Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung bekräftigt, dass Steuerpflichtige beim Nachweis einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes erheblich mehr Spielraum haben, als es die Finanzverwaltung bislang zulassen wollte. Diese Entscheidung ist besonders für Immobilienbesitzer von Interesse, die versuchen, die Abschreibungsdauer ihrer Gebäude zu verkürzen und damit steuerlich besser zu fahren.
Hintergrund: Nachweis einer verkürzten Nutzungsdauer
Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG können Steuerpflichtige für Gebäude, die zur Erzielung von Einkünften genutzt werden, eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer geltend machen, wenn sie diese nachweisen können. Der Vorteil einer kürzeren Nutzungsdauer liegt auf der Hand: Die jährliche Abschreibung fällt höher aus, was zu einer früheren steuerlichen Entlastung führt.
Der BFH hatte bereits 2021 entschieden, dass Steuerpflichtige zur Darlegung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer jede sachverständige Methode verwenden dürfen, die im Einzelfall geeignet erscheint. Ein starres Festhalten an bestimmten Gutachtensarten, wie es die Finanzverwaltung forderte, wurde damit abgelehnt. Damit sollten Gutachter mehr Freiheit bei der Wahl ihrer Bewertungsmethode haben.
Aktuelles Urteil: Kein einfacher Verweis auf die ImmoWertV
In der jüngsten Entscheidung hat der BFH klargestellt, dass ein bloßer Verweis auf die nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) ermittelte Restnutzungsdauer eines Gebäudes nicht ausreicht, um eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer nachzuweisen. Ein solcher Verweis entspricht nicht den Anforderungen, die an den Nachweis der verkürzten Nutzungsdauer gestellt werden.
Praxisrelevanz: Was bedeutet das für Steuerpflichtige?
In der Praxis bedeutet dieses Urteil, dass ein qualifiziertes Gutachten nach wie vor unerlässlich ist, wenn eine kürzere Nutzungsdauer geltend gemacht werden soll. Dieses Gutachten muss sich intensiv mit den individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Gebäudes auseinandersetzen und darf nicht nur auf allgemeine Modelle oder Verordnungen wie die ImmoWertV zurückgreifen.
Für Steuerpflichtige bedeutet das, dass sie bei der Erstellung eines Gutachtens sicherstellen müssen, dass der Gutachter die spezifischen Merkmale des Gebäudes, wie den baulichen Zustand, die technische Ausstattung und eventuelle Nutzungseinschränkungen, ausführlich dokumentiert und bewertet.
Fazit
Der Bundesfinanzhof hat den Spielraum für Gutachter erweitert, indem er flexible Bewertungsmethoden zulässt. Gleichzeitig hat er klargestellt, dass der einfache Verweis auf standardisierte Modelle wie die ImmoWertV nicht ausreicht, um eine verkürzte Nutzungsdauer darzulegen. Immobilienbesitzer sollten daher darauf achten, dass sie für den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer ein fundiertes, individuelles Gutachten einholen, das den spezifischen Bedingungen ihres Gebäudes gerecht wird. So können sie die steuerlichen Vorteile einer verkürzten Abschreibungsdauer optimal nutzen.