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Einheitsbewertung bei Pferdezucht mit Spitzen-Deckhengst

Einheitsbewertung bei Pferdezucht mit Spitzen-Deckhengst

Kernaussage
Die Beteiligten eines bei Finanzgericht Münster anhängigen Rechtsstreits stritten darüber, ob im Rahmen der Feststellung des Einheitswertes für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft ein gesonderter Ertragswert für die Deckhengsthaltung anzusetzen ist. Das Finanzgericht (FG) ist der Auffassung, allein die Tatsache, dass in einem Pferdezuchtbetrieb ein Deckhengst gehalten werde, dessen Samen erfolgreich über eine fremde Deckstation vermarktet würden, sei kein Anlass, die Deckhengsthaltung neben der Pferdezucht als landwirtschaftlicher Nutzung der sonstigen landwirtschaftlichen Nutzung zuzuordnen und dafür einen höheren Ertragswert festzustellen.

Sachverhalt
Die Klägerin betreibt auf eigenen und zugepachteten Flächen mit eigenen Stuten eine Pferdezucht. Für die Zucht werden 2 eigene Deckhengste gehalten, deren Samen über den eigenbetrieblichen Bedarf hinaus über eine fremde Deckstation vermarktet wird. Aufgrund dieser Gegebenheiten stellte das Finanzamt den Einheitswert für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft fest und erfasste dabei die Erträge aus der Deckhengsthaltung gesondert in Form eines Einzelertragswerts. Als Folge dieser höheren Bewertung entfielen für die Klägerin die Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen. Dem Antrag auf fehlerberichtigende Wertfortschreibung des Einheitswertes folgte das Finanzamt nicht.

Entscheidung
Zur landwirtschaftlichen Nutzung gehört auch die Tierhaltung (hier: Pferdehaltung und Pferdezucht), wenn sie auf einer ausreichenden Futtergrundlage erfolgt. Da die Voraussetzungen vorliegen, besteht bereits aus systematischen Gründen kein Raum die Deckhengsthaltung als sonstige land- und forstwirtschaftliche Nutzung einzuordnen. Auch gehört die Deckhengsthaltung mit dem Ziel der Samengewinnung sowohl für die eigenen Zuchtstuten als auch für die Vermarktung bei fremden Muttertieren nicht zum Katalogbestand des § 62 BewG. Die Tatsache, dass der Katalog des § 62 BewG nach Verwaltungs- und Literaturauffassung nicht abschließend ist und z. B. Besamungsstationen als sonstige landwirtschaftliche Nutzung gemäß § 62 Abs. 1 BewG zu erfassen sind, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn eine Besamungsstation ist im Betrieb der Klägerin unstreitig nicht vorhanden.

Konsequenz
Allein die Tatsache, dass im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung ein besonders erfolgreiches Zuchttier gehalten wird, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme einer sonstigen landwirtschaftlichen Nutzung.

Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung

An die Finanzämter 13-25, 31-36
Nachrichtlich:
An die übrigen Finanzämter
F
III D – S 3304 – 3/2010
4077
11.01.2012
0
Runderlass
zur EW-Nr. 35, zur EW-Beitrittsgebiet-Nr. 32
(Korrigierte Fassung)

BFH-Urteile vom 30.06.2010 – II R 60/08 und II R 12/09,
Verfassungsbeschwerde 2 BvR 287/11

Behandlung von Einsprüchen und Anträgen, die sich auf die o.g. Verfahren beziehen
Behandlung von Einsprüchen und Anträgen, die sich auf das beim Bundesverfassungsgericht
zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung anhängige
Verfahren 2 BvR 287/11 beziehen

Auf Grund der aktuellen Berichterstattung in diversen Medien haben viele Grundstückseigentümer
wegen des o.g. beim Bundesverfassungsgericht zur Frage der Verfassungsmäßigkeit
der Grundsteuer anhängigen Verfahrens noch bis zum Jahresende
2011 Einsprüche gegen die Grundsteuerfestsetzung eingelegt bzw. Anträge auf
Aufhebung des Einheitswertbescheids gestellt.

Ich bitte, in den betreffenden Fällen – abweichend zur Verfahrensregelung im Runderlass
EW-Nr. 35, EW-Beitrittsgebiet-Nr. 32 vom 04.01.2011 – wie folgt zu verfahren:

1. Verspätete und damit unzulässige Einsprüche gegen den Einheitswert oder die
Grundsteuerfestsetzung sind im Interesse des Steuerpflichtigen nach § 357 Abs. 1 AO
umzudeuten in Anträge auf Aufhebung des Einheitswerts (§ 22 Abs. 3 BewG).

2. Bei unzureichender oder fehlender Bezeichnung des Stichtags ist als solcher der
01.01.2011 anzunehmen, sofern der Einspruch bzw. Antrag bis 31.12.2011 beim Finanzamt
eingegangen ist. Bei Eingangsdaten ab 01.01.2012 ist ein entsprechend
späterer Stichtag anzunehmen (01.01.2012 ff.).

3. Die (ggf. als solche umgedeuteten) Anträge auf Aufhebung des Einheitswerts sind
nicht in die Rechtsbehelfsliste einzutragen. Vielmehr erfolgt eine Erfassung über die
Bewertungsregistratur (BEW-Reg). Ich bitte, die Eintragungen wie folgt vorzunehmen:
a) Fallart = 1 (EW 1964) und Verfahrensart = 105 (Aufhebung EW) bzw.
b) Fallart = 2 (EW 1935) und Verfahrensart = 105 (Aufhebung EW).

4. Die Anträge auf Aufhebung des Einheitswerts nach § 22 Abs. 3 BewG sind als unbegründet
abzulehnen und mit Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen, da nach dem
derzeitigen Verfahrensstand keine Aussicht auf Erfolg besteht. Ich bitte außerdem, die
Anträge auf Änderung oder Aufhebung des Einheitswerts, deren Bearbeitung gemäß
Tz. 4 des Runderlasses EW-Nr. 35, EW-Beitrittsgebiet-Nr. 32 vom 04.01.2011 mit Zustimmung
des Grundstückseigentümers zunächst zurückgestellt wurde, ebenfalls als
unbegründet abzulehnen.

Für die Ablehnung der o.g. Anträge ist folgende Begründung heranzuziehen:
„Soweit mit dem Antrag verfolgt wird, eine Änderung bzw. Aufhebung der bestehenden
Einheitsbewertung durchzusetzen, kann dies nicht unter Bezugnahme auf die
BFH-Urteile vom 30.06.2010 (Az. II R 60/08 und II R 12/09) oder die beim Bundesverfassungsgericht
anhängige Verfassungsbeschwerde (2 BvR 287/11) begründet werden.
Der Bundesfinanzhof hat in seinen Urteilen entschieden, dass die Vorschriften über
die Einheitsbewertung des Grundvermögens jedenfalls für Stichtage bis zum
01.01.2007 noch verfassungsgemäß sind. Zwar befasst sich das Bundesverfassungsgericht
in dem Verfahren 2 BvR 287/11 mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der
Grundsteuer, insbesondere mit der Verfassungsmäßigkeit des Bewertungsgesetzes
auch für die späteren Stichtage. Das Bewertungsgesetz als Rechtsgrundlage für die
Einheitsbewertung des Grundbesitzes und das Grundsteuergesetz als Rechtsgrundlage
für die daran anschließende Festsetzung und Erhebung der Grundsteuer bleiben
jedoch insgesamt rechtswirksam, solange keine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht
vorliegt, dass die Normen nicht verfassungsgemäß sind.

Es ist daher nicht möglich, allein aus den o.g. BFH-Entscheidungen oder der Anhängigkeit
der Verfassungsbeschwerde die Verfassungswidrigkeit der geltenden Einheitsbewertung
und der davon abhängigen Grundsteuer abzuleiten. Das Finanzamt ist insofern
an das geltende Recht gebunden.

Auch im Fall eines zur Verfassungswidrigkeit führenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts
ist eine rückwirkende Änderung nicht zu erwarten.“
Eine Vorlage mit der oben dargestellten Musterentscheidung zur einheitlichen Verwendung
in den betreffenden Fällen wird zusätzlich per E-Mail übersandt.

5. Sofern Einsprüche gegen die Ablehnungsbescheide ergehen, sind diese in die
Rechtsbehelfsliste einzutragen und mit einem entsprechenden Hinweis zu kennzeichnen.
In diesen Fällen ruht das Verfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO bis zur Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 2 BvR 287/11.