Sind Nachforderungszinsen verfassungsmäßig?
Der gesetzliche Zinssatz für Steuernachforderungen beträgt 0,5 % pro Monat, das sind 6 % pro Jahr. Auch wenn man von einer solchen Verzinsung bei seinem Bankkonto derzeit nur träumen kann, verstößt die Verzinsung weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen das Übermaßverbot.
Hintergrund
X erwartete eine Einkommensteuer-Nachzahlung von 300.000 EUR. Diesen Betrag hielt er auf einem gesonderten Bankkonto bereit. Im Hinblick auf die drohende Nachzahlung erbrachte X eine freiwilligte Zahlung von 366.400 EUR an das Finanzamt. Letztendlich ergab sich ein Nachforderungsbetrag von 390.000 EUR, für den das Finanzamt unter Berücksichtigung der freiwilligen Zahlungen Zinsen von 0,5 % monatlich, insgesamt rund 11.000 EUR festsetzte. Mit seinem Antrag, den Zinsbescheid aufzuheben oder hilfsweise auch die restlichen Zinsen zu erlassen, hatte X weder beim Finanzamt noch beim Finanzgericht Erfolg.
Entscheidung
Auch der Bundesfinanzhof hielt die gesetzlich angeordnete Zinspflicht und die festgelegte Zinshöhe für verfassungsgemäß und wies deshalb die Revision als unbegründet zurück.
Die Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zwar jeweils spätestens zum Jahresende entstehen, aber zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig werden. Die Vollverzinsung dient der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, weil sie die Unterschiede in der Steuererhebung ausgleicht, die zwischen Lohnsteuer-Zahlern und veranlagten Einkommensteuer-Pflichtigen bestehen.
Darüber hinaus wirkt die Vollverzinsung gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen. Dies spricht gegen eine Gleichheitswidrigkeit der Zinsbelastung einzelner Steuerpflichtiger durch Nachzahlungszinsen.
Die Regelung greift grundsätzlich unabhängig davon, aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen ist und ob und inwiefern tatsächlich die Liquiditätsvorteile genutzt wurden. Es ist daher unerheblich, dass X aufgrund der Bereitstellung des erwarteten Nachzahlungsbetrags auf einem gesonderten Bankkonto tatsächlich keinen oder nur einen geringen Zinsvorteil erlangt hat.
Auf der Grundlage der Daten der Deutschen Bundesbank untersuchte der Bundesfinanzhof die Zinssätze für verschiedene kurz- und langfristige Einlagen und Kredite. Hierbei ergaben sich für das Streitjahr Zinssätze in einer Bandbreite von 0,15 % bis 14,70 %. Der gesetzliche Zinssatz hatte damit die Bandbreite realitätsnaher Referenzwerte nicht verlassen.
Das Finanzamt war deshalb nicht wegen eines ihm zurechenbaren Fehlverhaltens zu einem weitergehenden Erlass der Nachzahlungszinsen verpflichtet.