Kernproblem
Im Jahr 2011 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entgegen seiner bis dahin geltenden Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (agB) zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Finanzverwaltung hat das Urteil des BFH mit einem Nichtanwendungserlass belegt. Mit Wirkung vom 30.6.2013 wurde das EStG dahingehend geändert, dass Prozesskosten nur dann als agB zu berücksichtigen sind, wenn es sich um Aufwendungen handelt, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Für die Zeit davor häufen sich die Streitfälle vor den Finanzgerichten (FG), jetzt beim FG Münster.
Sachverhalt
Eheleute wurden im Jahr 2000 geschieden und hatten in einem Ehevertrag die Lasten eines gemeinsamen Hauses geregelt. Bei den Verhandlungen über die Auseinandersetzung des Hauseigentums im Jahr 2007 konnten sich die Parteien hinsichtlich der vom geschiedenen Ehemann geforderten Nutzungsentschädigung für das Bewohnen des Hauses durch seine frühere Ehefrau nicht einigen, so dass diese verklagt wurde und ihrerseits Widerklage einlegte. In einem Vergleich vor dem Amtsgericht im Jahr 2009 wurde ein zukünftiger Wohnwert festgelegt. Darüber hinaus wies das Amtsgericht die Widerklage ab und verurteilte die Geschiedene auf eine Nutzungsentschädigung für das Jahr 2008. Die hiergegen beim Oberlandesgericht eingelegte Berufung endete in einem weiteren Vergleich. Den für das Jahr 2010 als agB von der Ehefrau beantragten Abzug der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten des Berufungsverfahrens von über 6.300 EUR versagte das Finanzamt mit Bezug auf den Nichtanwendungserlass den Abzug.
Entscheidung
Das FG ließ den beantragten Abzug als agB zu, denn die neue gesetzliche Regelung entfalte für die Vergangenheit keine Geltung. Der BFH verlange in seiner Rechtsprechung, dass die Kosten für den Steuerpflichtigen unausweichlich seien und er sich nicht mutwillig oder leichtfertig auf einen Prozess eingelassen habe. Demgemäß wären Zivilprozesskosten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Nach Auffassung des FG bestand für das Berufungsverfahren durchaus eine hinreichende Erfolgsaussicht, die auch in dem Prozessvergleich realisiert wurde.
Konsequenz
Gegen das Urteil wurde die Revision zugelassen. Ähnliche Verfahren sind bereits beim BFH anhängig. Zumindest für bis zum 29.6.2013 aufgewendete Zivilprozesskosten kann nur empfohlen werden, Verfahren durch Rechtsbehelfe offenzuhalten.