Neben dem Vorbehalt der Nachprüfung gibt es eine weitere Möglichkeit, wie das Finanzamt Steuerbescheide flexibel gestalten kann – die Vorläufigkeit. Ein Steuerbescheid, der vorläufig erlassen wird, bleibt in bestimmten Punkten offen für Änderungen, selbst über die reguläre Einspruchsfrist hinaus. Aber was genau bedeutet das und wann wird ein Steuerbescheid vorläufig erlassen?
1. Was bedeutet Vorläufigkeit?
Ein Steuerbescheid kann in bestimmten Punkten vorläufig erlassen werden. Das bedeutet, dass dieser Bescheid zwar aktuell gültig ist, aber in Zukunft geändert werden kann, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben – sei es zu Ihren Gunsten oder Ungunsten. Anders als beim Vorbehalt der Nachprüfung betrifft die Vorläufigkeit jedoch nur bestimmte Bereiche der Steuerfestsetzung, die das Finanzamt im Bescheid festlegt.
Wie erkennen Sie, ob ein Vorläufigkeitsvermerk im Steuerbescheid vorliegt?
Auf der ersten Seite Ihres Steuerbescheids wird der Hinweis auf die Vorläufigkeit vermerkt. Die Erläuterungen im Steuerbescheid geben detailliert an, welche Punkte vorläufig sind und welche nicht.
2. Wann wird ein Steuerbescheid vorläufig erlassen?
Es gibt zwei Hauptgründe, warum das Finanzamt einen Steuerbescheid mit einem Vorläufigkeitsvermerk versieht:
1. Ungewissheit über den Sachverhalt
Manchmal sind zum Zeitpunkt der Steuerfestsetzung nicht alle relevanten Informationen verfügbar. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die steuerliche Anerkennung eines Verlustes über einen längeren Zeitraum beobachtet werden muss (z.B. bei einer Vermietungsabsicht). Auch wenn eine Sachverhaltsermittlung noch weitere Gutachten oder externe Prüfungen erfordert, kann der Steuerbescheid in diesen Punkten vorläufig erlassen werden.
2. Ungewissheit über das anzuwendende Recht
Wenn zum Zeitpunkt der Steuerfestsetzung unklar ist, wie ein bestimmtes Gesetz oder eine Rechtsnorm in Zukunft ausgelegt wird, kann der Bescheid ebenfalls vorläufig erlassen werden. Oft liegt dies daran, dass entsprechende Gerichtsverfahren anhängig sind, die Auswirkungen auf die Auslegung von Steuervorschriften haben könnten. In solchen Fällen kann das Finanzamt die Steuer zunächst nach der aktuellen Rechtslage festsetzen und offenlassen, wie sich eventuelle Rechtsänderungen auswirken.
3. Was bedeutet der Vorläufigkeitsvermerk für Sie?
Solange der Steuerbescheid vorläufig ist, können die darin festgelegten Punkte noch geändert werden. Dies kann sowohl zu Ihren Gunsten als auch zu Ihren Ungunsten geschehen. Sowohl Sie als auch das Finanzamt haben die Möglichkeit, eine Änderung oder Aufhebung der vorläufigen Steuerfestsetzung zu beantragen.
Wichtig ist, dass nur die im Bescheid vorläufigen Punkte geändert werden können – alles andere ist nach Ablauf der Einspruchsfrist nicht mehr anfechtbar.
4. Wie lange bleibt der Vorläufigkeitsvermerk bestehen?
Ein vorläufiger Steuerbescheid kann jederzeit für endgültig erklärt werden, sobald die Ungewissheit beseitigt ist. In der Praxis bedeutet das:
- Bei einer Ungewissheit über den Sachverhalt endet der Vorläufigkeitsvermerk ein Jahr, nachdem das Finanzamt von der Klärung des Sachverhalts Kenntnis erlangt hat.
- Bei einer Ungewissheit über das anzuwendende Recht endet der Vorläufigkeitsvermerk zwei Jahre, nachdem das Finanzamt von der Klärung der rechtlichen Situation erfahren hat.
5. Einspruch nach Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks
Wenn der Vorläufigkeitsvermerk aufgehoben wird, können Sie bis zum Ablauf der regulären Einspruchsfrist gegen den Bescheid Einspruch einlegen. Der Einspruch kann jedoch nur die Punkte betreffen, die zuvor als vorläufig festgesetzt waren.
Fazit
Ein Vorläufigkeitsvermerk im Steuerbescheid gibt dem Finanzamt und Ihnen als Steuerpflichtigem Flexibilität. Es ermöglicht, den Bescheid unter bestimmten Bedingungen anzupassen, sobald mehr Klarheit über den Sachverhalt oder das anzuwendende Recht herrscht.
Haben Sie einen vorläufigen Steuerbescheid erhalten oder Fragen zu Ihrer Steuerfestsetzung? Kontaktieren Sie uns, und wir unterstützen Sie dabei, alle Optionen bestmöglich auszuschöpfen.
Ihr Steuerberater