In seinem Urteil vom 28. Mai 2020 (Az. 1 K 67/17) hat der 1. Senat des Finanzgerichts Schleswig-Holstein entschieden, dass in den Fällen, in denen eine Gesellschaft, die selbst keine Kredite aufgenommen hat, ihrem Gesellschafter ein nicht angemessen verzinstes Darlehen – im Streitfall über ein Gesellschafterverrechnungskonto gebuchte, an den Gesellschafter ausgereichte oder für diesen verauslagte Beträge – gewährt, der im Einzelfall als angemessen anzusehende Zinssatz (im Sinne einer verhinderten Vermögensmehrung) innerhalb einer Marge zu schätzen ist, deren Untergrenze die banküblichen Habenzinsen und deren Obergrenze die banküblichen Sollzinsen bilden.
Damit vermochte das Finanzgericht der Argumentation der klagenden Gesellschaft nicht zu folgen, die geltend gemacht hatte, dass es ihr angesichts des allgemein niedrigen Zinsniveaus nicht möglich gewesen wäre, das Kapital anderweitig ertragbringend anzulegen, sodass auch angesichts der zinslosen Überlassung der Mittel an den Gesellschafter nicht von entgangenen Einnahmen ausgegangen werden könne.
Das Finanzgericht stellt in seinem Urteil zunächst klar, dass die Nichtverzinsung von Forderungen einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem (beherrschenden) Gesellschafter dem Grunde nach eine vGA in Gestalt einer verhinderten Vermögensmehrung auf der Ebene der Gesellschaft darstelle (was die Klägerin, bezogen auf den konkreten Fall, ebenfalls bestritten hatte). Da die Klägerin im Entscheidungsfall die Mittel, die sie an/für ihren Gesellschafter ausgereicht hatte, nicht refinanziert habe, bestimme sich die vGA der Höhe nach danach, welche Zinsen die Klägerin hätte erzielen können, wenn sie die Mittel auf der Grundlage eines hypothetischen Kreditverhältnisses an/für einen fremden Dritten ausgereicht hätte. Der hypothetische Zinssatz sei regelmäßig anhand einer Schätzung zu ermitteln, weil es – wie auch im vorliegenden Fall – an geeigneten vergleichbaren Geschäften fehle, die eine Bestimmung des (Fremd-)Vergleichszinssatzes ermöglichten. Ausgangspunkt dieser Schätzung seien die – ggf. jeweils im Wege einer Bandbreitenbetrachtung zu ermittelnden – banküblichen Habenzinsen als Untergrenze und die banküblichen Sollzinsen als Obergrenze der verhinderten Vermögensmehrung. Fehle es auch insoweit an geeigneten Vergleichsdaten, dann könne auf die statistischen Werte der Bundesbank zurückgegriffen werden. Seien Unter- und Obergrenze des zu findenden Zinssatzes bestimmt, so sei der im konkreten Einzelfall anzusetzende Zinssatz im Rahmen der sich ergebenden Marge zu finden. Der Ansatz der Sollzinsen als maßgeblicher (Fremdvergleichs-)Zinssatz sei in der Regel allerdings jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesellschaft keine Bankgeschäfte betreibe und deshalb auch nicht den damit verbundenen Aufwand habe. Allein darauf abzustellen, in welcher Höhe die Gesellschaft auf die Erzielung möglicher Guthabenzinsen verzichtet habe, komme nicht in Betracht. Vielmehr sei im Rahmen der gefundenen Marge wiederum eine Schätzung erforderlich, bei der dem – ebenfalls für den konkreten Einzelfall zu bestimmenden – Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden könne, besondere Bedeutung zukomme. Seien keine anderen Anhaltspunkte für diese Schätzung erkennbar, dann sei es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen werde, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilten.
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Das Verfahren wird beim BFH unter dem Az. I R 27/20 geführt.
Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 29.01.2021 zum Urteil 1 K 67/17 vom 28.05.2020 (nrkr – BFH-Az.: I R 27/20)