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Steuerhinterziehung: Wer trägt die Feststellungslast?

Steuerhinterziehung: Wer trägt die Feststellungslast?

Werden Hinterziehungszinsen festgesetzt, muss das Finanzgericht vom Vorliegen der Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung vollständig überzeugt sein. Denn nicht zulässig ist eine Entscheidung nach den Regeln der Feststellungslast zulasten des Steuerpflichtigen.

Hintergrund

Die Mutter (M) hatte in der Schweiz befindliches Vermögen auf ein Konto einer Schweizer Bank übertragen, das auf den Namen ihrer Stieftochter (T) lautete. Für dieses Konto erhielt M von T eine Vollmacht. Dieses Konto wurde später geschlossen und der Gegenwert auf ein Konto einer anderen Schweizer Bank übertragen, das auf den Namen der M lautete. Das Finanzamt setzte gegenüber M Schenkungsteuer fest, und zwar für beide Vermögensübertragungen. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Darüber hinaus wurden wegen Hinterziehung der Schenkungsteuer Hinterziehungszinsen festgesetzt. Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht ab. Denn T konnte trotz der Vollmacht der M frei über das Vermögen verfügen. Ein dem entgegenstehendes Treuhandverhältnis hatte M nicht nachgewiesen. Dafür trägt M aber die Feststellungslast.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof folgte der Entscheidung des Finanzgerichts nicht. Denn dieses hat aufgrund seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, ob für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen die Tatsachen vorliegen, die eine Steuerhinterziehung ergeben. Eine Entscheidung nach den Regeln der Feststellungslast zulasten des Steuerpflichtigen ist hier nicht zulässig. Bei einer Steuerhinterziehung gehört das Nichtvorliegen eines Treuhandverhältnisses zu den Tatsachen, für die das Finanzamt im Rahmen einer freigebigen Zuwendung die Feststellungslast trägt. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn es sich um eine bloße Behauptung handelt, für deren Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich sind.

Bankmitarbeiter haften nicht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung

Bankmitarbeiter haften nicht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung

Kernaussage
Wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an der Tat durch Hilfeleistung teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die darauf entfallenden Zinsen. Im Zusammenhang mit anonymisierten Kapitaltransfers ins Ausland setzt die Feststellung einer Steuerhinterziehung voraus, dass der jeweilige Inhaber des ins Ausland transferierten Kapitals daraus in der Folge Erträge erzielt hat, die der Besteuerung im Inland unterlagen, dass er z. B. unrichtige Angaben in seiner Steuererklärung gemacht, dadurch Steuern hinterzogen und dabei vorsätzlich gehandelt hat. Hierzu entschied der Bundesfinanzhof (BFH) Anfang diesen Jahres, dass Bankmitarbeiter nicht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung belangt werden können, wenn die mutmaßlichen steuerpflichtigen Bankkunden anonym bleiben.

Sachverhalt
Der Kläger hatte 1992 und 1993 als Leiter der Wertpapierabteilung eines deutschen Kreditinstituts daran mitgewirkt, dass Kunden Wertpapiere unter Verschleierung ihrer Identität nach Luxemburg und in die Schweiz transferieren konnten. Dies diente dazu, der 1991 in Deutschland eingeführten Zinsabschlagssteuer zu entgehen. Steuerstrafrechtliche Ermittlungen bei dem Kreditinstitut brachten zwar den Umfang des auf diesem Weg anonym ins Ausland transferierten Vermögens zu Tage. Es gelang jedoch nicht, sämtliche dahinterstehenden Kunden namentlich zu enttarnen. Von den enttarnten Kunden hatte nahezu keiner die im Ausland erzielten Kapitalerträge in seiner Steuererklärung angegeben. Das Finanzamt übertrug die Erkenntnisse über die enttarnten Kunden auf die nicht enttarnten Kunden und nahm den Kläger unter Anwendung eines großzügigen Sicherheitsabschlags für die von den nicht enttarnten Wertpapierkunden mutmaßlich hinterzogene Einkommensteuer auf im Ausland erzielte Kapitalerträge in Haftung.

Entscheidung
Hiergegen wehrte sich der leitende Bankmitarbeiter und gewann. Die BFH-Richter führten aus, allein die Tatsache des anonymen Kapitaltransfers reiche nicht aus, um eine hinreichend sichere Überzeugung davon zu gewinnen, dass die nicht enttarnten Kunden die Einkommensteuer auf im Ausland erzielte Kapitaleinkünfte hinterzogen hätten. Auch die Erkenntnisse aus der Gruppe der enttarnten Kunden könnten für die Gruppe der anonym gebliebenen Kunden konkrete tatsächliche Feststellungen nicht ersetzen. Dies gehe zu Lasten der Finanzverwaltung, die hierfür die Feststellungslast trage.

Konsequenz
Trotz der Tatsache, dass eine Bank die Möglichkeit des anonymisierten Geldtransfers ins Ausland anbietet, haften Mitarbeiter dieser Bank nicht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, wenn die Kunden nicht enttarnt werden können. Es existiert kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass, wer Kapital anonym ins Ausland verbringt, auch in der Steuererklärung unrichtige Angaben der daraus erzielten Erträge macht. Interessant ist aber, dass der BFH im Urteil offen gelassen hat, ob eine Steuerhinterziehung unter anderen tatsächlichen Voraussetzungen auch ohne namentliche Kenntnis des Haupttäters in Betracht kommt.

Verjährungsfristen bei Steuerhinterziehung werden nicht verlängert

Berlin: (hib/HLE) Die Verjährungsfristen bei Steuerhinterziehung werden nicht angehoben. Der Finanzausschuss lehnte am Mittwoch mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP einen vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf (17/13664) ab, der eine Verlängerung der Verjährungsfrist in allen Fällen auf zehn Jahre gefordert hatte. Für den Entwurf stimmten die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, während sich die Linksfraktion enthielt.

In seiner Begründung hatte der Bundesrat darauf hingewiesen, dass in nicht besonders schweren Fällen von Steuerhinterziehung die Steuerfestsetzungsverjährung in der Regel zehn Jahre, die Strafverfolgungsverjährung aber fünf Jahre betrage. Nicht zuletzt im Hinblick auf die zahlreichen seit 2010 aufgedeckten Steuerhinterziehungsfälle im Zusammenhang mit ausländischen Vermögensanlagen sollten alle Steuerstraftaten möglichst gleich lang strafrechtlich geahndet werden können, hatte der Bundesrat gefordert.

Der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion argumentierte mit der allgemeinen strafrechtlichen Verjährung von fünf Jahren. Wenn jetzt in allen Fällen von Steuerhinterziehung die Verjährungsfrist erhöht werde, sei dies ein Wertungswiderspruch und ein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit. Die SPD-Fraktion argumentierte für den Entwurf mit dem Hinweis, Steuerstraftaten müssten wirksam bekämpft werden, und das Steueraufkommen müsse erhöht werden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schloss sich der SPD-Argumentation an. Die FDP-Fraktion warnte davor, aus Emotionen heraus die strafrechtliche Verjährung zu ändern. Der Gesetzgeber müsse rational handeln, und die Rechtsordnung müsse in sich stimmig sein. Auch die Linksfraktion hatte Bedenken. Es gebe einen Zielkonflikt, wenn Betrug an einem Privaten nach fünf Jahren verjähre und der Betrug am Staat erst nach zehn Jahren.

Finanzausschuss – 26.06.2013

EU-Kommission fordert fünf Mitgliedstaaten zur Anwendung wesentlicher EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung auf

Die Kommission hat am 20.06.2013 Belgien, Griechenland, Finnland (Provinz Åland), Italien und Polen mit Gründen versehene Stellungnahmen übermittelt, in denen sie diese Länder auffordert, ihr die Umsetzung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden in nationales Recht zu melden.

Mit dieser Richtlinie sollen Transparenz, Informationsaustausch und grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die grundlegende Instrumente zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung sind (siehe IP/12/1376), verbessert und verstärkt werden. Die Mitgliedstaaten sind rechtlich verpflichtet, die Richtlinie seit dem 1. Januar 2013 anzuwenden. Belgien, Finnland (in Bezug auf die Provinz Åland), Griechenland, Italien und Polen haben die Kommission noch nicht über die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht unterrichtet.

Erhält die Kommission binnen zweier Monate keine zufriedenstellende Antwort, kann sie diese fünf Mitgliedstaaten beim Gerichtshof der EU verklagen.

Hintergrund

Die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden enthält zahlreiche Bestimmungen, die für die wirkungsvolle Aufspürung von Steuerhinterziehung durch die nationalen Verwaltungen entscheidend sind. Sie verhindert, dass Mitgliedstaaten Auskunftsersuchen ablehnen mit der Begründung, dass sich die Daten im Besitz eines Finanzinstituts befinden. Sie legt klare Fristen für den spontanen Informationsaustausch (bei mutmaßlicher Steuerhinterziehung) und für den Informationsaustausch auf Ersuchen fest. Außerdem sieht sie Standardformblätter, elektronische Formate und Standardverfahren vor, um Qualität und Geschwindigkeit des Datenaustauschs zwischen den nationalen Behörden zu verbessern.

Zudem wird der automatische Austausch von Informationen zwischen Steuerbehörden im Rahmen der Richtlinie in Zukunft erheblich ausgedehnt. Gemäß der bereits erlassenen Richtlinie werden ab 1. Januar 2015 automatisch Informationen über Vergütungen aus unselbständiger Arbeit, Eigentum an unbeweglichem Vermögen, Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen, Ruhegehälter und Lebensversicherungsprodukte ausgetauscht.

Am 12. Juni schlug die Kommission eine Änderung der Richtlinie vor, um den automatischen Informationsaustausch auf andere Einkunfts- und Vermögensarten auszudehnen (siehe IP/13/530).

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 20.06.2013

Kampf gegen Steuerhinterziehung: Kommission schlägt umfassenden automatischen Informationsaustausch in der EU vor

Die Kommission hat heute vorgeschlagen, zur verstärkten Bekämpfung von Steuerhinterziehung den automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerverwaltungen in der EU zu erweitern. Der Vorschlag sieht vor, Dividenden, Veräußerungsgewinne, alle anderen Arten von Finanzeinkünften und Kontoguthaben in die Liste der Einkunftsarten aufzunehmen, über die in der EU automatisch Informationen ausgetauscht werden (siehe MEMO/13/533). Damit soll die EU weltweit das umfassendste System für einen automatischen Informationsaustausch erhalten.

Algirdas Šemeta, für Steuern, Zoll, Statistik, Audit und Betrugsbekämpfung zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission, erklärte: „Der heutige Vorschlag wird es den Mitgliedstaaten leichter machen, die ihnen geschuldeten Steuern zu berechnen und zu erheben, und den Bemühungen der EU, weltweit für ein verantwortungsvolleres staatliches Handeln im Steuerwesen einzutreten, Nachdruck verleihen. Der Vorschlag ist eine weitere Waffe in unserem Arsenal zur energischen Bekämpfung der Steuerhinterziehung.“

Ein automatischer Informationsaustausch innerhalb der EU ist bereits in zwei grundlegenden Rechtsakten vorgesehen:

Durch die EU-Richtlinie über die Besteuerung von Zinserträgen wird gewährleistet, dass die Mitgliedstaaten Daten über die Erträge gebietsfremder Personen erheben und diese Daten automatisch den Steuerbehörden der Länder zur Verfügung stellen, in denen die betreffenden Personen ansässig sind. Dieses System gilt seit 2005. Dem Rat liegt ein Vorschlag vor, die Richtlinie zu verstärken und ihren Anwendungsbereich zu erweitern. Auf der Tagung des Europäischen Rates vom Mai 2013 haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, die überarbeitete Richtlinie noch vor Jahresende anzunehmen.

Die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden sieht den automatischen Austausch von Informationen über andere Einkunftsarten ab 1. Januar 2015 vor. Sie betrifft Vergütungen aus unselbständiger Arbeit, Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen, Lebensversicherungsprodukte, Ruhegehälter und Vermögenseinkünfte. Mit dem heutigen Vorschlag soll diese Richtlinie überarbeitet werden, damit der automatische Informationsaustausch ab demselben Datum auch für Dividenden, Veräußerungsgewinne, sonstige Finanzerträge und Kontoguthaben gilt.

Der heutige Vorschlag in Verbindung mit den genannten Bestimmungen über den automatischen Informationsaustausch bedeutet, dass die Mitgliedstaaten untereinander so viele Informationen austauschen, wie sie es mit den USA im Rahmen des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) tun.

Hintergrund

Im Dezember 2012 stellte die Kommission einen Aktionsplan für eine wirksamere Reaktion der EU auf Steuerhinterziehung und Steuerumgehung vor (siehe IP/12/1325). Darin werden umfassende Maßnahmen vorgeschlagen, damit die Mitgliedstaaten ihre Steuerbemessungsgrundlagen besser schützen und die Milliarden an Euro zurückgewinnen können, die ihnen rechtmäßig zustehen. In dem Aktionsplan wird die Notwendigkeit betont, einen automatischen Informationsaustausch als europäischen und internationalen Standard für Transparenz und Informationsaustausch im Steuerwesen zu fördern.

Der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ begrüßte auf seiner Tagung vom 14. Mai 2013 den Aktionsplan. Der Europäische Rat vom 22. Mai 2013 forderte, den automatischen Informationsaustausch auf Ebene der EU und weltweit auszudehnen, um Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und aggressive Steuerplanung einzudämmen und begrüßte die Absicht der Kommission, einen diesbezüglichen Vorschlag vorzulegen.

Nützliche Links

Abruf des Vorschlags:

http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/tax_cooperation/mutual_assistance/direct_tax_directive/index_de.htm

Der Aktionsplan und die Empfehlungen der Kommission können abgerufen werden unter:

http://ec.europa.eu/taxation_customs/common/publications/com_reports/taxation/index_de.htm

Website zu Steuerbetrug und Steuerhinterziehung:

http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/tax_fraud_evasion/index_en.htm

Homepage von Algirdas Šemeta, für Steuern, Zoll, Statistik, Audit und Betrugsbekämpfung zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission:

http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/semeta/index_de.htm

Bundesrat fordert längere Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung

elektronische Vorab-Fassung*
Deutscher Bundestag Drucksache 17/13664
17. Wahlperiode 29. 05. 2013
Gesetzentwurf
des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von
Steuerstraftaten
A. Problem und Ziel
Angleichung der Verjährungsfrist für die strafrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehung an die
Festsetzungsfrist bei hinterzogenen Steuern.
B. Lösung
Für alle Fälle einer Steuerhinterziehung wird die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung auf zehn
Jahre festgelegt.
C. Alternativen
Keine.
D. Kosten der öffentlichen Hand
Von der Umsetzung des Gesetzentwurfs sind Steuermehreinnahmen in nicht bezifferbarer Höhe zu
erwarten.
Der Vollzug ist mit den vorhandenen Ressourcen zu bewältigen.
E. Sonstige Kosten
Kosten für die Wirtschaft: Keine.
Kosten für soziale Sicherungssysteme: Keine.
* Wird nach Vorliegen der lektorierten Druckfassung durch diese ersetzt.elektronische Vorab-Fassungelektronische Vorab-Fassung
Anlage 1
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von
Steuerstraftaten
Vom …
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung der Abgabenordnung
§ 376 Absatz 1 der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002
(BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) Die Verjährungsfrist für Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370) beträgt zehn Jahre.“
Artikel 2
Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung
In Artikel 97 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 (BGBl. I S.
3341, 1977 S. 667), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 1. November 2011 (BGBl. I S.
2131) geändert worden ist, wird in § 23 folgender Satz angefügt:
„§ 376 der Abgabenordnung in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Verbesserung der
Bekämpfung von Steuerstraftaten vom … (BGBl. I S. … [Einsetzen: Ausfertigungsdatum und
Seitenzahl der Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes]) gilt für alle bei Inkrafttreten
dieses Gesetzes noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen.“
Artikel 3
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. elektronische Vorab-Fassung
– 2 –
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Sie schädigt das Steueraufkommen und damit das
Gemeinwesen. Es ist deshalb Aufgabe des Staates, für eine wirksame Bekämpfung von
Steuerhinterziehung Sorge zu tragen. Dies erfordert auch eine Angleichung der Fristen, innerhalb
derer eine strafrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehung und der Festsetzung der verkürzten
Steuern möglich ist.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung der Abgabenordnung)
Nach § 169 Absatz 2 Satz 2 AO beträgt die steuerliche Festsetzungsfrist zehn Jahre, soweit eine
Steuer hinterzogen wurde. Unter Berücksichtigung der An- und Ablaufhemmungen nach §§ 170
und 171 AO können hinterzogene Steuern im Einzelfall auch noch nach mehr als zehn Jahren
festgesetzt und erhoben werden.
Bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2009 enthielt die Abgabenordnung für die
Steuerhinterziehung nach § 370 AO keine eigenständige Regelung zur Verfolgungsverjährung. Es
galten die allgemeinen Regelungen des Strafgesetzbuches mit der Folge einer grundsätzlich
fünfjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 78 Absatz 3 Nummer 4 StGB.
Mit dem Jahressteuergesetz 2009 wurde für Taten im Sinne des § 370 Absatz 3 AO
(Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall) eine von § 78 StGB abweichende
Sonderregelung in § 376 Absatz 1 AO geschaffen. In diesen Fällen besteht eine grundsätzliche
Parallelität zwischen Steuerfestsetzungsverjährung und steuerstrafrechtlicher
Verfolgungsverjährung. Die strafrechtliche Ahndung bei Steuerhinterziehung in besonders
schweren Fällen kann sich so auf einen längeren Zeitraum erstrecken, das Strafrisiko für den
Hinterzieher steigt. Dadurch kann Steuerhinterziehung wirkungsvoller bekämpft werden.
Handelt es sich hingegen nicht um eine Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall,
besteht nach wie vor eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Steuerfestsetzungsverjährung, die in
der Regel zehn Jahre beträgt, und der Strafverfolgungsverjährung, die bei einer
Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Absatz 1 AO fünf Jahre beträgt.
Nicht zuletzt im Hinblick auf die Fülle der seit dem Jahre 2010 aufgedeckten
Steuerhinterziehungsfälle im Zusammenhang mit ausländischen Vermögensanlagen sollten alle
Steuerstraftaten möglichst (gleich) lang strafrechtlich geahndet werden können. Denn besonders in
diesen Fällen ist die Diskrepanz zwischen der regulären Steuerfestsetzungsfrist von zehn Jahren
und der Strafverfolgungsverjährung von fünf Jahren bei Steuerhinterziehungen im Sinne des § 370
Absatz 1 AO – wenn keines der in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis Nummer 5 AO
ausdrücklich aufgeführten Regelbeispiele erfüllt ist – mit Blick auf den Unrechtsgehalt
unsachgemäß und erschwert die strafrechtliche Ahndung.
Überdies führt das Auseinanderfallen der Steuerfestsetzungsverjährung und der
Strafverfolgungsverjährung auch in Selbstanzeigefällen zu Verwerfungen, da sich eine wirksame
Berichtigungserklärung nach § 371 Absatz 1 AO zwar auf alle strafrechtlich nicht verjährten
Zeiträume beziehen muss, die Steuern aber für alle nicht festsetzungsverjährten
Besteuerungszeiträume nachträglich festgesetzt werden müssen und ohne entsprechende
Berichtigungserklärung für diese Jahre häufig nicht mehr sachgerecht ermittelt werden können. Das elektronische Vorab-Fassung
– 3 –
läuft im Ergebnis auch der Intention des § 371 AO in der Fassung durch das
Schwarzgeldbekämpfungsgesetz 2011 zuwider: Die Straffreiheit sollte ausdrücklich daran geknüpft
werden, dass ein Steuerhinterzieher jedenfalls bezogen auf eine Steuerart „reinen Tisch macht“. De
facto ist das in Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 Absatz 1 AO dann nicht der Fall, wenn
die Berichtigungserklärung im Sinne des § 371 Absatz 1 AO für die nicht
strafverfolgungsverjährten (fünf) Besteuerungszeiträume abgegeben wird und damit wirksam ist, in
Ansehung der steuerrechtlich zusätzlich relevanten weiteren fünf Veranlagungszeiträume aber
keine Offenlegung erfolgt und unter Umständen ganz bewusst eine möglicherweise zu niedrige
Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Finanzbehörden in Kauf genommen wird.
Die Änderung tritt am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft. Sie gilt dabei nur für Fälle
von Steuerhinterziehung, die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht verjährt sind.
Zu Artikel 2 (Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung)
§ 23 Absatz 2 EGAO stellt klar, dass die Neuregelung der Verfolgungsverjährungsfrist für alle
noch nicht verjährten Sachverhalte gilt. Die Regelung dient der Rechtssicherheit.
Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)
Die Änderungen durch das vorliegende Änderungsgesetz treten am Tag nach der Verkündung in
Kraft. elektronische Vorab-Fassung
– 4 –
Anlage 2
Stellungnahme der Bundesregierung
Die Bundesregierung nimmt zum Entwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Verbesserung der
Bekämpfung von Steuerstraftaten (BR-Drs. 339/13 – Beschluss) wie folgt Stellung:
Die Bundesregierung hält den Vorschlag des Bundesrates, für alle Fälle einer Steuerhinterziehung
die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung auf zehn Jahre festzulegen, nicht für überzeugend.
Der Vorschlag zielt auf eine Verlängerung der Verfolgungsverjährung bei Steuerhinterziehung
(§ 370 Abgabenordnung – AO) in allen Fällen und nicht nur in besonders schweren Fällen auf zehn
Jahre. Eine derartige Verlängerung begegnet Bedenken im Vergleich zu anderen Straftatbeständen
sowie im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Mit dem Jahressteuergesetz 2009 wurde bereits als Ausnahme zu den geltenden Regeln über die
Verjährung in §§ 78 ff. Strafgesetzbuch (StGB) für Fälle der besonders schweren
Steuerhinterziehung, die durch Regelbeispiel konkretisiert sind, eine zehnjährige
Verfolgungsverjährung geschaffen (§ 376 Abs. 1 AO). Die Verfolgungsverjährung betrug bis dahin
– wie bei mit vergleichbarer Strafandrohung bedrohten Delikten – fünf Jahre. Bereits diese
Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung war rechtssystematisch umstritten.
Eine weitere Ausdehnung der Verjährungsverlängerung auch auf Fälle einfacher Steuerhinterziehung würde der Systematik des Strafrechts, die auch für das Nebenstrafrecht gilt, deutlich
widersprechen. Denn schon gegen die geltende Regelung des § 376 Abs. 1 AO wurde eingewandt,
dass diese Norm gegen den Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Grundgesetz) verstoße, weil die
Verjährungsregelung von der vergleichbarer Delikte (Diebstahl, §242 StGB, Betrug, § 263 StGB
und Untreue, § 266 StGB) abweiche. Selbst für Subventionsbetrug (§ 264 StGB), der sich auch
gegen den Staat richten kann, beträgt die Verjährungsfrist nur fünf Jahre.
Infolge einer Verlängerung der strafrechtlichen Verfolgbarkeit der einfachen Steuerhinterziehung
auf zehn Jahre würde ein Betrug zu Lasten des Staates länger verfolgbar sein als ein Betrug zu
Lasten einer privaten Person. Dogmatisch würde dies auch der Wertung der neueren
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widersprechen, der gerade seine Rechtsprechung zur
Steuerhinterziehung seiner Rechtsprechung zum Betrug angenähert hat.
Neben den rechtssystematischen Bedenken droht aus Sicht der Bundesregierung auch ein Verstoß
gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung hätte zur Folge,
dass jede in der Praxis noch so geringfügige Falschangabe in einer Steuererklärung wie z. B. die
wahrheitswidrige Angaben eines zu langen Fahrweges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder
die falsche Behauptung, man nutze den eigenen PKW zwischen Wohnung und Arbeit, obwohl
tatsächlich die Fahrgemeinschaft genutzt wird, zu einer strafrechtlichen Verfolgbarkeit von zehn
Jahren führen würde. Dies begegnet Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit.
Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Vorschlag des Bundesrates vor dem Hintergrund der
seit dem Jahre 2010 aufgedeckten Steuerhinterziehungsfälle im Zusammenhang mit dem Ausland
zu sehen. Gerade in diesen Fällen dürfte bereits das geltende Recht dem Ziel des Bundesrates
gerecht werden. In diesen Fällen handelt es sich in der Regel gerade nicht um die Fälle, die von der
jetzt geforderten Verlängerung erfasst würden, sondern regelmäßig ohnehin der zehnjährigen
Verlängerungsfrist unterliegen.

Ist Geltendmachung eines falschen Verlustvortrags Steuerhinterziehung?

Ist Geltendmachung eines falschen Verlustvortrags Steuerhinterziehung?

Kernaussage
Macht ein Steuerpflichtiger nach Abgabe einer richtigen Steuererklärung den durch einen Vorzeichenfehler des Finanzamts fehlerhaft festgestellten Verlustvortrag geltend, liegt eine Steuerhinterziehung weder wegen unrichtiger Angaben noch durch Unterlassen wegen fehlender Aufklärung des Finanzamts über den Veranlagungsfehler vor. Die Bestandkraft des Verlustfeststellungsbescheids berechtigt zur Inanspruchnahme des materiell unzutreffend festgestellten Verlustvortrags.

Sachverhalt
In den Einkommensteuererklärungen der Jahre 1999 und 2000 gab der Kläger u. a. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von rund 1 Mio. DM an. Das beklagte Finanzamt erließ im März 200 einen Einkommensteuerbescheid, in dem es die vom Kläger genannten Einkünfte aufgrund eines Eingabefehlers als negative Einkünfte behandelte und stellte einen verbleibenden Verlustvortrag fest. Für das Jahr 2001 nahm der Kläger den festgestellten Verlustvortrag in Anspruch. Im Vorfeld einer im Jahr 2004 anberaumten Betriebsprüfung erklärte der Kläger unter Abgabe einer strafbefreienden Erklärung, er habe eine Steuerhinterziehung begangen, weshalb für die zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen (nur) eine Abgabe in Höhe von 25 % dieser Einnahmen zu zahlen sei. Das Finanzamt lehnte mangels Vorliegens einer Straftat die Voraussetzungen der strafbefreienden Erklärung und der damit zusammenhängenden günstigeren Steueramnestie ab. Das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigten diese Auffassung.

Entscheidung
Der BFH stellte fest, dass keine Steuerhinterziehung vorliegt, wenn ein Steuerpflichtiger in der Einkommensteuererklärung für ein Folgejahr den fälschlich festgestellten Verlustvortrag in Anspruch nimmt. Die Einkommensteuererklärungen für die Vorjahre wiesen zutreffend positive Einkünfte aus. Auch sind die Erklärungen der Folgejahre weder unrichtig noch unvollständig, denn die Bestandskraft des Verlustfeststellungsbescheids berechtigt dazu, den unzutreffend festgestellten Verlustvortrag in Anspruch zu nehmen. Der Steuerpflichtige ist insbesondere nicht dazu verpflichtet, das Finanzamt auf den Fehler aufmerksam zu machen.

Konsequenz
Die Entscheidung erging zum Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG), das nur vom 1.1.2004 bis 31.3.2005 galt. Um die Steueramnestie zu erlangen, gab es die Möglichkeit eine strafbefreiende Erklärung abzugeben und die „Amnestiesteuer“ als Pauschalabgabe zu entrichten. Heute existiert nur noch die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige.

Wie weit gilt das Verbot der Doppelbestrafung bei Steuerhinterziehung?

Wie weit gilt das Verbot der Doppelbestrafung bei Steuerhinterziehung?

Kernaussage
Auch auf europäischer Rechtsebene ist das Grundrecht anerkannt, wonach niemand wegen ein und derselben Zuwiderhandlung strafrechtlich zweimal verfolgt oder bestraft werden darf. Im Hinblick auf diese Verbot der Doppelbestrafung legte ein schwedisches Gericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Entscheidung vor, ob gegen einen Angeschuldigten ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet werden darf, wenn wegen derselben Tag der Abgabe unrichtiger Steuererklärungen bereits steuerliche Sanktionen gegen ihn festgesetzt wurden.

Sachverhalt
Ein schwedischer Steuerpflichtiger war selbstständig auf dem Gebiet des Fischfangs und des Verkaufs der Fänge tätig. Die schwedische Finanzverwaltung warf ihm vor, er sei seinen steuerlichen Erklärungspflichten für die Jahre 2004 und 2005 nicht nachgekommen, was zum Verlust von Einnahmen bei verschiedenen Steuerarten geführt habe. Im Mai 2007 setzte die Behörde für die betreffenden Jahre steuerliche Sanktionen gegen den Steuerpflichtigen fest. 2009 leitete das zuständige schwedische Gericht ein Strafverfahren gegen ihn ein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Steuerhinterziehung vor, die nach schwedischem Recht mit Freiheitsstrafe von bis zu 6 Jahren bestraft wird. Diesem Verfahren liegt dieselbe Tat der Abgabe unzutreffender Steuererklärungen zugrunde, die auch zu den steuerlichen Sanktionen geführt hat. Das schwedische Gericht möchte wissen, ob die Anklage gegen den Beschuldigten unzulässig ist, weil er in einem anderen Verfahren bereits wegen derselben Tat bestraft wurde.

Entscheidung
Der Grundsatz des Verbots der Doppelbestrafung hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, zur Ahndung derselben Tat der Nichtbeachtung von Erklärungspflichten im Bereich der Mehrwertsteuer eine steuerliche Sanktion und danach eine strafrechtliche Sanktion zu verhängen. Die Mitgliedstaaten können, um die Erhebung der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer in ihrer Gesamtheit zu gewährleisten, die anwendbaren Sanktionen frei wählen. Dabei kann es sich um verwaltungsrechtliche oder strafrechtliche Sanktionen oder um eine Kombination der beiden handeln. Für die Beurteilung der strafrechtlichen Natur von steuerlichen Sanktionen sind 3 Kriterien maßgeblich: zum Einen die rechtliche Einordnung der Zuwiderhandlung im innerstaatlichen Recht, zum Anderen die Art der Zuwiderhandlung sowie die Art und der Schweregrad der dem Betroffenen angedrohten Sanktion. Es ist Sache der nationalen Gerichte, zu beurteilen, ob die nach innerstaatlichem Recht vorgesehene Kumulierung von steuerlichen und strafrechtlichen Sanktionen möglicherweise gegen die – ebenfalls nationalen – Schutzstandards verstößt, sofern die verbleibenden Sanktionen wirksam, angemessen und abschreckend sind.

Konsequenz
Der EuGH stellt klar, dass nur dann, wenn die steuerliche Sanktion strafrechtlichen Charakter hat und unanfechtbar geworden ist, die Einleitung eines Strafverfahrens gegen dieselbe Person wegen derselben Tat nicht mehr zulässig ist.

Schwarzen Schafen droht Lizenzentzug – Initiative für Maßnahmen gegen Bankenbeihilfe zur Steuerhinterziehung

Nordrhein-Westfalen wird zusammen mit Baden-Württemberg und Niedersachsen im Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Beihilfe von Banken zu Steuerstraftaten einbringen. Das nordrhein-westfälische Landeskabinett hat dem Entwurf zugestimmt. Mit dem Gesetz soll die Bankenaufsicht Geschäftspraktiken von Banken, die ihren Kunden gezielt Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten, wirksam entgegentreten.

„Wir werden nicht tatenlos zusehen, wenn Banken systematisch Kunden beraten, wie sie ihr Schwarzgeld verstecken und das sogar als Kerngeschäft betreiben“, sagte Finanzminister Norbert Walter-Borjans. „Es verstößt gegen das Prinzip der Steuergerechtigkeit, wenn die ehrlichen Steuerzahler für die Löcher aufkommen müssen, die die Steuerhinterzieher in die Staatskasse reißen – und wenn ehrliche Banken Wettbewerbsverzerrungen durch unlautere Geschäftspraktiken ihrer Konkurrenten hinnehmen müssen.“

Konkret soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) durch eine Ergänzung des Kreditwesengesetzes ermächtigt werden, unmittelbar gegen Banken vorzugehen, wenn deren verantwortlich Handelnde nachhaltig Steuerstraftaten begangen haben. Den Aufsehern soll ein Maßnahmenkatalog an die Hand gegeben werden, der in schwerwiegenden Fällen auch die Schließung einer Geschäftsstelle oder einen Entzug der Lizenz des Bankhauses vorsieht.

Walter-Borjans: „Mit dieser Initiative setzen die drei Landesregierungen ihren konsequenten Kurs zu mehr Steuergerechtigkeit fort. Wir werden weiterhin alles daransetzen, die Steuerschlupflöcher im In- und Ausland zu schließen. Ich bin zuversichtlich, dass die von CDU, CSU und FDP gebildeten Landesregierungen und die Bundestagsmehrheit nach der in letzter Zeit deutlichen Positionierung gegen Steuerbetrug unserer Initiative folgen werden.“

FinMin NRW, Pressemitteilung vom 28.05.2013

Steuerhinterziehung durch Unterlassen

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 586/12
vom
9. April 2013
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
AO § 35, § 370 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 25 Abs. 2
1. Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO)
kann nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist.
2. Das Merkmal „pflichtwidrig“ in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO bezieht sich allein auf
das Verhalten des Täters, nicht auf dasjenige eines anderen Tatbeteiligten.
Damit kommt eine Zurechnung fremder Pflichtverletzungen auch dann nicht in
Betracht, wenn sonst nach allgemeinen Grundsätzen Mittäterschaft vorliegen
würde.
3. Eine eigene Rechtspflicht zur Aufklärung über steuerlich erhebliche Tatsachen trifft gemäß § 35 AO auch den Verfügungsberechtigten. Verfügungsbe– 2 –
rechtigter im Sinne dieser Vorschrift kann auch ein steuernder Hintermann sein,
der ihm gegenüber weisungsabhängige „Strohleute“ im Rechtsverkehr nach
außen im eigenen Namen auftreten lässt.
BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12 – LG Mannheim
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. April 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,- 3 –
Prof. Dr. Radtke,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte – in der Verhandlung -,
Justizangestellte – bei der Verkündung –
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 11. Juni 2012
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in
den Fällen 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe jeweils
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt wird,
b) aufgehoben
aa) im Einzelstrafausspruch in den Fällen 19 sowie 23
bis 26 der Urteilsgründe und
bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.- 4 –
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in
29 Fällen und Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Bensheim vom
22. November 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun
Monaten verurteilt.
Hiergegen richtet sich die auf eine nicht näher ausgeführte Verfahrensrüge sowie die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.
A.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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2
3- 5 –
I.
Fälle 1 bis 29 der Urteilsgründe („Bandentaten“)
1. Der einschlägig vorbestrafte Angeklagte hatte erfahren, dass sich eine
bis dahin von Ba. , G. und B. angeführte Gruppe erfolgreich im Handel mit Altgold betätigt hatte. Dieser Handel war darauf
ausgerichtet, systematisch einen betrügerischen „Umsatzsteuergewinn“ zu erwirtschaften. Der „Gewinn“ wurde dadurch erzielt, dass die beim Verkauf von
Altgold an Scheideanstalten neben dem Nettokaufpreis erlangte Umsatzsteuer
einbehalten wurde, in den Umsatzsteuervoranmeldungen der einliefernden
Personen aber ein nicht gerechtfertigter Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen vorgenommen wurde. Das Hinterziehungssystem folgte bis zum Einstieg
des Angeklagten im Juni 2010 im Wesentlichen folgendem Ablauf:
Die Gruppe ließ Goldscheideanstalten mit von Ba. und G.
„schwarz“ – also ohne Umsatzsteuer – angekauftem Gold in normalen Handelsgeschäften beliefern. Bei den Scheideanstalten traten als liefernde Unternehmer (sog. Einlieferer) nur G. oder Personen auf, die von G. zu diesem Zwecke angeworben worden waren und entsprechende Gewerbe angemeldet hatten. Die Goldscheideanstalten rechneten beim Ankauf des Goldes
mit den Einlieferern über Gutschriften (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) unter Ausweis
von Umsatzsteuer ab und überwiesen den Bruttokaufpreis auf deren Konten.
Die jeweiligen Einlieferer händigten den Brutto-Gutschriftsbetrag an Ba.
oder G. aus und erhielten dafür eine Provision in Höhe von drei bis vier
Prozent des Gutschriftsbetrages.
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Die Einlieferer – darunter auch G. , soweit er in eigenem Namen
Gold bei den Goldscheideanstalten einlieferte – meldeten in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen die Umsatzsteuer aus den Gutschriften für die Goldlieferungen an. Zur Minimierung der sich ergebenden Zahllast nahmen sie jedoch
gleichzeitig einen unberechtigten Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) aus Scheinrechnungen vor, die B. beschaffte. Es handelte sich dabei um sog. Abdeckrechnungen, in denen den Rechnungsadressaten unter Umsatzsteuerausweis tatsächlich nicht erbrachte Lieferungen von Gold in Rechnung gestellt wurden. Die
„Gewinne“ aus den Geschäften verwendeten G. und Ba. einerseits für
weitere Goldankäufe sowie zum Bezahlen der Abdeckrechnungen, andererseits
für einen aufwendigen Lebensstil.
Anlässlich eines Streits um eine offene Forderung B. s nahmen Ba.
und G. den Angeklagten in die Gruppe auf, um fortan mit ihm nach „bewährtem Geschäftsmodell“ den auf Steuerhinterziehung ausgerichteten Goldhandel fortzusetzen. Der Angeklagte übernahm – B. ersetzend – in führender
Funktion gemäß einer „internen Aufgabenverteilung“ folgende Aufgaben (UA
S. 20). Er sollte:
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– finanzielle Mittel für den weiteren Altgoldankauf zur Verfügung stellen,
– neue Einlieferer anwerben,
– die „Logistik“ für die Abdeckrechnungen, insbesondere neue Scheinfirmen und „Strohmänner“ sowie entsprechende Unterlagen, bereitstellen,
– teilweise Altgold von Ba. in Empfang nehmen und an die anzuwerbenden neuen Einlieferer verteilen,
– teilweise das Bargeld von den Einlieferern in Empfang nehmen,
– teilweise die Gutschriftsbelege der Scheideanstalten, die für die Erstellung von Abdeckrechnungen benötigt wurden, von den Einlieferern in Empfang nehmen und an G. weiterleiten und
– teilweise die Abdeckrechnungen von G. in Empfang nehmen
und den Einlieferern übergeben.
Ba. sollte, wie zuvor auch, in erster Linie für die Beschaffung und
teilweise Verteilung des Goldes zuständig sein, während G. die Abdeckrechnungen fertigen und daneben weiterhin Gold einliefern sollte.
Ende September 2010 nahm der Angeklagte den gesondert Verfolgten
Gl. in die Gruppe auf, der als „Rechnungsschreiber“ und Einlieferer unter Falschpersonalien auftretend fortan ebenfalls eine führende Funktion
in der Gruppe einnahm. Er ersetzte G. , als dieser im Oktober 2010 aus
der Gruppe ausschied.
Der Angeklagte erhielt bei jedem Goldgeschäft einen Gewinnanteil; im
Übrigen blieb die Gewinnverteilung in der Gruppe weitgehend ungeklärt. Die in
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11- 8 –
diesen Fällen unter Beteiligung des Angeklagten insgesamt bewirkte Umsatzsteuerverkürzung betrug 1.382.391,24 Euro.
2. Die einzelnen Fälle wiesen folgende Besonderheiten auf:
a) Fälle 1 bis 18 der Urteilsgründe
aa) In den Fällen 1 bis 14 sowie 16 bis 18 der Urteilsgründe wurden die
Einlieferungen von G. sowie von vier weiteren Einlieferern vorgenommen.
Die für die Steuerhinterziehung erforderlichen Abdeckrechnungen auf dem
Briefkopf einer A. GmbH stellte G. her, der zu diesem Zweck vom
Angeklagten Geschäftsunterlagen und einen Firmenstempel der A. GmbH
erhalten hatte. Der Angeklagte veranlasste jeweils, dass die Rechnungen vom
formellen Geschäftsführer der A. GmbH, einem unter den Falschpersonalien „ T. “ auftretenden nicht näher identifizierten bulgarischen
Staatsangehörigen, unterzeichnet wurden.
bb) Im Fall 15 der Urteilsgründe wurden Vorsteuern aus Abdeckrechnungen geltend gemacht, die Gl. unter den Falschpersonalien „
F. “ gefertigt hatte. Der Angeklagte hatte Gl. zuvor einen auf diesen
Namen ausgestellten gefälschten Reisepass besorgt.
b) Fälle 23 bis 26 der Urteilsgründe
Gl. trat in den Monaten September bis Dezember 2010 unter den
Falschpersonalien „ F. “ selbst als Einlieferer auf. Da er einen falschen Namen verwendete, gab er abweichend von der sonst üblichen Vorgehensweise absprachegemäß keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Die Verwendung von Abdeckrechnungen erschien im Hinblick auf die Identitätstäuschung zu Verschleierungszwecken nicht erforderlich. Den für die Einlieferung
bei der Goldscheideanstalt erhaltenen Kaufpreis händigte er abzüglich einer
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Provision von einem Prozent des Gutschriftsbetrages an den Angeklagten oder
an Ba. aus.
c) Fälle 27 und 28 der Urteilsgründe
In den Fällen 27 und 28 der Urteilsgründe wurden zwei Einlieferer unter
Falschpersonalien tätig, denen der Angeklagte gefälschte Ausweisdokumente
verschafft hatte. Da auch sie unter diesen Falschpersonalien auftraten, wurden
Abdeckrechnungen für ihre Einlieferungen von vorneherein nicht erstellt.
d) Fälle 20 bis 22 sowie 29 der Urteilsgründe
aa) Die Einlieferin Y. hatte von Gl. unter dem Namen „
F. “ erstellte Abdeckrechnungen erhalten. Sie gab absprachewidrig keine
Umsatzsteuervoranmeldungen ab (Fälle 20 bis 22 der Urteilsgründe)
bb) Der Einlieferer D. gab, obwohl er Abdeckrechnungen erhalten
hatte, ebenfalls absprachewidrig keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab (Fall
29 der Urteilsgründe).
e) Fall 19 der Urteilsgründe
Das Gruppenmitglied G. , das im Fall 19 der Urteilsgründe als Einlieferer tätig wurde, gab abweichend von den Absprachen in der Gruppe gleichfalls keine Umsatzsteuervoranmeldung ab.
3. Das Landgericht hat die vom Angeklagten aus der Gruppe heraus begangenen Taten als 18 Fälle gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung durch
aktives Tun gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 2 StGB (Fälle 1 bis 18 der
Urteilsgründe) und elf Fälle gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB (Fälle 19 bis 29 der
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Urteilsgründe) gewertet. Es hat in diesen Fällen jeweils eine bandenmäßige
Begehung i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO angenommen.
Das Landgericht hat den Angeklagten in diesen Fällen jeweils als Mittä-
ter eingestuft. Soweit Unterlassungsdelikte vorlägen (Fälle 19 bis 29 der Urteilsgründe), habe er gemeinschaftlich mit anderen die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen unterlassen.
Die über die Gewerbe der Einlieferer abgewickelten Goldlieferungen hat
das Landgericht den Mitgliedern der Gruppe, die sie als Bande qualifiziert hat,
und damit auch dem Angeklagten zugerechnet, weil die Einlieferer sich als
„Strohleute“ in einer arbeitnehmerähnlichen Stellung befunden hätten und
– somit nicht als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG handelnd – den Tatplan
der Bandenmitglieder lediglich umgesetzt hätten. Daher habe für den Angeklagten als „Mitunternehmer“ gemäß § 18 UStG die Pflicht bestanden, diese Goldeinlieferungen in Umsatzsteuererklärungen als Umsätze anzumelden.
Soweit (in den Fällen 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe) G. und
Gl. als Einlieferer tätig geworden seien, sei der Angeklagte nicht als „Mitunternehmer“ einzustufen. Denn diese Gruppenmitglieder hätten nicht die Position von „Strohleuten“ eingenommen. Deshalb seien auch deren Goldeinlieferungen nicht dem Angeklagten unter dem Gesichtspunkt (mit)unternehmerischer Tätigkeit zurechenbar. Dennoch habe sich der Angeklagte auch insoweit der gemeinschaftlichen Umsatzsteuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1
Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Er müsse sich als Hintermann
– entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – die
Pflichtverletzungen der Bandenmitglieder zurechnen lassen.
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28- 11 –
II.
Weitere Taten des Angeklagten (Fälle 30 bis 34 der Urteilsgründe)
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leistete der Angeklagte
außerhalb der Bande Unterstützungsbeiträge zu weiteren vergleichbaren Taten:
a) Fall 30 der Urteilsgründe (Unterstützung einer Gruppe um B. )
Der wegen den Streitigkeiten mit G. und Ba. aus der Bande
ausgeschiedene B. nahm in einer neuen Gruppe entsprechende Goldhandelsgeschäfte vor, die ebenfalls auf die Hinterziehung von Umsatzsteuer abzielten. Die Geschäfte wurden über die vermögenslose S. GmbH abgewickelt. Nachdem viele Banken unter anderem wegen des von ihnen gesehenen Geldwäscheverdachts nicht mehr dazu bereit waren, Konten für Goldhändler zu errichten, unterstützte der Angeklagte die Gruppe, indem er über einen
unabhängigen Finanzvermittler die Eröffnung eines Geschäftskontos ermöglichte.
Die durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärungen für die über die
S. GmbH abgewickelten Goldhandelsgeschäfte eingetretene Umsatzsteuerverkürzung betrug insgesamt 824.000,04 Euro.
b) Fälle 31 bis 34 der Urteilsgründe (Unterstützung einer Gruppe um
Te. )
Für entsprechende Goldhandelsgeschäfte einer Gruppe um Te.
, bei denen ebenfalls systematisch Umsatzsteuern hinterzogen wurden,
stellte der Angeklagte Abdeckrechnungen zur Verfügung, die er von Gl.
fertigen ließ. Sie wurden zum unberechtigten Vorsteuerabzug verwendet. Hier-
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durch wurde durch Yi. Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 89.965
Euro und durch Ü. von weiteren 57.633,42 Euro hinterzogen.
2. Die den Fällen 30 bis 34 der Urteilsgründe zu Grunde liegenden Taten
hat das Landgericht jeweils als Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß § 370
Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO, § 27 StGB gewertet. Dabei ist es angesichts des einmaligen Tatbeitrages des Angeklagten im Falle der S. GmbH von einer
einheitlichen Beihilfetat ausgegangen.
B.
Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge – die nicht ausgeführte Verfahrensrüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – zu einem
Teilerfolg. In den Fällen 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe ändert der Senat
den Schuldspruch von Mittäterschaft auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung ab.
Dies zieht in diesen Fällen die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen sowie
des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Im Übrigen enthält das Urteil keinen
den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler.
I.
Die verfahrensgegenständlichen Taten können in zwei Fallkomplexe unterteilt werden. Fallkomplex I umfasst die von der Bande um den Angeklagten
und Ba. sowie G. bzw. Gl. begangenen Taten (Fälle 1 bis 29 der Urteilsgründe). Fallkomplex II erfasst die Unterstützungshandlungen des Angeklagten für andere Täter bzw. Tätergruppierungen
(Fälle 30 bis 34 der Urteilsgründe). Ausgehend von den sich stellenden Rechts-
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fragen lassen sich im Fallkomplex I zwei Untergruppen bilden: Die Fallgruppe
I.1. umfasst diejenigen Fälle, bei denen von den Einlieferern unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben wurden (Fälle 1 bis 18 der Urteilsgründe), während der Fallgruppe I.2. diejenigen Fälle zuzuordnen sind, bei denen
von den Einlieferern (pflichtwidrig) keine Steueranmeldungen eingereicht wurden (Fälle 19 bis 29 der Urteilsgründe). Letztere Fallgruppe (Unterlassungstaten) lässt sich weiter unterteilen in die Gruppe der Fälle, in denen weisungsabhängige Strohleute als Einlieferer tätig wurden (Fallgruppe I.2.a: Fälle 20 bis 22
und 27 bis 29 der Urteilsgründe) und diejenige, in der die führenden Bandenmitglieder G. und Gl. gegenüber den Scheideanstalten als Einlieferer auftraten (Fallgruppe I.2.b: Fälle 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe).
II.
Mit Ausnahme hinsichtlich der Fallgruppe I.2.b (Fälle 19 sowie 23 bis 26
der Urteilsgründe) hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Fallgruppe I.1. (Fälle 1 bis 18 der Urteilsgründe)
Die Verurteilung des Angeklagten in der Fallgruppe I.1 wegen in Mittä-
terschaft begangener Steuerhinterziehung durch aktives Tun gemäß § 370
Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 2 StGB begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
a) Täter einer Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO
kann nicht nur der Steuerpflichtige sein. Vielmehr kommt als Täter einer Steuerhinterziehung durch aktives Tun grundsätzlich jedermann in Betracht („wer“),
sofern er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht. Mittäter kann daher auch
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eine Person sein, der das Gesetz keine steuerlichen Pflichten zuweist, sofern
nur die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Begehungsweise im Sinne
von § 25 Abs. 2 StGB gegeben sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1986 – 3 StR 405/86, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1; BGH, Urteil
vom 28. Mai 1986 – 3 StR 103/86, NStZ 1986, 463; BGH, Beschluss vom
6. Oktober 1989 – 3 StR 80/89, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Mittäter 3; BGH,
Urteil vom 22. Mai 2003 – 5 StR 520/02, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Täter 4;
BGH, Beschluss vom 7. November 2006 – 5 StR 164/06, wistra 2007, 112).
Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen
Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als
Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur
Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte
können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein
(st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Juni 2005 – 5 StR 12/05, NStZ 2006, 44;
BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291 mwN).
b) Die erkennbar auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung der maß-
geblichen Umstände getroffene Wertung des Landgerichts, der Angeklagte sei
in diesen Fällen Mittäter und nicht nur Gehilfe der durch Einreichung unrichtiger
Umsatzsteuervoranmeldungen für die Einlieferer begangenen Steuerhinterziehungen gewesen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Das Landgericht durfte dabei maßgeblich berücksichtigen, dass die Einlieferer mit der Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich
den Tatplan der Gruppe (Bande) um den Angeklagten sowie Ba. und G.
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bzw. Gl. umsetzten. In diesem Tatplan spielte die Verwendung der von
dem Angeklagten beschafften Abdeckrechnungen zur Verschleierung der
Steuerverkürzungen eine bedeutende Rolle. Der Angeklagte hatte zudem an
der Funktionsfähigkeit des verwendeten Systems der Hinterziehung von Umsatzsteuer erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse, denn er war an den Erträgen aus diesem System beteiligt. Die von ihm erbrachten Tatbeiträge, etwa
seine Mitwirkung bei der Beschaffung der Abdeckrechnungen und bei der
Übergabe des Goldes an die Einlieferer, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei
als für die Taten wesentlich angesehen.
Der Annahme von Mittäterschaft steht nicht entgegen, dass der Angeklagte seine jeweiligen Tatbeiträge lediglich im Vorfeld der unrichtigen Steueranmeldungen erbrachte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. September 2012
– 1 StR 407/12, wistra 2013, 67; Urteil vom 28. Mai 1986 – 3 StR 103/86, NStZ
1986, 463). Insoweit gelten die allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze (vgl.
BGH, Beschluss vom 27. März 2012 – 3 StR 63/12).
2. Fallkomplex II. (Fälle 30 bis 34 der Urteilsgründe)
Die Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Fallkomplex II. ist ebenfalls rechtsfehlerfrei. Die Urteilsfeststellungen belegen in den
Fällen 30 bis 34 der Urteilsgründe sowohl die Haupttaten der Steuerhinterziehung als auch die von dem Angeklagten vorsätzlich erbrachten Tatbeiträge.
3. Fallgruppe I.2.a (Fälle 20 bis 22 sowie 27 bis 29 der Urteilsgründe)
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Die Verurteilung des Angeklagten der Fallgruppe I.2.a wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO hält jedenfalls im
Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Tatbestandlich i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO handelt, wer eine Rechtspflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen verletzt. Diese Voraussetzung muss auch bei einem Mittäter vorliegen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Täter
– auch Mittäter – einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige
sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders
verpflichtet ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1979 – 3 StR 488/78,
BGHSt 28, 371, 375 ff.; BGH, Urteil vom 12. November 1986 – 3 StR 405/86,
BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1; BGH, Beschluss vom 14. Februar 1990
– 3 StR 317/89, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 Eingangsabgaben 1; BGH, Beschluss vom 20. November 1990 – 3 StR 259/90, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 2
Mittäter 2; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 – 5 StR 600/01, BGHSt 48, 52,
58; BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 – 5 StR 520/02, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1
Täter 4 = wistra 2003, 344; BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004 – 5 StR 85/04,
wistra 2004, 393; BGH, Beschluss vom 7. November 2006 – 5 StR 164/06,
wistra 2007, 112; BGH, Beschluss vom 14. April 2010 – 1 StR 105/10). Dabei
können sich Offenbarungspflichten sowohl aus den gesetzlich besonders festgelegten steuerlichen Erklärungspflichten wie auch aus allgemeinen Garantenpflichten ergeben, die allerdings eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. Joecks
in Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 Rn. 161 ff.).
bb) Demgegenüber ist die Strafkammer – mit durchaus beachtlichen Argumenten – der Auffassung, dass die von der Rechtsprechung vorgenommene
Beschränkung des Täterkreises auf Personen, die eine eigene Offenbarungs-
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pflicht verletzen, nicht zutreffend sei (UA S. 153 ff.). Vielmehr handele es sich
beim Unterlassungstatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO um ein Allgemeindelikt, sodass die Pflichtverletzung eines „Vordermanns“ einem selbst nicht erklä-
rungspflichtigen „Hintermann“ zugerechnet werden könne. Aus diesem Grund
könnten Personen auch Mittäter sein, die keine sie persönlich treffende Pflicht
verletzen, sofern nur die allgemeinen Voraussetzungen für die Annahme von
Mittäterschaft gegeben seien.
Der Wortlaut des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sei mit einer Einstufung als Allgemeindelikt vereinbar. Das Gesetz grenze den Täterkreis nicht näher ein,
sondern verwende – ebenso wie bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO – die für Allgemeindelikte typische Umschreibung „wer“. Schließlich beschreibe auch das Merkmal
„pflichtwidrig“ keine persönliche Pflichtenstellung für einen bestimmten Personenkreis, sondern enthalte ein strafrechtliches „Jedermann-Gebot“. Es beschreibe nicht den Personenkreis näher, sondern konkretisiere, welche Art und
Weise des Handelns unter Strafe gestellt sei (vgl. Bender, wistra 2004, 368,
371; Kuhlen in: Festschrift für Heike Jung, 2007, S. 445, 457). Auch die Systematik des Gesetzes spreche für die vom Landgericht vertretene Auffassung,
denn § 370 AO enthalte die im Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 378
Abs. 1 AO enthaltene Beschränkung des Täterkreises gerade nicht.
Schließlich verweist das Landgericht darauf, dass die bisherige Auslegung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. So
sei es oft letztlich vom Zufall abhängig, ob eine Bestrafung als Täter oder – trotz
vergleichbaren Unrechtsgehalts der Tatbeteiligung – nur als Gehilfe in Betracht
komme, etwa weil ein unterstützter anderer Tatbeteiligter eine Steuererklärung
überhaupt nicht statt – wie geplant – mit falschem Inhalt abgebe. So sei es nach
der bisherigen Auslegung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich, dass ein „Hin-
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termann“ trotz tatbeherrschender Stellung nur als Gehilfe bestraft werden könne.
cc) Der Senat teilt die Auffassung, dass es sich auch bei dem Unterlassungstatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO um ein Delikt handelt, das nicht
nur vom Steuerpflichtigen und Personen, denen sonst in den Steuergesetzen
steuerliche Erklärungspflichten auferlegt sind (vgl. §§ 34, 35 AO), verwirklicht
werden kann, sondern grundsätzlich von „Jedermann“.
(1) Durch die offene Formulierung des Gesetzes „wer“, die allen drei
Tatvarianten der Steuerhinterziehung vorangestellt ist, enthält § 370 Abs. 1 AO
die herkömmlich bei der Ausgestaltung von Allgemein-/Jedermannsdelikten
verwendete Formulierung (vgl. Kuhlen in: Festschrift für Heike Jung, 2007,
S. 445, 457). Nach dem Gesetzeswortlaut erfolgt damit keine Beschränkung
auf eine bestimmte Tätergruppe; einen Statusbegriff, wie er sonst häufig bei
der Beschreibung tauglicher Täter bei Sonderdelikten zu finden ist, enthält §
370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht.
(2) Der Umstand, dass der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO hinsichtlich des Merkmals „pflichtwidrig“ weitere Besonderheiten aufweist, ergibt
sich darüber hinaus auch aus einem systematischen Vergleich zu anderen Tatbeständen, die ebenfalls das Merkmal „pflichtwidrig“ aufgreifen, jedoch anders
ausgestaltet sind:
So knüpfen zwar auch die Straftatbestände des § 266a Abs. 2 Nr. 2
StGB und des § 356 StGB an das Merkmal „pflichtwidrig“ an. Diese Tatbestände enthalten aber jeweils den Täterkreis beschreibende Statusbegriffe, so dass
bereits der jeweilige Wortlaut („als Arbeitgeber“ bzw. „ein Anwalt oder anderer
Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten …. pflichtwidrig dient“) die Eigenschaft des tauglichen Täters be-
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schränkt. Beide Tatbestände knüpfen damit an ein besonderes Vertrauensverhältnis oder an besonders ausgestaltete Pflichtenstellungen an, die sich aus
der personalen Eigenschaft als „Arbeitgeber“ bzw. „als Anwalt“ ergeben. Demgegenüber erfordert die Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (pflichtwidriges
In-Unkenntnis-lassen bezogen auf steuerlich erhebliche Tatsachen) keine Anknüpfung an solche personenbezogenen Eigenschaften und Umstände. Die
Strafvorschrift des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwendet nicht die Formulierung
„wer als Steuerpflichtiger“ (vgl. § 33 Abs. 1 AO) und richtet sich deshalb auch
nicht allein an den Adressaten eines Steuergesetzes, also denjenigen, dem aus
einem Steuergesetz Rechte und Pflichten erwachsen (vgl. zum Begriff des
Steuerpflichtigen Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., § 33 Rn. 1).
(3) Auch aus der Struktur des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO insgesamt ergibt
sich keine Beschränkung des Täterkreises auf den Adressaten eines Steuergesetzes. Tatbestandsrelevant ist der Verstoß gegen die Handlungspflicht bei Taten nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zwar nur, wenn die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden. Hieraus folgt aber
lediglich, dass die Pflicht zur Erfolgsabwendung, gegen die der Unterlassende
verstößt, nur dann eine Strafbarkeit begründen kann, wenn sie auf eine Beseitigung der Unkenntnis des Finanzamtes gerichtet ist. Dem lässt sich aber nur
entnehmen, wie die im Interesse des geschützten Rechtsguts (Steueraufkommen) bestehende Pflichtenstellung näher ausgestaltet sein muss, nicht aber,
wer Träger der Pflicht ist.
(4) Ein Vergleich mit dem Bußgeldtatbestand des § 378 Abs. 1 AO zeigt,
dass auch das Steuerstraf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht Beschränkungen
des Täterkreises kennt. Bei dieser Vorschrift ist der Täterkreis eingeschränkt
auf Steuerpflichtige sowie Personen, „die bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichnete Tat leicht-
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fertig“ begeht. Eine derartige Begrenzung des Täterkreises enthält § 370 Abs. 1
Nr. 2 AO nicht.
(5) Auch der Schutzzweck der Norm gebietet keine Beschränkung auf
die Verletzung eigener steuerlicher Pflichten. Denn geschütztes Rechtsgut ist
bei allen Tatbeständen des § 370 AO das öffentliche Interesse des Staates am
vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart (vgl.
BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 und Beschluss
vom 22. November 2012 – 1 StR 537/12 [zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen] mwN). Alle Tatbestandsvarianten des § 370 Abs. 1 AO enthalten daher
auch einheitlich als Taterfolg die Verkürzung von Steuern sowie die Erlangung
nicht gerechtfertigter Steuervorteile für sich oder einen anderen.
dd) Schließlich trifft auch der Hinweis des Landgerichts zu, dass es zuweilen allein von der Ausgestaltung der steuerlichen Normen abhängt, ob eine
Tatbegehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder eine solche durch
Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) in Betracht kommt, was – etwa auch im
Bereich mittelbarer Täterschaft – erhebliche Auswirkungen auf die Strafbarkeit
von Tatbeteiligten haben kann.
ee) Der Senat erkennt ausdrücklich an, dass das Landgericht mit sorgfältiger Begründung gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Stellung bezogen und damit eine Änderung der Rechtsprechung angeregt hat.
Gleichwohl hält er an der Rechtsprechung fest, dass Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nur derjenige sein
kann, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders
verpflichtet ist. Denn der Wortlaut dieser Strafnorm lässt eine andere Auslegung nicht zu (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG). Nach Auffassung des Senats bezieht
sich das Merkmal „pflichtwidrig“ allein auf das Verhalten des Täters (bei dem es
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64- 21 –
sich indes nicht um den Steuerpflichtigen handeln muss), nicht allgemein auf
dasjenige irgendeines Tatbeteiligten. Damit kommt eine Zurechnung fremder
Pflichtverletzungen auch dann nicht in Betracht, wenn sonst nach allgemeinen
Grundsätzen Mittäterschaft vorliegen würde.
Anders wäre dies etwa, wenn der Gesetzgeber die Formulierung „wer
bewirkt, dass die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden“, gewählt hätte. Es bleibt daher dem
Gesetzgeber vorbehalten, etwaige Ungereimtheiten im Anwendungsbereich der
Tatbestände des § 370 Abs. 1 AO zu beseitigen. Im Übrigen kann ein Tatgericht den Umstand, dass eine nur als Gehilfe strafbare Person Tatherrschaft
hatte, im Rahmen des nach erfolgter Strafrahmenverschiebung gemäß § 27
Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB eröffneten Strafrahmens erheblich strafschärfend werten.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich die für eine Unterlassungsstrafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO somit erforderliche Erklä-
rungspflicht des Angeklagten nicht daraus, dass er als „Mitunternehmer“ gemäß
§ 2 UStG verpflichtet gewesen wäre, gemäß § 18 UStG die von den Einlieferern getätigten Umsätze anzumelden.
Dies gilt unabhängig von dem Umstand, dass das Landgericht mit dem
Begriff des Mitunternehmers einen im Umsatzsteuerrecht nicht gebräuchlichen
(vgl. BFH, Urteil vom 18. März 1988 – V R 178/83, DStR 1988, 516, 517) Begriff
des Einkommensteuergesetzes (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) verwendet hat.
Dabei kann auch dahinstehen, ob die Bande, der sich der Angeklagte zur Begehung von Steuerstraftaten angeschlossen hatte, aufgrund geschlossenen
Auftretens nach außen hin als eigenständiges Unternehmen im Sinne des § 2
UStG anzusehen sein könnte. Denn entgegen der Ansicht des Landgerichts
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waren jedenfalls bei den hier in Rede stehenden Goldverkäufen allein die
„Strohleute“ die Unternehmer, die in einer Leistungsbeziehung zu den Scheideanstalten standen, nicht die hinter den „Strohleuten“ stehende Bande. Die Einlieferer waren insoweit – obgleich „Strohleute“ – nicht als für die Leistungsbeziehungen bedeutungslose „Nichtunternehmer“ anzusehen. Damit scheidet die
vom Landgericht vorgenommene Zurechnung der von den Einlieferern getätigten Umsätze zur Bande als Leistungserbringerin aus.
aa) Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1
UStG). Vom Unternehmerbegriff des Umsatzsteuergesetzes werden zwar unabhängig von der Rechtsform Personen und Personenzusammenschlüsse aller
Art erfasst. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erbringt ein Zusammenschluss natürlicher Personen regelmäßig aber nur dann als selbständiger Unternehmer i.S.d. § 2 UStG Leistungen gegen Entgelt, wenn dem Leistungsempfänger diese Personenmehrheit als Schuldner der vereinbarten Leistung und Gläubiger des vereinbarten Entgelts gegenübersteht (vgl. BFH, Urteil
vom 16. August 2001 – V R 67/00, UR 2002, 213; BFH, Urteil vom 18. März
1988 – V R 178/83, DStR 1988, 516, 517). Maßgeblich ist somit, ob der Zusammenschluss natürlicher Personen als solcher nach außen durch die Erbringung von Umsätzen erkennbar am Wirtschaftsverkehr teilnimmt (vgl. Klenk in
Sölch/ Ringleb, UStG, 63. Lfg., § 2 Rn. 10 f.).
bb) Ob und inwieweit die Bande, der sich der Angeklagte angeschlossen
hatte, diese Voraussetzung erfüllte und sie damit als Unternehmerin im Sinne
des § 2 UStG tätig wurde, ist den Urteilsfeststellungen nicht eindeutig zu entnehmen.
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70- 23 –
Letztlich kann dies hier auch dahinstehen. Denn die sich aus der Unternehmerstellung ergebenden Erklärungspflichten eines Unternehmers im Sinne
des § 2 UStG beschränken sich auf diejenigen Umsätze, die seinem Unternehmen zuzuordnen sind. Dazu gehörten hier – für die Bande – die Goldlieferungen der Einlieferer an die Scheideanstalten nicht.
(1) Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich nach
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen (vgl. BFH, Urteil vom 16. August 2001 – V
R 67/00, UR 2002, 213; BFH, Urteil vom 26. Juni 2003 – V R 22/02, DStRE
2004, 153). Leistender ist damit in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst
ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem
Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich
davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen
Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (st. Rspr.; vgl. nur BFH, Urteil vom 12. Mai
2011 – V R 25/10, DStRE 2011, 1326 mwN). Dabei kann auch ein „Strohmann“
Unternehmer und Leistender im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein. Er ist
nicht deswegen unselbständig i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, weil er im Innenverhältnis den Weisungen des Auftraggebers verpflichtet ist (BFH, Urteil vom
26. Juni 2003 – V R 22/02, DStRE 2004, 153). Ohne Bedeutung für die Beurteilung der Leistungsbeziehungen im Verhältnis zu Dritten ist grundsätzlich, aus
welchen Gründen der „Hintermann“ gegenüber dem Vertragspartner des
„Strohmanns“ und Leistungsempfänger (einem Dritten), als Leistender nicht in
Erscheinung treten will (BFH aaO; zu den Leistungsbeziehungen zwischen
Stroh- und Hintermann vgl. auch BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 – V R 25/10,
DStRE 2011, 1326).
71- 24 –
(2) Unbeachtlich ist ein „vorgeschobenes“ Strohmanngeschäft allerdings
dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn beide Vertragsparteien einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die
Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem „Hintermann“ eintreten sollen (vgl.
§ 41 Abs. 2 AO; BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 – V R 25/10, DStRE 2011, 1326
unter II.1.c; BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 – V B 108/01, BFHE 198,
208 = BStBl II 2004, 622, unter II.4.c; BFH, Beschluss vom 17. Oktober 2003 V
B 111/02, BFH/NV 2004, 235; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 – 1 StR
520/02, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Täter 4 = wistra 2003, 344). Letzteres ist
insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass derjenige, mit dem (als „Strohmann“) oder in dessen
Namen das Rechtsgeschäft abgeschlossen wird, selbst keine eigene – ggf.
auch durch Subunternehmer auszuführende – Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will (vgl. BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 – V R 25/10,
DStRE 2011, 1326 unter II.1.c; BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 – V B
108/01, BFHE 198, 208; BFH, Urteil vom 12. August 2009 – XI R 48/07,
BFH/NV 2010, 259).
(3) So verhielt es sich nach den Feststellungen hier nicht. Da nicht die
Bande um den Angeklagten, sondern die Einlieferer gegenüber den Scheideanstalten auftraten und für letztere keine Anhaltspunkte bestanden, dass diese
Personen für eine hinter ihnen stehende Person oder Personenmehrheit handelten und nur als „Rechnungsschreiber“ oder „Gutschriftsempfänger“ tätig
wurden (vgl. BFH, Urteil vom 5. August 2010 – V R 13/09, BFH/NV 2011, 81
unter II.2.a.aa), waren die Einlieferer, auch soweit sie nur „Strohleute“ waren,
bei den Goldveräußerungen an die Scheideanstalten als die leistenden Unternehmer anzusehen.
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73- 25 –
Die Frage, ob die „Strohleute“ im Verhältnis zur Bande, von der sie das
Altgold erhielten, wegen ihres kollusiven Zusammenwirkens ohne handelstypisches Verhalten nicht als Unternehmer anzusehen waren (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 – 1 StR 24/10, BGHR UStG § 15 Abs. 1 Unternehmer 1; BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 – 5 StR 520/02, BGHR AO § 370
Abs. 1 Nr. 1 Täter 4 = wistra 2003, 344), ist insoweit ohne Bedeutung.
cc) Der Umstand, dass sowohl die gegenüber den Scheideanstalten
nicht auftretenden Bandenmitglieder als auch die „Strohleute“ von Anfang an
beabsichtigten, auf der Grundlage der Altgoldgeschäfte Umsatzsteuern zu hinterziehen, steht der Annahme steuerbarer und steuerpflichtiger Ausgangsumsätze (Lieferungen) der Einlieferer nicht entgegen (vgl. BFH, Urteil vom 5. August 2010 – V R 13/09, BFH/NV 2011, 81 unter II.2.a.bb mwN; zum Entstehen
einer anzumeldenden Steuerschuld gemäß § 14c Abs. 2 UStG, wenn der Einlieferer die Ausstellung einer unrichtigen Gutschrift veranlasst, vgl. BGH, Urteil
vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 14/11, NStZ 2012, 267, 268; vgl. auch Korn in
Bunjes, UStG, 11. Aufl., § 14c Rn. 5; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, 68. Lfg.,
§ 14c Rn. 152 f.).
c) Leistende Unternehmer und damit als Steuerpflichtige zur Abgabe von
Umsatzsteuervoranmeldungen für die Altgoldlieferungen an die Scheideanstalten verpflichtet waren somit die „Strohleute“ als Unternehmer und nicht der Angeklagte. Jedoch bestand daneben für den Angeklagten als Verfügungsberechtigten im Sinne von § 35 AO eine eigenständige Rechtspflicht, dafür Sorge zu
tragen, dass die umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten für die als „Strohleute“
eingesetzten Einlieferer erfüllt werden.
aa) Nach § 35 AO hat derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters
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77- 26 –
(§ 34 Abs. 1 AO), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Wer daher in diesem Sinne als Verfügungsberechtigter auftritt, hat unter der Voraussetzung, dass er dazu tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, wie der gesetzliche Vertreter nach § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten des Rechtsträgers
zu erfüllen (vgl. BFH, Urteil vom 24. April 1991 – I R 56/89, BFH/NV 1992, 76).
Zu den von ihm zu erfüllenden Pflichten gehört insbesondere die Abgabe von
Steuererklärungen (etwa von Umsatzsteuervoranmeldungen oder Umsatzsteuerjahreserklärungen, vgl. BFH, Urteil vom 5. August 2010 – V R 13/09, BFH/NV
2011, 81 sowie Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 6. Juni 2008
– 11 K 573/06, EFG 2009, 1610; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. November 1989
– 3 StR 249/89, BGHR AO § 35 Verfügungsberechtigter 2 sowie BGH, Urteil
vom 12. November 1986 – 3 StR 405/86, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 Mittäter
1) und die Entrichtung der Steuern aus den vorhandenen Mitteln.
(1) Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO ist jeder, der nach dem
Gesamtbild der Verhältnisse rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem
anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als solcher nach außen auftritt
(vgl. BFH, Urteil vom 5. August 2010 – V R 13/09, BFH/NV 2011, 81; BFH, Urteil vom 27. November 1990 – VII R 20/89, BStBl. II 1991, 284; Krömker in Lippross, Basiskommentar Steuerrecht, 65. Lfg., § 35 AO Rn. 2; Gmach, DStZ
2001, 341, 342; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 40. Lfg., § 370 AO
Rn. 118 ff.).
Nicht ausreichend ist eine rein tatsächliche Verfügungsmacht, etwa die
Möglichkeit, über (allein) wirtschaftlichen Druck auf die Verfügungen des Steuerpflichtigen Einfluss zu nehmen (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 16. März 1995
– VII R 38/94, BStBl. II 1995, 859 betreffend eine Bank; Mösbauer, DB 2005,
1816, 1819); vielmehr muss die Verfügungsmöglichkeit rechtlich eingeräumt
worden sein, sodass der Verfügungsberechtigte aufgrund bürgerlich-rechtlicher
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79- 27 –
Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam handeln kann (vgl. BFH, Urteil
vom 21. Februar 1989 – VII R 165/85, BStBl. II 1989, 491 unter II.1.; Jatzke in
Beermann/Gosch, 62. Lfg., § 35 AO Rn. 7). Entscheidend für die Pflichtenstellung des § 35 AO ist, dass der Verfügungsberechtigte durch die Übertragung
der rechtlichen Verfügungsbefugnis (in der Regel durch Rechtsgeschäft, vgl.
Schwarz, AO, 122. Lfg., § 35 AO Rn. 7) in die Lage versetzt worden ist, am
Rechtsverkehr wirksam teilzunehmen (vgl. Jatzke aaO Rn. 7).
Eine mittelbare rechtliche Verfügungsbefugnis genügt. Verfügungsberechtigt im Sinne des § 35 AO ist daher auch, wer aufgrund seiner Stellung die
Pflichten des gesetzlichen Vertreters erfüllen kann oder durch die Bestellung
entsprechender Organe erfüllen lassen kann (vgl. Boeker in Hübschmann/
Hepp/Spitaler (HHSp), AO, Lfg. 205, § 35 AO Rn. 8 mwN). Gleiches gilt für
denjenigen, der kraft eines Rechtsverhältnisses den Vertretenen steuern und
über seine Mittel verfügen kann (vgl. zu einem Treuhand- oder sonstigen Auftragsverhältnis: Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juni 2008 –
12 K 407/04, Rn. 87 ff. [juris], EFG 2008, 1434). Auch wenn ein Geschäftsherr
einem Dritten für einen bestimmten Geschäftsbereich völlig freie Hand lässt, so
kann dieser Dritte nach den Umständen des Einzelfalls für den Geschäftsbereich, den er übernommen hat, als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35
AO anzusehen sein (vgl. Schwarz aaO Rn. 7).
(2) Nur wer als Verfügungsberechtigter nach außen auftritt, kann Verfü-
gungsberechtigter im Sinne des § 35 AO sein (vgl. BFH, Beschluss vom
26. April 2010 – VII B 194/09, BFH/NV 2010, 1610 unter II.3.; BFH, Urteil vom
24. April 1991 – I R 56/89, BFH/NV 1992, 76). Auftreten bedeutet Teilnahme am
Wirtschafts- und Rechtsverkehr, die über die Beziehungen zum Rechtsinhaber
hinausgeht (vgl. BFH, Urteil vom 29. Oktober 1985 – VII R 186/82, BFH/NV
1986, 192 unter 1., noch zu § 108 RAO; Niedersächsisches Finanzgericht, Ur-
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81- 28 –
teil vom 9. Juli 1991 – XI 508/90, EFG 1992, 239; Boeker in HHSp, Lfg. 205,
§ 35 Rn. 10; Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., § 35 Rn. 7).
Keine Voraussetzung ist ein Auftreten gerade gegenüber den Finanzbehörden oder in steuerlichen Angelegenheiten (vgl. BFH, Urteil vom 27. November 1990 – VII R 20/89, BStBl. II 1991, 284; BFH, Urteil vom 21. Februar 1989
– VII R 165/85, BStBl. II 1989, 491 mwN; Niedersächsisches Finanzgericht aaO;
Gmach, DStZ 2001, 341, 342), vielmehr genügt, dass der Verfügungsberechtigte gegenüber irgendjemandem – nach außen – im Rechtsverkehr als solcher
aufgetreten ist (vgl. BFH, Urteil vom 29. Oktober 1985 – VII R 186/82, BFH/NV
1986, 192 unter 1.).
Das Auftreten muss auch nicht in einer Disposition über fremdes Vermö-
gen bestehen. Es reicht aus, wenn der Verfügungsberechtigte sich nach außen
so geriert, als könne er über fremdes Vermögen verfügen. Nimmt etwa ein faktischer Geschäftsführer oder „faktischer Leiter“ (vgl. BFH, Beschluss vom
10. Oktober 1994 – I B 228/93, BFH/NV 1995, 662) eines Unternehmens Geschäftsführungsaufgaben tatsächlich wahr, so reicht es aus, wenn er lediglich
gegenüber einer „begrenzten Öffentlichkeit“, etwa im Rahmen von Gesellschafterversammlungen, zu erkennen gibt, dass er als solcher über das Vermögen
verfügen kann, das Auftreten gegenüber der „allgemeinen Öffentlichkeit“ aber
weisungsabhängigen Personen überlässt (vgl. BFH, Urteil vom 5. August 2010
– V R 13/09, BFH/NV 2011, 81; BFH, Urteil vom 24. April 1991 – I R 56/89,
BFH/NV 1992, 76; vgl. auch BFH, Beschluss vom 9. Januar 2013
– VII B 67/12 sowie Merkt, AO-StB 2009, 81, 84). Hält sich der faktisch Leitende
selbst im Hintergrund und bedient er sich zur Ausübung seiner Verfügungsbefugnis der Unterstützung weisungsgebundener Personen, wird er nach § 35 AO
nur verpflichtet, wenn die Weisungsabhängigkeit auch nach außen – mithin
mindestens gegenüber einer „begrenzten Öffentlichkeit“ – erkennbar wird (BFH,
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83- 29 –
Beschluss vom 26. April 2010 – VII B 194/09, BFH/NV 2010, 1610 unter II.3
mwN; vgl. auch Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., § 35 Rn. 7). Diese Grundsätze
gelten für Einzelunternehmen entsprechend (vgl. BFH, Beschluss vom
11. Dezember 2007 – VII B 172/07, BFH/NV 2008, 748; zur faktischen Unternehmensbeherrschung bei Einzelunternehmen vgl. auch Köhler in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl. 2007,
Kap. 7, Rn. 274 sowie Bieneck in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 77 Rn. 20).
(3) Wer als Verfügungsberechtigter auftritt, hat die steuerlichen Pflichten
eines gesetzlichen Vertreters nur in dem Umfang zu erfüllen, wie er dies tatsächlich und rechtlich kann (§ 35 AO 2. Halbsatz). Mit Blick auf die ansonsten
weitgehende Bedeutungslosigkeit der Vorschrift des § 35 AO gegenüber dem
bereits über § 34 Abs. 1 AO unmittelbar erfassten Personenkreis ist aber nicht
erforderlich, dass der Verfügungsberechtigte unmittelbar rechtlich zur Pflichtenerfüllung in der Lage ist, mittelbares Können genügt daher (vgl. BFH, Urteil vom
16. März 1995 – VII R 38/94, BFHE 177, 209, BStBl. II 1995, 859 unter 3.a.;
BFH, Urteil vom 7. April 1992 – VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213; BFH, Urteil
vom 27. November 1990 – VII R 20/89, BFHE 163, 106, BStBl. II 1991, 284).
Steuerliche Pflichten sind daher auch dann rechtlich und tatsächlich erfüllbar, wenn zwar keine unmittelbare Vertretungsbefugnis besteht, die rechtliche Stellung jedoch eine verbindliche Weisung an den Vertretenen ermöglicht
(Koenig in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl., § 35 Rn. 14). Aber auch derjenige, der
kraft eines Vertragsverhältnisses den Steuerpflichtigen steuern und deshalb
über dessen Mittel verfügen kann, kann im Einzelfall tatsächlich und rechtlich in
der Lage sein, die steuerlichen Pflichten eines gesetzlichen Vertreters zu erfüllen (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juni 2008 – 12 K
407/04, Rn. 87 ff. [juris], EFG 2008, 1434).
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85- 30 –
bb) Gemessen an diesen Maßstäben war der Angeklagte Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO. Er kam seiner sich hieraus ergebenden Verpflichtung, für die als „Strohleute“ tätigen Einlieferer die Goldverkäufe umfassende Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben, nicht nach, obwohl er hierzu
tatsächlich und rechtlich zumindest mittelbar in der Lage war.
(1) Die Einlieferer traten zwar gegenüber den Scheideanstalten selbst
nach außen auf. Im Verhältnis zu den führenden Bandenmitgliedern – also auch
zum Angeklagten – waren sie jedoch bei den Goldgeschäften als abhängige
und unselbständige „Strohleute“ eingebunden und hatten sämtliche Geschäftsabläufe wirtschaftlich aus der Hand gegeben (vgl. zur faktischen Führung von
Strohmannfirmen vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – 5 StR 407/12,
NJW 2013, 624). Die Goldgeschäfte waren ihnen nicht nur hinsichtlich Zeit und
Umfang vorgegeben; auch mussten sie den ihnen überwiesenen Kaufpreis
nach fest vorgegebenen Abläufen abheben und gegen eine Provision, die
ebenfalls nach festen Kriterien bestimmt war, aushändigen. Ihr Verhalten gegenüber den Finanzbehörden wurde dirigiert, indem ihnen entweder entsprechende „Buchhaltung“ (Abdeckrechnungen) ausgehändigt wurde oder sie mit
gefälschten Papieren ausgestattet wurden, die ein Auftreten gegenüber dem
Finanzamt von vornherein entbehrlich machten. Die zu einer Begleichung der
Umsatzsteuerschuld (Belieferung der Goldscheideanstalten) notwendigen und
zunächst auch vorhandenen Mittel, die ihnen ein steuerehrliches Verhalten ermöglicht hätten, wurden ihnen nach den ihnen vorgegebenen Geschäftsabläufen entzogen. Damit ließen die Einlieferer dem Angeklagten sowie den weiteren
„führenden“ Mitgliedern der Bande insgesamt völlig freie Hand.
Die hieraus resultierende Leitungsmacht des Angeklagten wird besonders deutlich in den Fällen, in denen der Angeklagte selbst die Einlieferer zum
Zwecke des Goldhandels anwarb, ihnen gefälschte Papiere besorgte und ihnen
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Anweisungen zur Erledigung notwendiger Formalitäten erteilte. Aber auch soweit anstelle des Angeklagten die weiteren führenden Mitglieder der Bande bei
der Einflussnahme auf die „Strohleute“ mitwirkten, gilt im Ergebnis nichts anderes. Sie handelten auf der Grundlage einer gemeinsamen Absprache, die basierend auf dem „bewährten Geschäftsmodell“ eine intern arbeitsteilige Vorgehensweise vorsah. Einschränkungen der Befugnisse des Angeklagten waren
damit aber nicht verbunden.
Jedenfalls gegenüber den Einlieferern und den weiteren führenden Bandenmitgliedern, also gegenüber einer „begrenzten Öffentlichkeit“ trat der Angeklagte als einer der faktischen „Leiter“ der Unternehmen der Einlieferer auf.
Soweit der Angeklagte den Einlieferern gefälschte Papiere verschafft hatte und
sie bei der Erledigung der erforderlichen Formalitäten begleitete, trat er zudem
gegenüber der „allgemeinen Öffentlichkeit“ auf. Als der Angeklagte etwa in Begleitung von Einlieferern bei einer Steuerberaterin, der Zeugin L. , erschien,
trat der Angeklagte, so deren Wahrnehmung, als derjenige auf, der „die Geschäfte gemacht“ hat (UA S. 115). Demgegenüber beschränkte sich das Handeln der Einlieferer auf die Einlieferung des Goldes bei den Scheideanstalten
sowie auf Treffen mit dem Angeklagten oder anderen führenden Bandenmitgliedern, um dabei Geld und Gutschriften auszuhändigen oder Abdeckrechnungen sowie Gold entgegenzunehmen.
Der Angeklagte war auch in der Lage, zumindest mittelbar über die jeweiligen Einlieferer und die weiteren führenden Bandenmitglieder, der Verpflichtung zur Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen nachzukommen.
Denn er hatte Zugriff auf die Gutschriften der Goldscheideanstalten, anhand
deren die Umsatzsteuervoranmeldungen hätten erstellt werden können. Zudem
war er nach der getroffenen Bandenabrede auch für die „Logistik“ und damit für
die Erstellung der Abdeckrechnungen anhand der Gutschriften verantwortlich.
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90- 32 –
Damit trafen ihn als Verfügungsberechtigten im Sinne des § 35 AO die Pflichten
eines gesetzlichen Vertreters.
(2) Für die Fälle 20 bis 22 und 29 der Urteilsgründe gilt nichts Abweichendes. Zwar haben die Einlieferer Y. und D. in diesen Fällen aus
Nachlässigkeit oder sonstigen Gründen abredewidrig statt unrichtiger Voranmeldungen überhaupt keine Erklärungen abgegeben. Dies beseitigte aber nicht
die auch in diesen Fällen bestehende, sich aus der „arbeitnehmerähnlichen
Stellung“ dieser „Strohleute“ ergebende Verfügungsbefugnis des Angeklagten
i.S.v. § 35 AO.
(3) Damit traf den Angeklagten in den Fällen 20 bis 22 sowie 27 bis 29
der Urteilsgründe neben den anderen führenden Bandenmitgliedern Ba.
und Gl. eine sich aus § 35 AO ergebende Pflicht, für die Unternehmen der
als „Strohleute“ tätigen Einlieferer Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben.
Dieser Pflicht sind sie gemeinschaftlich (vgl. hierzu allgemein Weigend in LKStGB, 12. Aufl., § 13 Rn. 82 mwN) nicht nachgekommen und haben sich daher
– wie vom Landgericht ausgeurteilt – wegen in Mittäterschaft begangener Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2
StGB strafbar gemacht.
4. Fallgruppe I.2.b (Fälle 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe)
Im Gegensatz zur Fallgruppe I.2.a hält der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen in den Fällen der Fallgruppe I.2.b (Fälle 19
sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe) rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn in
diesen Fällen traf den Angeklagten keine Offenbarungspflicht für die von den
als Einlieferern tätigen Bandenmitgliedern G. und Gl. mit den
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94- 33 –
Scheideanstalten getätigten Umsätze. Der Senat stellt jedoch den Schuldspruch auf Beihilfe (§ 27 StGB) um.
a) Gegenüber den Scheideanstalten wurden hier allein die führenden
Bandenmitglieder G. und Gl. , die insoweit als Einlieferer auftraten,
als Unternehmer i.S.v. § 2 UStG tätig, nicht die hinter diesen stehende Bande.
Der Angeklagte war daher auch nicht als Bandenmitglied zur Offenbarung dieser Umsätze gegenüber den Finanzbehörden verpflichtet.
b) Auch aus § 35 AO traf den Angeklagten nicht die Pflicht, für die als
Einzelunternehmer tätigen G. und Gl. die steuerlichen Pflichten
wahrzunehmen. Denn anders als die übrigen Einlieferer („Strohleute“) waren
die Bandenmitglieder G. und Gl. nicht lediglich völlig weisungsabhängige „Strohleute“, sondern nahmen ebenfalls Führungspositionen innerhalb
der Bande ein. Dementsprechend ermöglichten es die internen Absprachen
dem Angeklagten weder, in den Geschäftsablauf von G. oder Gl. als
Einlieferer aktiv einzugreifen noch deren Geschäfte „treuhänderisch“ zu führen.
Der Angeklagte hatte daher gegenüber diesen Personen keine Stellung inne,
die ihn hinsichtlich deren Einzelunternehmen als Verfügungsberechtigten i.S.v.
§ 35 AO qualifizieren würde.
c) Sonstige Offenbarungspflichten gegenüber den Finanzbehörden sind
nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Angeklagte hier jedenfalls wegen der
Besonderheiten des Besteuerungsverfahrens im Umsatzsteuerrecht (§ 18
UStG, § 168 AO) auch keine Offenbarungspflichten aus einer sich etwa aus
dem von der Bande betriebenen Hinterziehungssystem ergebenden Garantenstellung (Ingerenz) verletzt.
d) Der Senat kann den Schuldspruch jedoch auf Beihilfe (§ 27 StGB), die
von den Feststellungen getragen wird, abändern. Er schließt aus, dass sich der
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98- 34 –
Angeklagte gegen diesen Vorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können.
III.
Die Schuldspruchänderung von Steuerhinterziehung auf Beihilfe zur
Steuerhinterziehung in Fallgruppe I.2.b (Fälle 19 sowie 23 bis 26 der Urteilsgründe) zieht die Aufhebung der Einzelstrafen in diesen Fällen sowie des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Im Übrigen ist die Strafzumessung rechtsfehlerfrei.
IV.
Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier allein vorliegenden Subsumtionsfehler nicht. Das neue Tatgericht darf allerdings weitere
Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehen.
Nack Rothfuß Graf
Jäger Radtke
99
100