Finanzgericht Köln, 10 K 2115/16
Die Körperschaftsteuerfestsetzungen für die Jahre 2005 und 2006 vom 25.9.2009 werden unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15.7.2016 dahin geändert, dass die Abschreibungen auf Darlehensforderungen gegenüber der A S.A.R.L. i.H.v. 34.208 € für 2005 und i.H.v. 115.000 € für 2006 ergebnismindernd anerkannt werden. Die Neuberechnung der danach für die Streitjahre festzusetzenden Körperschaftsteuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
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Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über eine auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 AStG vorgenommene Gewinnerhöhung wegen nicht anerkannter Darlehensabschreibungen.
3Die Klägerin ist als Gesamtrechtsnachfolgerin der B GmbH (B-GmbH) einer der führenden Hersteller und Distributoren für ....
4... . Im Oktober 2004 erwarb die B-GmbH eine 50%ige Beteiligung an der französischen Gesellschaft A S.A.R.L. (A-S.A.R.L.). Die Anschaffungskosten betrugen 65.000 €. Die übrigen Anteile an der A-S.A.R.L. hielt in den Streitjahren der Geschäftsführer der Klägerin, der zugleich Anteilseigner der ehemaligen B Verwaltungs-GmbH war, die wiederum zu 100% an der Klägerin beteiligt war.
5Die B-GmbH gewährte ihrer Tochtergesellschaft A-S.A.R.L. mit Verträgen vom 1.10.2004, vom 7.3.2005 und vom 23.3.2005 Darlehen i.H.v. insgesamt 199.000 €, die für die Begleichung von Verbindlichkeiten im Außenverhältnis (Personal und Steuern) benötigt wurden. Im Streitjahr 2005 nahm die B-GmbH auf die Darlehensforderungen, die sich durch Tilgungen und Umbuchungen teilweise reduziert hatten, eine Teilwertabschreibung i.H.v. 34.208 € vor. Im Streitjahr 2006 wurde auf den Restbestand der Darlehensforderungen i.H.v. 115.000 € noch mal eine Teilwertabschreibung in gleicher Höhe vorgenommen. Die A-S.A.R.L. wurde im Jahr 2007 gelöscht und der Beteiligungsansatz bei der GmbH vollständig abgeschrieben.
6Im Anschluss an eine im Jahr 2008 durchgeführte Betriebsprüfung erkannte der Prüfer die Abschreibung auf die Darlehensforderungen unter Hinweis auf § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG i. d. Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 i.V.m. § 8b Abs. 3 S. 3 KStG 2004 nicht an und rechnete sie dem Einkommen wieder hinzu (wegen Einzelheiten vgl. Tz. 2.3.1.2 des BP-Berichts vom 16.6.2009). Im Anschluss daran erkannte auch der Beklagte in den vorliegend streitgegenständlichen Körperschaftsteuerbescheiden für 2005 und 2006 vom 25.9.2009 die Teilwertabschreibungen steuerlich nicht an.
7Mit den Einsprüchen machte die Klägerin unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 14.1.2009 - I R 52/08 geltend, dass die neue, für die Klägerin nachteilige Fassung des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG i. d. Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 nicht auf Veranlagungszeiträume vor 2008 anzuwenden und die Teilwertabschreibungen somit anzuerkennen seien. In der Folge dieser Entscheidung erließ die Verwaltung das BMF‑Schreiben vom 29.3.2011 (BStBI I 2011, 277) zu Darlehensgewährungen an eine nahestehende ausländische Gesellschaft, welches die Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG in diesen Fällen vorsah.
8Im Hinblick auf die im Streitfall gegebene grenzüberschreitende Geschäftsbeziehung durch Darlehensgewährung vertrat der Beklagte vor diesem Hintergrund die Auffassung, dass nicht nur der Zinssatz, sondern alle Bedingungen und Umstände der Darlehensgewährung dem Fremdvergleich entsprechen müssten, die auch für Fremde von Bedeutung seien. Dazu unterscheide das o.g. BMF-Schreiben zwischen der Darlehnsgewährung eines inländischen, beherrschenden Gesellschafters an eine ihm nahestehende, ausländische Gesellschaft, zu der über das Darlehnsverhältnis hinaus keine weiteren Geschäftsbeziehungen bestünden, mit Fällen, in denen über das Darlehnsverhältnis hinaus weitere Geschäftsbeziehungen -- etwa in Form eines Lieferungs- und Leistungsaustausches -- gegeben seien. Da sich diesbezüglich dem BP-Bericht keine Anhaltspunkte entnehmen ließen, hatte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 15.4.2016 zur Stellungnahme aufgefordert. Es müsse geprüft werden, ob etwaige weitere Geschäftsbeziehungen Auswirkungen auf die Fremdüblichkeit der Darlehensvereinbarungen hätten oder ob und in welcher Weise die Darlehen wirtschaftlich mit den weiteren Geschäftsbeziehungen in Zusammenhang stünden. Im Übrigen sei für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Prüfung des Zinssatzes grundsätzlich das Bestehen des Rückhalts im Konzern als fremdübliche Sicherheit zu unterstellen (Rn. 13 des BMF-Schreibens).
9Nach Ausbleiben einer entsprechenden Stellungnahme erging die zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 15.7.2017 unter Hinweis auf die Verletzung der erweiterten Mitwirkungspflicht für Auslandssachverhalte (§ 90 Abs. 1 AO). Die Klägerin habe nicht der Aufforderung des Beklagten entsprochen, unter Berücksichtigung der Ausführungen in Rn. 8-19 des BMF-Schreibens vom 29.3.2011 (BStBI I 2011, 277) zur Teilwertabschreibung auf das Darlehn Stellung zu nehmen, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 1 AStG als erfüllt angesehen werden könne.
10Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe die Abschreibungen zu Unrecht nicht anerkannt, indem er die Hinzurechnung im Nachhinein auf die Regelung des § 1 Abs. 1 AStG gestützt habe. Denn die dort vertretene Verwaltungsauffassung und die daraus abgeleitete innerstaatliche Einkommenskorrektur verstoße gegen die gefestigte BFH‑Rechtsprechung gemäß den Entscheidungen I R 23/13 und I R 29/14 und den darin verbindlich interpretierten Fremdvergleichsgrundsatz des Abkommensrechts. Die Teilwertabschreibungen seien nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bilanzsteuerrechtlich zulässig und deren außerbilanzielle Korrektur nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 AStG sei nach dem abkommensrechtlichen Grundsatz des "dealing at arm's length" gesperrt.
11So habe die Darlehensforderung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG mit dem niedrigeren Teilwert statt mit dem Nennwert angesetzt werden können, da es sich unstreitig um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung gehandelt habe. Die Teilwertabschreibungen im Streitfall seien im Hinblick auf die in ihrer Bonität erheblich eingeschränkte A-S.A.R.L. vorgenommen worden. Daran änderten auch die Ausführungen des Beklagten zum Konzernrückhalt nichts, wie sich aus dem BFH-Urteil vom 24.6.2015 - I R 29/14 (BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258) ergebe. Denn es sei dem BFH zu keiner Zeit darum gegangen, dem von ihm entwickelten Grundsätzen zum Konzernrückhalt eine "immerwährende" Besicherung zu entlehnen, sondern nur darum, für den Fall der Konzernierung die Kreditbedingungen zu justieren und dort unter Umständen das Absehen von Sicherheit als fremdvergleichsgerecht anzusehen. Dies lasse jedoch keinen zwingenden Schluss auf die Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit durch die Tochtergesellschaft zu, so dass auch ein Konzernrückhalt die handels- wie steuerrechtlich gebotene sog. Teilwertabschreibung einer konzerninternen Darlehensforderung prinzipiell nicht beeinflusse.
12Die danach zulässigen Teilwertabschreibungen könnten auch nicht außerbilanziell nach § 1 Abs. 1 AStG neutralisiert werden, weil der sich aus Art. 5 DBA-Frankreich ergebende Grundsatz des "dealing at arm's length" eine Sperrwirkung gegenüber § 1 Abs. 1 AStG entfalte und die Vorschrift im Streitfall deshalb keine Anwendung finde (Hinweis auf BFH-Urteil vom 17.12.2014 - I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261). Danach sei eine Gewinnkorrektur, die sich nicht nur auf die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten erstrecke, den Vergleichsmaßstäben des "dealing at arm's length" als Gegenstand der Angemessenheitsprüfung fremd. Im Übrigen könne sich eine über § 1 Abs. 1 AStG vorgenommene Einkommenskorrektur ohnehin immer nur auf solche Beträge beziehen, welche durch einen nicht fremdvergleichsgerechten, zu niedrigen Zins bewirkt worden seien, so dass im Streitfall eine Korrektur im Umfang der Teilwertabschreibungen in jedem Falle ausscheide.
13Die Klägerin beantragt,
14die Körperschaftsteuerfestsetzungen für die Jahre 2005 und 2006 vom 25.9.2009 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15.7.2016 dahin zu ändern, dass die Abschreibungen auf Darlehensforderungen gegenüber der A S.A.R.L. i.H.v. 34.208 € für 2005 und i.H.v. 115.000 € für 2006 ergebnismindernd anerkannt werden,
15hilfsweise die Zulassung der Revision.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen,
18hilfsweise die Zulassung der Revision.
19Der Beklagte bezieht sich dazu im Wesentlichen auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus: Nach dem BMF-Schreiben vom 30.3.2016 seien die Grundsätze der BFH-Urteile vom 17.12.2014 - I R 23/13 und vom 24.6.2015 - I R 29/14 nicht über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anzuwenden, soweit der BFH eine Sperrwirkung gegenüber § 1 AStG durch DBA-Normen angenommen habe, die inhaltlich Artikel 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen (OECD-MustAbk) entsprächen. Eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 1 AStG lasse sich den abkommensrechtlichen Regeln nicht entnehmen, da diese auf eine "Gewinnberichtigung" und nicht auf eine "Preisberichtigung" abzielten. Bestätigt werde dies durch die historische Auslegung des § 1 AStG, der geschaffen worden sei, um das deutsche Recht an die Konzeptionen moderner Steuerrechtsordnungen und an den Standard des internationalen Steuerrechts anzugleichen.
20Die vom BFH angenommene Beschränkung der Korrektur auf den jeweiligen Verrechnungspreis sei im Hinblick auf den Fremdvergleichsgrundsatz sinnwidrig, weil die Bedingungen eines konkreten Geschäftsvorfalls so gestaltet sein könnten, dass allein die Korrektur des Verrechnungspreises weder dazu geeignet sei noch ausreiche, ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Dies ergebe sich aus der Kernaussage in § 1 Absatz 1 Satz 1 AStG, dass die Einkünfte des Steuerpflichtigen -- unbeschadet anderer Vorschriften -- entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz anzusetzen seien. "Andere Vorschriften" in diesem Sinne seien alle deutschen Steuerrechtsvorschriften, und somit auch das DBA Frankreich, dessen Regelungen durch Zustimmungsgesetz zu "einfachem" nationalen Recht geworden seien (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Die ggf. über andere Vorschriften hinausgehende weitergehende Korrekturmöglichkeit des § 1 AStG bestehe danach gegenüber allen "anderen Vorschriften", somit auch gegenüber den DBA-Regelungen. Soweit der BFH einen Konflikt zwischen § 1 AStG und den DBA annehme, hätte ein sog. "treaty override" angenommen werden müssen, über dessen Wirksamkeit das BVerfG hätte entscheiden müssen, wenn der BFH das Vorlagegebot beachtet hätte.
21Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass das BMF-Schreiben vom 29.3.2011 - IV B 5 ‑ S 1341/09/10004, BStBI I 2011, 277) unverändert anzuwenden sei. Denn dieses BMF‑Schreiben zu Teilwertabschreibungen auf Darlehen zwischen nahe stehenden Personen i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG sei unter der Voraussetzung ergangen, dass § 1 AStG entgegen der BFH-Rechtsprechung nicht durch DBA-Normen gesperrt sei, die Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk entsprächen.
22Überdies sei das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, da im Zusammenhang mit der Anwendung des § 1 AStG in Fällen von Teilwertabschreibungen auf Darlehen an verbundene ausländische Unternehmen unter den Az. I R 73/16 und I R 5/17 neue Revisionsverfahren anhängig seien, in denen über die Rechtsfrage zu entscheiden sei, ob eine DBA-Norm, die inhaltlich Art. 9 OECD-MustAbk entspreche, Sperrwirkung gegenüber der Einkünftekorrektur nach § 1 AStG entfalte.
23Entscheidungsgründe
24I. Im Streitfall war weder eine Anordnung der Verfahrensruhe geboten noch eine Aussetzung des Verfahrens.
251. Eine Anordnung der Verfahrensruhe gemäß § 155 FGO i.V.m. § 251 ZPO konnte schon deshalb nicht erfolgen, weil die Klägerin das Ergehen einer solchen Anordnung abgelehnt hat.
262. Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
27Die danach zu fordernde Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit oder Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung ist u.a. gegeben, wenn dort eine Frage zu entscheiden ist, die im auszusetzenden Verfahren als Vorfrage beantwortet werden muss, und nur eine einheitliche Entscheidung zutreffend sein kann (BFH-Beschluss vom 28.2.2001 - I R 41/99, DB 2001, 1074). Nach Auffassung des BFH erfordert das Merkmal der Vorgreiflichkeit zwar nicht, dass die in dem anderen Verfahren zu treffende Entscheidung bindend für das auszusetzende Verfahren sein muss. Es genügt vielmehr, wenn die im anderen Verfahren zu erwartende Entscheidung einen rechtlich erheblichen Einfluss auf die Entscheidung im auszusetzenden Verfahren hat, z.B. weil dasselbe Rechtsverhältnis betroffen ist und die Entscheidungen rechtslogisch miteinander verknüpft sind. Gleichwohl fehlt es an dieser Voraussetzung im Streitfall, weil nicht ersichtlich ist, dass über die im Streitfall und in den anhängigen BFH-Verfahren zu entscheidenden Fragen nur eine einheitliche Entscheidung zutreffend sein kann (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7.7.1998 - VIII R 84/96 BFH/NV, 1999, 318). Denn auch wenn der BFH im Hinblick auf die Frage der Normenkonkurrenz von seiner zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung abrücken würde, hätte dies nicht zwingend die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 1 AStG zur Folge. Über die Verwirklichung des Tatbestands dieser Vorschrift müsste vielmehr anschließend im jeweiligen Einzelfall entschieden werden.
28II. Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat die Teilwertabschreibungen zu Unrecht unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 29.3.2011 (BStBl I 2011, 277) nicht anerkannt. Die Teilwertabschreibungen im Streitfall sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bilanzsteuerrechtlich zulässig (1.), und die außerbilanzielle Korrektur nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 AStG ist nach dem abkommensrechtlichen Grundsatz des "dealing at arm's length" gesperrt (2.).
291. Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die buchführende Klägerin in ihrer Bilanz das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Darlehensforderungen sind in der Steuerbilanz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ebenso wie in der Handelsbilanz gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten, d.h. ihrem Nennwert anzusetzen. Allerdings kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG statt des Nennwerts der niedrigere Teilwert angesetzt werden, wenn der Teilwert einer Forderung aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist als ihr Nennwert. Der Teilwert entspricht dem Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Bei fehlender oder eingeschränkter Bonität des Darlehensschuldners kann der Teilwert der Rückzahlungsforderung unter den Nennwert sinken und -- wenn es sich dabei um einen voraussichtlich dauernden Zustand handelt -- eine Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG gerechtfertigt sein.
30Im Streitfall hat die Klägerin die -- nach übereinstimmenden Angaben in der mündlichen Verhandlung der Höhe nach unstreitigen -- Teilwertabschreibungen in den Streitjahren 2005 und 2006 zu Recht vorgenommen. Das Gericht folgt nicht der vom Beklagten unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 29.3.2011 (BStBl I 2011, 277) vertretenen Auffassung, dass trotz der unstreitig fehlenden Bonität der A-S.A.R.L. der Rückzahlungsanspruch der GmbH deshalb nicht gefährdet gewesen sei, weil die F-GmbH der A‑S.A.R.L. einen Konzernrückhalt geboten habe. Denn diese Auffassung widerspricht dem BFH-Urteil vom 24.6.2015 - I R 29/14 (BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258). Danach liegt aufgrund des sog. Konzernrückhalts zwar die Annahme nahe, dass die Obergesellschaft für den etwaigen Ausfall der Darlehenssumme "geradesteht", mit der Folge, dass nach dem BFH-Urteil vom 29.10.1997 - I R 24/97 (BFHE 184, 482, BStBI II 1998, 573) eine Darlehensvereinbarung auch dann Fremdvergleichsgrundsätzen entsprechen kann, wenn die Darlehensforderung nicht gesondert besichert ist. Soweit die Finanzverwaltung dieser Rechtsprechung aber im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 AStG entnimmt, dass eine an sich gebotene Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG mangels dauernder Wertminderung auszuschließen ist (BMF-Schreiben vom 29.3.2011, BStBl I 2011, 277, unter 3.2), hat der BFH im Urteil vom 24.6.2015 - I R 29/14 (BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258) ausdrücklich auf ein Missverständnis seiner Rechtsprechung durch die Verwaltung hingewiesen. Denn es ging ihm nicht darum, dem Konzernrückhalt eine "immerwährende" Besicherung zu entlehnen, welche "nach Art eines In-sich-Geschäfts zur notwendigen Beurteilung der aus sich selbst generierten Werthaltigkeit" (so Roser, GmbH-Rundschau 2011, 841) Einfluss auf die Werthaltigkeit des der Tochtergesellschaft gewährten Darlehens nähme, sondern nur darum, für den Fall der Konzernierung die Kreditbedingungen zu justieren. Denn der Umstand, dass die Muttergesellschaft im Außenverhältnis regelmäßig für Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft gegenüber Dritten einsteht (sog. Eventualverbindlichkeit), lässt keinen zwingenden Schluss auf die Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit durch die Tochtergesellschaft zu. Gerade dann, wenn die Tochtergesellschaft auf die Inanspruchnahme des Konzernrückhalts angewiesen ist, um Drittgläubiger zu befriedigen, ist nach Auffassung des BFH vielmehr davon auszugehen, dass die Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Muttergesellschaft nicht bedient wird. So gesehen beeinflusst der Konzernrückhalt die handels- wie steuerrechtlich gebotene sog. Teilwertabschreibung einer konzerninternen Darlehensforderung prinzipiell nicht, mit der Folge, dass der Beklagte einer bilanzsteuerrechtlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zulässigen Teilwertabschreibung nicht wegen des sog. Konzernrückhalts die Anerkennung versagen kann. Das Gericht hält diese Ausführungen des BFH für zutreffend und folgt ihnen.
312. Die Gewinnminderung durch die danach zulässigen Teilwertabschreibungen kann auch nicht außerbilanziell nach § 1 Abs. 1 AStG neutralisiert werden. Der BFH ist der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 29.3.2011) in seinen Urteilen vom 17.12.2014 - I R 23/13 (BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261) und vom 24.6.2015 - I R 29/14 (BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258) nicht gefolgt. Vielmehr geht der BFH davon aus, dass Teilwertabschreibungen auf Darlehensforderungen im Konzernverbund, so sie denn überhaupt in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AStG fallen, nach dem Abkommensrecht und dem vorliegend in Art. 5 DBA-Frankreich geregelten Grundsatz des "dealing at arm's length" nicht korrigiert werden dürfen, weil das Abkommensrecht insoweit eine Sperrwirkung gegenüber weitergehenden, nationalen Korrekturvorschriften entfaltet.
32a) Werden die Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahe stehenden Person dadurch gemindert, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise), zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz), so sind die Einkünfte des Steuerpflichtigen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG 1 unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den Bedingungen angefallen wären, die zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbart worden wären.
33b) Bereits in seinem Urteil vom 11.10.2012 - I R 75/11 (BFHE 239, 242, BStBl II 2013, 1046) hat der BFH erkannt, dass der abkommensrechtliche Grundsatz des "dealing at arm's length" bei verbundenen Unternehmen eine Sperrwirkung gegenüber den sog. Sonderbedingungen entfaltet, denen beherrschende Unternehmen im Rahmen der Einkommenskorrektur nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei Annahme einer vGA unterworfen sind. Weiter ist wiederholt höchstrichterlich entschieden, dass Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen keine bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigenden Gewinnminderungen i.S. § 8b Abs. 3 KStG i.d.F. bis zur Änderung durch das JahresStG 2008 vom 20.12.2007 (BGBI I 2007, 3150, BStBI I 2008, 218) sind (BFH-Urteil vom 17.12.2014 - I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261 unter Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 14.1.2009 - I R 52/08, BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674). In der Folge des BFH-Urteils vom 14.1.2009 - I R 52/08 erließ die Verwaltung das vorliegend auch vom Beklagten in Bezug genommene BMF-Schreiben vom 29.3.2011 (BStBI I 2011, 277) zu Darlehensgewährungen an eine nahestehende ausländische Gesellschaft, welches die Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG in diesen Fällen vorsieht.
34c) Tragende Erwägung des Urteils vom 11.10.2012 - I R 75/11 ist es, dass in denmaßgeblichen Vergleichsmaßstab der Abkommensregelung nur diejenigen (Sachverhalts-)Umstände einbezogen sind, welche sich auf die besagten "wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen" auswirken, also die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten berühren; eine Gewinnkorrektur, die sich nicht nur auf die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten erstreckt, sondern -- in einem zweistufigen Vorgehen -- gleichermaßen zusätzlich auf dessen "Grund" (Üblichkeit der Konditionen, Ernsthaftigkeit) abstellt, ist den Vergleichsmaßstäben des "dealing at arm's length" als Gegenstand der Angemessenheitsprüfung fremd. Diese Vergleichsmaßstäbe sind -- schon um mangels einer entsprechenden Gegenkorrektur andernfalls drohenden Doppelbesteuerungen sowohl in dem einen wie in dem anderen Vertragsstaat vorzubeugen -- einem abkommenseigenen und damit einheitlichen Begriffsverständnis unterworfen, der innerstaatlichen Modifikationen des Fremdvergleichsbegriffs ex ante entgegensteht.
35d) Diese Ausführungen des BFH zum abkommensrechtlichen Grundsatz des "dealing at arm's length" bei verbundenen Unternehmen im Verhältnis zur vGA treffen in gleichem Maße auf das Verhältnis der in Art. 5 DBA-Frankreich getroffenen Regelung zur außerbilanziellen Zurechnung gemäß § 1 Abs. 1 AStG zu. Daher dürfen Teilwertabschreibungen, so sie denn überhaupt in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AStG fallen und nach dieser Regelung außerbilanziell wieder hinzugerechnet werden können, nach dem Abkommensrecht und dem vorliegend in Art. 5 DBA-Frankreich geregelten Grundsatz des "dealing at arm's length" nicht korrigiert werden. Das Abkommensrecht entfaltet insoweit eine Sperrwirkung gegenüber weitergehenden, nationalen Korrekturvorschriften, wie sie sich aus § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG oder aus § 1 Abs. 1 AStG ergeben. Deshalb kann eine Einkünftekorrektur im Ergebnis nur dann in Betracht kommen, wenn der vereinbarte Preis seiner Höhe, also seiner Angemessenheit nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhält. Zwar ist unter den abkommensrechtlichen Ausdruck der "vereinbarten Bedingungen" in Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk bzw. Art. 5 DBA-Frankreich grundsätzlich alles zu subsumieren, was Gegenstand der kaufmännischen und finanziellen Beziehungen und damit Gegenstand des schuldrechtlichen Leistungsaustauschs zwischen den verbundenen Unternehmen ist, so dass neben dem Preis sämtliche weiteren Geschäftsbedingungen einbezogen sind (vgl. z.B. Wassermeyer, DBA, MA Art. 9 Rz 62). Es bleibt indessen dabei, dass sich die Vereinbarungskonditionen vor dem Grundsatz des in Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk bzw. Art. 5 DBA-Frankreich angelegten Prüfmaßstabs nur insofern auswirken, als deren "Qualität" die Zinshöhe im Fremdvergleich "nach oben" oder "nach unten" beeinflusst, so dass der abkommensrechtliche Grundsatz des "dealing at arm's length" eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften der Vertragsstaaten nur dann ermöglicht, wenn der Darlehenszins seiner Höhe (Angemessenheit) nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhält. Der Grundsatz ermöglicht indessen nicht die Korrektur einer Abschreibung, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG auf den Teilwert der Forderung und auf Zinsrückstände vorzunehmen ist, weil die inländische Muttergesellschaft das Darlehen ihrer ausländischen Tochtergesellschaft unbesichert begeben hat (BFH-Urteil vom 17.12.2014 - I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261 in Abweichung vom BMF-Schreiben vom 29.3.2011, BStBl I 2011, 277, Rz 3).
36Daher kann sich eine nach § 1 Abs. 1 AStG im Rahmen einer Geschäftsbeziehung zwischen verbundenen Unternehmen im Einklang mit dem Abkommensrecht vorzunehmende Einkommenskorrektur nur auf jene Beträge beziehen, welche durch einen nicht fremdvergleichsgerechten, zu niedrigen Zins bewirkt werden; im Umfang der Teilwertabschreibungen scheidet eine Korrektur hiernach hingegen in jedem Falle aus (BFH-Urteile vom 17.12.2014 - I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, vom 24.6.2015 - I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258). Der erkennende Senat hält auch diese Ausführungen des BFH für zutreffend und folgt ihnen ebenfalls.
373. Die Neuberechnung der nach den Grundsätzen dieses Urteils festzusetzenden Steuer wurde dem Beklagten aufgegeben, weil sie einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert (vgl. § 100 Abs. 2 S. 2 FGO). Die Beteiligten haben der Anordnung der Neuberechnung der festzusetzenden Steuer durch den Beklagten nicht widersprochen.
384. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
395. Die Revision wird gemäß § 115 FGO zur Fortbildung des Rechts durch den BFH und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, auch wenn das Gericht die Ausführungen des Beklagten im Rahmen des Nichtanwendungserlass für verfehlt hält, zumal die Verwaltung in ihrem Erlass über die Beantragung der Verfahrensruhe den zwischenzeitlich ausstehenden Entscheidungen des BFH in den Verfahren I R 73/16 und I R 5/17 grundsätzliche Relevanz für das vorliegende Klageverfahren beimisst (vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, 1.8.2017, S 1341 - 2017/0006 - St 121), andererseits jedoch bereits vorliegende Judikate zu den streitentscheidenden Rechtsfragen mit einem Nichtanwendungserlass belegt. Dabei missachtet die Verwaltung, dass die Rechtsordnung den obersten Gerichten des Bundes (Art. 95 Abs. 1 GG) die Leitfunktion zuschreibt, das Recht fortzubilden und Wertungswidersprüche im geltenden Recht zu minimieren, so dass nur sie als letzte Instanz darüber befinden, was Recht ist. Danach vermag die Exekutive Entscheidungen des BFH nicht aufzuheben, wohl aber der BFH Entscheidungen der Verwaltung (vgl. BFH-Beschluss vom 7.12.2010 - IX R 70/07, BFHE 232, 121, BStBl II 2011, 346).