Zur Änderbarkeit bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide

Zur Änderbarkeit bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide

Kernaussage

Oft verbringt ein Steuerpflichtiger seine meiste Arbeitszeit im häuslichen Arbeitszimmer. Dies allein rechtfertigt aber noch nicht den Abzug anfallender Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Ende 2010 hat der Gesetzgeber den Abzug der Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers neu geregelt, weil das Bundesverfassungsgericht die seit 2007 geltende Rechtslage für verfassungswidrig und damit für unwirksam erklärt hatte. Die ab dem 1.1.2007 geltende gesetzliche Neuregelung bedeutete im Wesentlichen die Rückkehr zur alten Rechtslage, die bis Ende 2006 galt. Für häusliche Arbeitszimmer wurde der eingeschränkte Kostenabzug in Höhe von maximal 1.250 EUR jährlich wieder eingeführt, wenn ein Steuerpflichtiger keinen auswärtigen Arbeitsplatz hat. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich nun damit zu befassen, ob ein bestandskräftiger Steuerbescheid geändert werden kann, wenn die Gesetzeslage rückwirkend zu Gunsten des Steuerpflichtigen angepasst wird.

Sachverhalt

Ein Lehrer hatte in den Streitjahren 2007 und 2008 ein häusliches Arbeitszimmer unterhalten. In beiden Jahren machte er in seinen Einkommensteuererklärungen keine Aufwendungen dafür geltend. Das Finanzamt veranlagte entsprechend, beide Steuerbescheide wurden bestandskräftig. Im August 2010 beantragte der Lehrer für 2007 und 2008 jeweils Aufwendungen von 1.250 EUR zu berücksichtigen und verwies auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Gesetzgeber verpflichtet hatte, rückwirkend ab dem 1.1.2007 wieder einen pauschalen Kostenabzug für häusliche Arbeitszimmer einzuführen. Das Finanzamt lehnte die Änderung der Bescheide ab. Daraufhin zog der Lehrer vor Gericht und verlor.

Entscheidung

Die bestandskräftigen Bescheide konnten mangels Änderungsvorschrift nicht geändert werden. Ein solcher Anspruch ergab sich nicht aus der rückwirkend in Kraft getretenen Neuregelung, denn diese galt nicht für bestandskräftige Veranlagungen, sondern laut Gesetzesbegründung nur für „offene“ Fälle. Auch war für die Richter kein Verstoß gegen das grundgesetzliche Gleichbehandlungsgebot ersichtlich. Denn das Bedürfnis nach Gerechtigkeit im Einzelfall stehe im Widerstreit zur rechtsstaatlichen Forderung nach Rechtssicherheit. Hier sei der Beständigkeit bestandskräftiger Entscheidungen der Vorzug zu geben. Ein Anspruch auf Änderung der Bescheide ergab sich auch nicht aus den abgabenrechtlichen Bestimmungen. Danach kommt eine Änderung z. B. in Betracht, wenn Tatsachen ohne grobes Verschulden des Steuerpflichtigen nachträglich bekannt werden, die zu einer geringeren Steuer führen. Hier hätte das Finanzamt aber auch bei Kenntnis von dem häuslichen Arbeitszimmer des Lehrers die Aufwendungen nicht anerkannt. Die Finanzverwaltung ist nämlich verpflichtet, die im Veranlagungszeitpunkt gültigen Gesetze anzuwenden.

Konsequenz

Dem Ärgernis, dass bei einem festgestellten Verfassungsverstoß nur offene Steuerfestsetzungen geändert werden, kann lediglich in der Weise vorgebeugt werden, dass bei Bedenken gegen steuerrechtliche Bestimmungen der betreffende Bescheid durch Einspruch offen gehalten und ein Ruhen des Verfahrens beantragt wird.