur Stellungnahme zu den darin aufgeführten Einwendungen hinsichtlich der angegebenen Vermögensverhältnissen zu geben, zumal die Ablehnung des Anordnungsanspruches auch auf andere Gründe (Pfändungsschutzvorschriften) gestützt wurde.
12Soweit der Antragsteller die „faktische Verweigerung“ des Akteneinsichtsrechts rügt, ist dem entgegenzuhalten, dass er vor Erlass des Beschlusses am 24.05.2018 ausreichend Gelegenheit zur Akteneinsicht gehabt, hiervon aber keinen Gebrauch gemacht hat. So haben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers laut Aktenvermerk des Vorsitzenden erst nach Zustellung des Beschlusses am 25.05.2018 telefonisch einen Termin für die Akteneinsicht vereinbart, obwohl das Gericht bereits mit Schreiben vom 15.05.2018 darauf hingewiesen hatte, dass die Akten zur Einsichtnahme bereit liegen. Die Setzung einer Frist zur Akteneinsicht war insoweit weder erforderlich noch -im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit des Verfahrens- geboten. Ein Verstoß gegen das in § 78 FGO geregelte Akteneinsichtsrecht des Antragstellers ist damit nicht ersichtlich, zumal ein solcher ohnehin nur dann vorliegt, wenn Akteneinsicht durch das Gericht ausdrücklich verwehrt wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 16.7.2012, IX B 67/12, BFH/NV 2012, 1637).
13Dem Vorbringen, das Gericht hätte die seitens des Antragstellers abgegebene eidesstattliche Versicherung, dass ihm weder der Umsatzsteuerbescheid gegen die E1 noch ein gesonderter Haftungsbescheid, eine Zahlungsaufforderung oder eine Vollstreckungsankündigung bekannt gegeben worden seien, in keiner Weise beachtet, ist entgegenzuhalten, dass der Senat es insoweit als nicht nachvollziehbar angesehen hat, dass der Antragsteller dies bis heute nicht gegenüber den griechischen Finanzbehörden geltend gemacht und insoweit alle Rechtschutzmöglichkeiten wahrgenommen hat. Die Aussagen des Antragstellers sind -wie auch aus den Ausführungen des Beschlusses zu I. ersichtlich- damit vom Senat sehr wohl zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen worden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs scheidet auch insoweit aus.
14b) Darüber hinaus hat der Antragsteller auch nicht schlüssig dargelegt, dass das Gericht ohne die behauptete Verletzung des Art. 103 GG zu einer anderen, für ihn günstigeren Entscheidung hätte kommen können.
15Dies gilt insbesondere, soweit der Antragsteller anführt, unter Berücksichtigung der Ausführungen der griechischen Finanzbehörde hätte sich ein Anordnungsanspruch ergeben, da das Beitreibungsverfahren aufgrund der dort angeführten Rechtsbehelfe des Herrn G derzeit nach § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG zwingend auszusetzen sei. Denn insoweit setzt er sich nicht damit auseinander, dass die Aussetzung nach § 13 Abs. 2 Satz 3 EUBeitrG nicht erfolgt, wenn die ersuchende Behörde im Einklang mit Abs. 3 der Vorschrift ein anderes Vorgehen wünscht. § 13 Abs. 3 EUBeitrG sieht -bei entsprechender Begründung- ausdrücklich vor, dass eingehende Beitreibungsersuchen aus anderen Mitgliedstaaten auch die Beitreibung einer angefochtenen Forderung oder eines angefochtenen Teilbetrags einer Forderung beinhalten können. Unter dem 13.05.2014 (dort unter Ziffer 5) wurde ausdrücklich gebeten, das Beitreibungsverfahren nach vorheriger Aussetzung fortzuführen, da die seitens Herrn G angefochtenen Forderungen trotz Einspruches -aufgrund gerichtlich erfolgter Ablehnung eines Ersuchens um Aussetzung der Beitreibungsmaßnahmen- fällig und zahlbar seien. Es ist daher weder erkennbar noch schlüssig vorgetragen, dass das Beitreibungsverfahren zwingend auszusetzen war und das Gericht insoweit zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung hätte kommen können.
16Die Möglichkeit einer für den Antragsteller im Ergebnis günstigeren Entscheidung ist aber auch nicht für den Fall ersichtlich, dass das Gericht Kenntnis vom jetzigen Vorbringen des Antragstellers zu seinen Vermögensverhältnissen gehabt hätte. Denn die Ablehnung des Anordnungsgrundes ist nicht allein aufgrund der Darstellung der Vermögensverhältnisse erfolgt, sondern auch mit Blick auf die Pfändungsschutzvorschriften. Zu letzterem hat der Antragsteller bereits nicht schlüssig vorgetragen, welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben soll. Im Übrigen würde allein das Bejahen eines Anordnungsgrundes dem Antragsteller ohne Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht zu einer günstigeren Entscheidung verhelfen.
17c) Die weitergehenden Ausführungen des Antragstellers richten sich im Kern gegen die Rechtsauffassung des Senates und enthalten den Vorwurf, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Mit diesem Vorbringen kann der Antragsteller im Rahmen des § 133 a FGO jedoch nicht gehört werden. Der Senat hat im Beschluss vom 24.05.2018 das Vorbringen des Antragstellers sowie dessen eidesstattliche Versicherungen zur Kenntnis genommen und sich hiermit auseinandergesetzt. Insbesondere hat er sich mit den für die Frage des Bestehens eines Anordnungsanspruches entscheidungserheblichen Fragen der Verjährung der Amtshilfe und des Verstoßes gegen den „ordre public“ Grundsatz befasst, ist aber der Rechtsmeinung des Antragstellers im summarischen Verfahren nicht gefolgt. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, im Hauptsacheverfahren seine gegenteilige Rechtsauffassung weiterzuverfolgen und die seiner Ansicht nach relevanten Erwägungen und Gesichtspunkte herauszustellen.
18Von einer weiteren Begründung wird mit Blick auf § 133a Abs. 4 Satz 4 FGO abgesehen.
192. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Die Kosten ergeben sich aus Nr. 6400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.