Grundsteuer: BFH gewährt vorläufigen Rechtsschutz (AdV)

Einleitung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit gegeben sein muss, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert des Grundstücks nachzuweisen. Diese Entscheidungen sind von großer Bedeutung für die Bewertung von Grundstücken und die damit verbundenen steuerlichen Belastungen.

BFH-Beschlüsse im Detail

Am 27. Mai 2024 entschied der BFH in den Verfahren II B 78/23 und II B 79/23, dass es im Einzelfall möglich sein muss, einen niedrigeren gemeinen Wert eines Grundstücks nachzuweisen. Bei summarischer Prüfung stellte der BFH fest, dass Antragsteller aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten möglicherweise den erfolgreichen Nachweis eines niedrigeren Werts ihrer Grundstücke führen könnten. Die festgestellten Grundsteuerwerte könnten erheblich über dem tatsächlichen Wert liegen.

Hintergrund der Grundsteuerreform

Im April 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das bisherige Bewertungsrecht für verfassungswidrig und setzte eine Frist bis zum 31. Dezember 2019 zur Schaffung eines neuen Gesetzes. Der Bund setzte diesen neuen Rechtsrahmen im November 2019 durch eine Änderung des Grundgesetzes und das neue Grundsteuerreformgesetz (GrStRefG) um. Ab dem 1. Januar 2025 verlieren die Einheitswerte als Berechnungsgrundlage ihre Gültigkeit, und die neuen Grundsteuerregelungen treten in Kraft.

Unterschiedliche Bewertungsmodelle der Bundesländer

Die Länderöffnungsklausel ermöglicht es den Bundesländern, vom Bundesmodell abweichende Bewertungsregeln anzuwenden. Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen haben eigene Modelle entwickelt. Alle anderen Bundesländer nutzen das Bundesmodell.

  1. Baden-Württemberg: Hier wurde ein modifiziertes Bodenwertmodell eingeführt, das nur die Bodenrichtwerte berücksichtigt.
  2. Bayern: Ein reines Flächenmodell, das wertunabhängig ist.
  3. Hamburg: Ein Wohnlagemodell, das den Grundstückswert anhand der Wohnlage differenziert.
  4. Hessen: Ein Flächen-Faktor-Verfahren, das den Bodenrichtwert als Indikator verwendet.
  5. Niedersachsen: Ein Flächen-Lage-Modell, das den Lage-Faktor berücksichtigt.

Verfassungsrechtliche Zweifel

Von Beginn an wurden verfassungsrechtliche Zweifel an den neuen Bewertungsmodellen geäußert. Zahlreiche Klagen wurden eingereicht, um die Verfassungsmäßigkeit der Modelle zu überprüfen. Der BFH bestätigte in den aktuellen Verfahren, dass die Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsakte auszusetzen ist, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen.

Übermaßverbot und Verhältnismäßigkeit

Die Bewertungsvorschriften des Bundesmodells sind bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen kann. Dies ist notwendig, um das Übermaßverbot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren. Die Bewertung nach dem Bewertungsgesetz ist typisierend und pauschalierend, was zu Ungenauigkeiten führen kann. Diese sind jedoch nur so lange verfassungsgemäß, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall abgewendet werden kann.

Fazit

Der BFH hat zwar noch nicht abschließend entschieden, ob und in welchem Umfang die Vorschriften des Bundesmodells verfassungswidrig sind. Diese Frage dürfte jedoch in den weiterhin anhängigen Verfahren geklärt werden. Eigentümer, die gegen ihren Grundsteuerwertbescheid Einspruch eingelegt haben, können weiterhin das Ruhen ihres Einspruchsverfahrens beantragen. Die aktuellen Entscheidungen des BFH bieten wichtige Hinweise für die zukünftige Handhabung der Grundsteuerwertfeststellungen und die Wahrung der Rechte der Steuerpflichtigen.

Für detaillierte und individuelle Beratung empfehlen wir, sich an einen Steuerberater zu wenden, der die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen und Rechtsprechungen berücksichtigen kann.