Schenkungsteuer: Gesetzeslücke ermöglichte steuerfreie Wertverschiebungen bis zur Einführung des § 7 Abs. 9 ErbStG

Hintergrund zur Schenkungsteuer und disquotalen Einlagen

Bis zur Einführung des § 7 Abs. 9 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) am 28. März 2024 bestand eine Gesetzeslücke, die steuerfreie Wertverschiebungen ermöglichte. Dies betraf insbesondere disquotale Einlagen in die Kapitalrücklage von Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA).

Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat in seinem Urteil vom 11. Juli 2023 (Az. 3 K 188/21) entschieden, dass eine disquotale Einlage in die Kapitalrücklage einer KGaA keine Schenkung an den persönlich haftenden Gesellschafter (phG) darstellt. Diese Entscheidung wurde in einem weiteren Urteil vom 15. Oktober 2024 (Az. 3 K 134/22) bestätigt, wobei die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist (Az. II R 32/24).

Worum ging es in dem Streitfall?

Der Fall drehte sich um die Frage, ob eine disquotale Einlage in die ungebundene Kapitalrücklage einer KGaA als schenkungsteuerpflichtiger Vorgang gewertet werden kann. Eine disquotale Einlage bedeutet, dass Gesellschafter in unterschiedlichem Maße Kapital einlegen, wodurch sich die Wertverhältnisse der Beteiligungen verschieben. Das FG Hamburg entschied jedoch, dass diese Art der Einlage weder den Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG noch des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt.

Einfluss der neuen Vorschrift § 7 Abs. 9 ErbStG

Mit dem Wachstumschancengesetz vom 27. März 2024 wurde der § 7 Abs. 9 ErbStG eingeführt. Diese Norm regelt, dass als Schenkung auch die Werterhöhung der Beteiligung eines phG gilt, wenn diese durch eine Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft entsteht. Die Vorschrift soll verhindern, dass Vermögensverschiebungen ohne steuerliche Folgen erfolgen.

Keine rückwirkende Anwendung

Das FG Hamburg stellte klar, dass § 7 Abs. 9 ErbStG nicht rückwirkend anwendbar ist. Das bedeutet, dass die Norm nur auf Sachverhalte Anwendung findet, die nach dem 28. März 2024 verwirklicht wurden. Eine rückwirkende Anwendung der neuen Vorschrift ist im Gesetz nicht vorgesehen und wurde auch in der Gesetzesbegründung explizit ausgeschlossen.

Relevanz für die Praxis

Die Entscheidung des FG Hamburg und die Einführung des § 7 Abs. 9 ErbStG verdeutlichen, dass der Gesetzgeber auf bestehende Gestaltungsspielräume reagiert hat. Bis zum Inkrafttreten der neuen Norm konnten disquotale Einlagen in KGaAs steuerfrei erfolgen, da weder der Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG noch des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt war.

Ausblick und Bedeutung der Revision

Da der Fall nun beim BFH anhängig ist, bleibt abzuwarten, ob das höchste deutsche Finanzgericht die Entscheidung des FG Hamburg bestätigt oder zu einer anderen Auslegung kommt. Unabhängig davon zeigt sich, dass die steuerliche Behandlung von Einlagen in KGaAs eine erhebliche Bedeutung für die Unternehmens- und Nachfolgeplanung hat.

Für Steuerpflichtige, die sich mit disquotalen Einlagen oder der Gestaltung von Kapitalrücklagen beschäftigen, ist es ratsam, die Entwicklungen in der Rechtsprechung aufmerksam zu verfolgen und gegebenenfalls steuerliche Beratung in Anspruch zu nehmen.