Korrektur bestandskräftiger Bescheide nach Außenprüfung bei Einnahmenüberschussrechnung

Zusammenfassung des Urteils BFH vom 06. Mai 2024, III R 14/22

Korrektur bestandskräftiger Bescheide nach Außenprüfung


ECLI:DE:BFH:2024.060524.IIIR14.22.0

BFH III. Senat

AO § 143, AO § 158, AO § 162 Abs 1, AO § 162 Abs 2, AO § 173 Abs 1 Nr 1, EStG § 4 Abs 3, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014


Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied am 06. Mai 2024, dass die Art und Weise, wie ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, seine Aufzeichnungen führt, eine Tatsache darstellt, die zur Korrektur eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids führen kann, wenn sie dem Finanzamt (FA) nachträglich bekannt wird.

Hintergrund: Der Kläger, ein Einzelhändler, ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) und führte seine Aufzeichnungen elektronisch. Eine Außenprüfung beanstandete die formelle Mangelhaftigkeit seiner Aufzeichnungen, was zu einer Hinzuschätzung durch das FA führte. Das FA änderte daraufhin die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide der Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, da nachträglich steuererhöhende Tatsachen bekannt geworden seien.

Urteil: Der BFH bestätigte, dass die Art und Weise der Aufzeichnungen eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellt. Dies gilt sowohl für Wareneingänge (§ 143 AO) als auch für andere Aufzeichnungen und Belege, selbst wenn § 4 Abs. 3 EStG keine förmliche Aufzeichnungspflicht vorschreibt. Die Rechtserheblichkeit dieser Tatsachen ist gegeben, wenn das FA bei vollständiger Kenntnis dieser Tatsachen bereits bei der ursprünglichen Veranlagung zur Schätzung befugt gewesen wäre.

Weiteres Verfahren: Der BFH hob das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurück. Das Finanzgericht muss prüfen, ob die Aufzeichnungen des Klägers solche Mängel aufweisen, die eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen rechtfertigen.


Leitsätze:

  • Die Art und Weise der Aufzeichnungen eines Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, ist eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.
  • Dies gilt für Aufzeichnungen über den Wareneingang (§ 143 AO) ebenso wie für sonstige Aufzeichnungen und Belege.

Tenor:

  • Aufhebung des Urteils des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 21.08.2020 – 3 K 208/18.
  • Zurückverweisung der Sache an das Niedersächsische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
  • Entscheidung über die Kosten des Verfahrens wird dem Finanzgericht übertragen.

Tatbestand:

  • Streitpunkt war die Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014 aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen.
  • Der Kläger wurde als Einzelunternehmer veranlagt und nutzte eine elektronische Kasse, deren Aufzeichnungen während einer Außenprüfung als formell mangelhaft bewertet wurden.

Entscheidungsgründe:

  • Der BFH betonte, dass auch formelle Mängel der Aufzeichnungen zur Schätzungsbefugnis des FA führen können.
  • Das Finanzgericht muss nun prüfen, ob die Mängel in den Aufzeichnungen des Klägers die Hinzuschätzung rechtfertigen.

Quelle: Bundesfinanzhof

BFH, Pressemitteilung Nr. 30/24 vom 04.07.2024 zum Urteil III R 14/22 vom 06.05.2024

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 06.05.2024 – III R 14/22 – entschieden, dass die Art und Weise, in der ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, seine Aufzeichnungen geführt hat, eine Tatsache ist, die – wird sie dem Finanzamt (FA) nachträglich bekannt – zur Korrektur eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids führen kann.

Der Kläger war als Einzelhändler tätig und ermittelte seinen Gewinn im Wege der Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). Das FA veranlagte ihn zunächst erklärungsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Eine spätere Außenprüfung beanstandete die Aufzeichnungen des Klägers als formell mangelhaft und führte zu einer Hinzuschätzung. Das FA änderte daraufhin die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide der Streitjahre. Dies sei auch verfahrensrechtlich zulässig, da im Rahmen der Außenprüfung nachträglich steuererhöhende Tatsachen bekannt geworden seien (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO).

Dem folgte der BFH im Grundsatz. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lasse eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide nicht nur dann zu, wenn sicher feststehe, dass der Steuerpflichtige Betriebseinnahmen nicht aufgezeichnet habe. Auch die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt habe, sei eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Dies gelte für Aufzeichnungen über den Wareneingang (§ 143 AO) ebenso wie für sonstige Aufzeichnungen oder die übrige Belegsammlung eines Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittle, auch wenn § 4 Abs. 3 EStG keine Verpflichtung zur förmlichen Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben vorsehe.

Darüber, ob im Streitfall eine Änderung der bestandskräftigen Steuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig war, konnte der BFH allerdings – mangels hinreichender Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zur Rechtserheblichkeit – nicht abschließend entscheiden. Die Tatsache, ob und wie der Steuerpflichtige seine Bareinnahmen aufgezeichnet habe sei rechtserheblich, wenn das FA bei deren vollständiger Kenntnis bereits im Zeitpunkt der Veranlagung zur Schätzung befugt gewesen wäre und deswegen eine höhere Steuer festgesetzt hätte. Da eine Schätzungsbefugnis des FA in bestimmten Fällen auch bei (lediglich) formellen Mängeln der Aufzeichnungen über Bareinnahmen bestehe, müsse das FG im zweiten Rechtsgang prüfen, ob die Unterlagen des Klägers Mängel aufwiesen, die zur Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen führen.

Quelle: Bundesfinanzhof