Grenzüberschreitende Auslandssachverhalte vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg

In einer Pressemitteilung vom 08.04.2025 gibt das Finanzgericht Baden-Württemberg Einblicke in aktuelle Entscheidungen zu grenzüberschreitenden Sachverhalten. Die Urteile behandeln insbesondere die steuerliche Behandlung von Einkünften in Fällen mit Bezug zur Schweiz und zur Slowakei. Im Fokus stehen Fragen wie die Grenzgängereigenschaft nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit der Schweiz, die Besteuerung von Versorgungsleistungen im EU-Ausland sowie die Einordnung von Leistungen wie Unfalltagegeld oder Abfindungen. Nachfolgend eine Übersicht der wichtigsten Entscheidungen und deren Bedeutung für Steuerpflichtige.

Teilzeitbeschäftigung und Nichtrückkehrtage nach DBA Schweiz

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied in mehreren Verfahren, ob Teilzeitbeschäftigte in der Schweiz als Grenzgänger gelten und damit in Deutschland steuerpflichtig sind. Nach Art. 15a DBA Schweiz verliert eine Person die Grenzgängereigenschaft, wenn sie an mehr als 60 Nichtrückkehrtagen pro Jahr aus beruflichen Gründen nicht an ihren deutschen Wohnsitz zurückkehrt.

  • Urteil vom 12.06.2024 (2 K 2189/21): Ein teilzeitbeschäftigter Kläger wurde kein Grenzgänger. Das Gericht kürzte die 60-Tage-Grenze proportional auf 54 Tage, da der Kläger nicht durchgehend arbeitete. Entscheidend war, dass er an mehr als 54 Tagen in der Schweiz übernachtete, wobei Sonntage nicht als Nichtrückkehrtage zählten. Revision ist beim BFH anhängig (VI R 31/24).
  • Urteil vom 23.11.2022 (12 K 623/22): Ähnlich entschied der 12. Senat, dass die berufsbedingte Nichtrückkehr individuell zu prüfen ist. Revision wurde zugelassen (BFH: VI R 14/24).
  • Urteil vom 10.02.2025 (11 K 2242/22): Der 11. Senat bestätigte diese Linie rechtskräftig.

Das Gericht betonte, dass nicht allein die Entfernung, sondern die gesamte Arbeitssituation – Arbeitszeiten, Tätigkeit und Zumutbarkeit der Rückkehr – maßgeblich ist. Die Schweiz behielt das Besteuerungsrecht, da die Kläger dort Quellensteuer zahlten.

Leistungen nach Restrukturierungsmaßnahmen eines Schweizer Arbeitgebers

Im Urteil vom 26.09.2024 (3 K 718/24, rechtskräftig) entschied der 3. Senat, dass Leistungen eines Schweizer Arbeitgebers an einen vorzeitig pensionierten, in Deutschland wohnenden Arbeitnehmer in Deutschland steuerpflichtig sind. Die Lohnfortzahlung in der Freistellungsphase sowie Extra- und Abgangsentschädigungen wurden als Arbeitslohn eingestuft. Das DBA Schweiz steht der Besteuerung nicht entgegen, da der Kläger nicht mehr aktiv in der Schweiz tätig war (Art. 15 Abs. 1 DBA). Abfindungen mit Bezug zu früherer Grenzgängertätigkeit unterliegen hingegen Art. 15a DBA Schweiz, wenn diese während des gesamten Arbeitsverhältnisses bestand.

Unfalltagegeld einer Schweizer Versicherung

Zwei Senate stuften Unfalltagegeld aus einer Schweizer Unfallversicherung als steuerfrei ein:

  • Urteil vom 26.07.2023 (2 K 1258/20, rechtskräftig): Das Tagegeld gleicht Krankentagegeld (§ 3 Nr. 1 Buchst. a EStG) und unterliegt dem Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG).
  • Urteil vom 25.09.2024 (14 K 382/21): Dieselbe Auffassung, Revision anhängig (BFH: VI R 26/24).

Auch wenn der Arbeitgeber die Auszahlung vermittelt, bleibt der Arbeitslohncharakter ausgeschlossen.

Versorgungsleistungen an eine Person im EU-Ausland

Im Urteil vom 28.11.2024 (12 K 549/23) entschied das Gericht, dass Versorgungsleistungen eines deutschen Versorgungswerks an einen in der Slowakei wohnenden Empfänger in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sind. Die Leistungen gelten als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb, veranlasst durch eine frühere inländische Betriebsstätte. Das DBA Slowakei hindert die Besteuerung nicht. Revision ist beim BFH anhängig (I R 2/25).

Bedeutung für Steuerpflichtige

Diese Entscheidungen zeigen die Komplexität grenzüberschreitender steuerlicher Sachverhalte. Für Arbeitnehmer mit Tätigkeit in der Schweiz ist die Grenzgängerregelung entscheidend, wobei individuelle Umstände genau geprüft werden müssen. Unternehmen und Privatpersonen mit internationalen Bezügen sollten ihre steuerliche Situation regelmäßig überprüfen lassen, insbesondere bei Abfindungen oder Versorgungsleistungen. Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne bei der Klärung Ihrer steuerlichen Pflichten und der Optimierung Ihrer Steuerlast.

Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg