Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Wirtschaftliche Lage in Deutschland im August 2024

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland zeigt sich im August 2024 von einer zunehmenden Unsicherheit geprägt, wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in einer aktuellen Pressemitteilung feststellt. Trotz einiger positiver Entwicklungen in einzelnen Wirtschaftssektoren bleibt die gesamtwirtschaftliche Erholung schwach und von zahlreichen Risiken bedroht.

Bruttoinlandsprodukt und Konjunkturaussichten

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im zweiten Quartal 2024 leicht um 0,1 % gegenüber dem Vorquartal gesunken. Dies signalisiert eine Stagnation der deutschen Wirtschaft, nachdem zu Jahresbeginn noch eine leichte Belebung verzeichnet wurde. Besonders die Industrieproduktion und das Baugewerbe, die stark exportorientiert sind, trugen zu diesem Rückgang bei. Die Dienstleistungen konnten diese negativen Effekte nicht vollständig kompensieren.

Die aktuellen Stimmungsindikatoren wie der ifo-Geschäftsklimaindex, der ZEW-Konjunkturindikator und der S&P Global-Einkaufsmanagerindex haben sich zu Beginn des dritten Quartals weiter eingetrübt, was die Aussichten auf eine breitere konjunkturelle Erholung dämpft.

Produktion und Auftragseingänge

Trotz des leichten Anstiegs der Produktion im Produzierenden Gewerbe im Juni (+1,4 % gegenüber dem Vormonat) bleibt der Dreimonatsvergleich rückläufig (-1,3 %). Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe zeigen zwar erstmals seit Jahresbeginn wieder einen Anstieg (+3,9 % im Juni), bleiben jedoch weiterhin volatil, insbesondere aufgrund der Schwankungen bei Großaufträgen.

Verbraucherstimmung und Inflation

Die Verbraucherstimmung zeigt sich im August leicht verbessert, was auf gesunkene Inflationsraten und Tariflohnsteigerungen zurückzuführen ist. Der GfK-Konsumklimaindex prognostiziert eine weitere Erholung des Konsumklimas. Die Inflationsrate stieg im Juli leicht auf 2,3 %, wobei der Preisdruck bei Nahrungsmitteln zugenommen hat. Der preisdämpfende Effekt günstigerer Energiepreise hat sich im Juli abgeschwächt.

Arbeitsmarkt und Unternehmensinsolvenzen

Der Arbeitsmarkt zeigt Anzeichen einer Belastung durch die stagnierende Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit stieg im Juli saisonbereinigt um 18.000 Personen an, was stärker als üblich ist. Die Entwicklung der Erwerbstätigkeit verzeichnete lediglich einen geringen Zuwachs. Auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stagnierte nahezu.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen setzte ihren Anstieg im Mai und Juli fort. Im Juli wurden 1.406 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften verzeichnet, was einem Anstieg von 20,3 % gegenüber dem Vormonat entspricht. Dies deutet auf anhaltende strukturelle Schwächen in der Wirtschaft hin.

Fazit

Insgesamt bleibt die wirtschaftliche Lage in Deutschland im August 2024 angespannt. Während einige Indikatoren auf eine leichte Stabilisierung hinweisen, überwiegen die Unsicherheiten und Risiken. Die konjunkturelle Erholung bleibt fragil, und die steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen sowie die schwachen Exportzahlen unterstreichen die Herausforderungen, vor denen die deutsche Wirtschaft derzeit steht.

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Pressemitteilung vom 14. August 2024.

Prioritäten des Unterausschusses für Steuerfragen (FISC) im EU-Parlament für die kommende Legislaturperiode

Der neu gewählte Vorsitzende des FISC-Unterausschusses im Europäischen Parlament, Pasquale Tridico (Die Linke/Italien), hat die Schwerpunkte der Ausschussarbeit für die kommende Legislaturperiode vorgestellt. In seiner Antrittsrede und einem begleitenden Newsletter betonte Tridico, dass der verstärkte Kampf gegen Steuerhinterziehung im Zentrum der zukünftigen Arbeit des Ausschusses stehen wird.

Schaffung eines gerechteren Steuersystems

Tridico setzt sich für die Entwicklung eines gerechteren und ausgewogeneren Steuersystems in der EU ein. Er unterstrich die Notwendigkeit, die Integrität der Steuersysteme in den Mitgliedstaaten zu schützen und das Vertrauen in die Finanzinstitutionen zu stärken. Dazu gehöre es, Steuerhinterziehung konsequent zu bekämpfen und sicherzustellen, dass alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, ihren fairen Beitrag leisten.

Bekämpfung von organisiertem Steuerbetrug

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Bekämpfung von organisiertem Steuerbetrug, insbesondere des sogenannten Mehrwertsteuer-Karussellbetrugs. Tridico betonte, dass der Zusammenhang zwischen Steuerhinterziehung, organisierter Kriminalität und Geldwäsche stärker in den Fokus rücken müsse. Der Ausschuss werde daher verstärkt Maßnahmen in diesen Bereichen erarbeiten.

Ungleiche Steuerbelastung und Wettbewerbsgleichheit

Der FISC-Unterausschuss plant zudem, die ungleiche Steuerbelastung von Bürgern und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Vergleich zu multinationalen Konzernen zu thematisieren. Diese Ungleichheiten führen laut Tridico zu unfairem Wettbewerb und aggressiver Steuervermeidung in den Mitgliedstaaten. Der Ausschuss wird sich daher für ein gerechtes und progressives Steuersystem einsetzen, das diese Disparitäten reduziert.

Besteuerung von Arbeit und anderen Einkommensquellen

Ein weiteres zentrales Thema wird die Ausgewogenheit der Besteuerung von Arbeit und anderen Einkommensquellen, einschließlich Finanzrenten, Technologie, Kapital und Vermögen sein. Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen durch künstliche Intelligenz (KI) und deren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, den Arbeitsmarkt und die Steuersysteme, sieht Tridico die Notwendigkeit, Steuerfragen grundlegend neu zu überdenken.

Präsidium des FISC-Unterausschusses

Neben Pasquale Tridico setzt sich das Präsidium des FISC-Unterausschusses aus den stellvertretenden Vorsitzenden Kira Marie Peter-Hansen (Grüne/Dänemark), Regina Doherty (EVP/Irland), Markus Ferber (EVP/CSU) und Matthias Ecke (S&D/SPD) zusammen. Die nächste Sitzung des Ausschusses findet am 17. Oktober 2024 in Brüssel statt.

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V.

Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 6. August 2024 einen koordinierten Ländererlass veröffentlicht, der den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) mit sofortiger Wirkung ändert. Diese Änderungen erfolgen in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder und betreffen den AEAO, der ursprünglich am 31. Januar 2014 im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht wurde und zuletzt durch ein BMF-Schreiben vom 28. Juni 2024 (BStBl I S. 1063) angepasst wurde.

Wichtige Änderungen und Auswirkungen

Die genaue Art der Änderungen wurde in dem kurzen Hinweis nicht spezifiziert, jedoch deutet die sofortige Geltung darauf hin, dass sie für die Praxis von unmittelbarer Bedeutung sind. Änderungen im AEAO können weitreichende Auswirkungen auf die Anwendung und Auslegung der Abgabenordnung (AO) durch Finanzämter und Steuerberater haben.

Verfügbarkeit und Veröffentlichung

Das vollständige Schreiben mit den Änderungen ist auf der Homepage des BMF verfügbar und wird zudem im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es ist ratsam, dass Steuerberater und betroffene Unternehmen das Schreiben zeitnah einsehen, um die aktuellen Änderungen in ihre Praxis zu integrieren und sicherzustellen, dass die neuen Regelungen korrekt angewendet werden.

Fazit

Die Aktualisierung des AEAO ist ein wichtiger Bestandteil der laufenden Anpassung der steuerlichen Vorschriften an die aktuellen Erfordernisse. Die sofortige Umsetzung der Änderungen unterstreicht deren Relevanz für die Praxis. Steuerberater und Steuerpflichtige sollten die Änderungen genau prüfen, um mögliche Auswirkungen auf ihre steuerliche Situation rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 6. August 2024.

Gewinne von Tochtergesellschaften sind bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht einzubeziehen

Das Finanzgericht Münster hat in einem Urteil vom 2. Juli 2024 (Az. 6 K 1425/21 F) entschieden, dass Gewinne von Tochterpersonengesellschaften bei der Berechnung der nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen bei der Mutterpersonengesellschaft unberücksichtigt bleiben. Dieses Urteil, das erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung von mehrstöckigen Personengesellschaften haben könnte, wird nun vor dem Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IV R 13/24 weiterverhandelt.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, fungierte als Führungsholding und war an mehreren anderen Personengesellschaften beteiligt. Bei einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt fest, dass es zu Überentnahmen gekommen sei, die gemäß § 4 Abs. 4a EStG zu nicht abziehbaren Schuldzinsen führten. Das Finanzamt bezog dabei die Gewinne der Tochtergesellschaften erst zu dem Zeitpunkt in die Berechnung der Überentnahmen ein, als diese an die Muttergesellschaft abgeführt wurden.

Die Klägerin argumentierte hingegen, dass die Gewinne der Tochtergesellschaften bereits bei ihrer Entstehung in die Berechnung der Überentnahmen einfließen müssten, da diese Gewinne ihr unmittelbar zuzurechnen seien.

Entscheidung des Finanzgerichts Münster

Der 6. Senat des Finanzgerichts Münster folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab. Das Gericht stellte klar, dass für die Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG der Gewinnbegriff so auszulegen sei, dass Gewinnanteile aus Tochtergesellschaften erst bei ihrer tatsächlichen Auszahlung an die Muttergesellschaft als Einlage zu behandeln seien.

Das Gericht führte aus, dass eine betriebsbezogene Betrachtung maßgeblich sei, bei der es auf den Eigenkapitalentzug bei der jeweiligen betrieblichen Einheit ankomme. Danach würden Gewinne den jeweiligen Tochtergesellschaften so lange zugerechnet, bis sie tatsächlich an die Muttergesellschaft ausgezahlt werden. Eine „konzernbezogene“ Betrachtung, bei der Gewinne bereits bei ihrer Entstehung in der Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zugerechnet würden, sei im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG nicht vorgesehen.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil hat erhebliche Implikationen für die steuerliche Praxis bei der Behandlung von mehrstöckigen Personengesellschaften. Es stellt klar, dass Gewinne von Tochtergesellschaften erst bei ihrer tatsächlichen Ausschüttung an die Muttergesellschaft in die Berechnung von Überentnahmen und damit auch in die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen einbezogen werden.

Für Steuerberater und Unternehmen bedeutet dies, dass bei der Planung und Berechnung der Schuldzinsen besonders darauf geachtet werden muss, wann Gewinne aus Tochtergesellschaften tatsächlich ausgezahlt werden, um die Auswirkungen auf die Überentnahmen korrekt zu erfassen.

Da die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen wurde, bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsauffassung dort bestätigt wird. Das anhängige Verfahren vor dem BFH könnte somit noch zu einer grundlegenden Klärung der Rechtslage führen.

Quelle: Finanzgericht Münster, Newsletter August 2024.

Bewusstsein der (Teil-)Unentgeltlichkeit als Tatbestandsvoraussetzung des § 7 Abs. 8 ErbStG

Das Finanzgericht Münster hat in einem Urteil vom 23. Mai 2024 (Az. 3 K 2585/21 Erb) eine wichtige Entscheidung zur Anwendung des § 7 Abs. 8 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) getroffen. Es ging um die Frage, ob das Bewusstsein der (Teil-)Unentgeltlichkeit als subjektives Merkmal notwendig ist, um den Tatbestand der Werterhöhung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne dieser Norm zu erfüllen.

Sachverhalt

Der Kläger war zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder Gesellschafter einer GmbH. Durch einen Erbvertrag war ursprünglich vorgesehen, dass die Söhne jeweils die Hälfte der Anteile des Vaters an der GmbH erhalten sollten. Im Jahr 2013 annullierte der Vater jedoch den Erbvertrag mit dem Bruder des Klägers, wodurch die Anteile des Bruders auf den Kläger übertragen werden sollten. Der Bruder verpflichtete sich, seine Beteiligung an der GmbH zum 1. November 2017 an die GmbH oder an einen von dieser benannten Dritten zu veräußern, wobei ein Kaufpreis von 2.100.000 Euro vereinbart wurde.

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2013 wurde der Kläger Geschäftsführer der GmbH und übte das Benennungsrecht dahingehend aus, dass die GmbH selbst die Anteile erwerben sollte. Die notarielle Umsetzung der Übertragung erfolgte im Jahr 2018. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer fest, da es von einer gemischten Schenkung ausging, da der Wert der Anteile nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren am Stichtag 1. November 2017 auf 9.688.883 Euro geschätzt wurde.

Entscheidung des Finanzgerichts Münster

Das Finanzgericht Münster gab der Klage des Steuerpflichtigen statt und hob den Schenkungsteuerbescheid auf. Das Gericht argumentierte, dass § 7 Abs. 8 ErbStG ein subjektives Merkmal in Form eines Bewusstseins der (Teil-)Unentgeltlichkeit erfordert.

Nach Auffassung des Gerichts ist für die Anwendung von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht ausreichend, dass eine objektive Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft durch die Leistung einer anderen Person stattfindet. Vielmehr muss der Zuwendende in dem Bewusstsein handeln, dass er den Wert des Anteils des Bedachten ohne äquivalenten Gegenwert erhöht. Der Wille zur Unentgeltlichkeit ist demnach eine notwendige Tatbestandsvoraussetzung.

Das Gericht stellte fest, dass im vorliegenden Fall keine Schenkung im Sinne von § 7 Abs. 8 ErbStG vorliegt, da das Bewusstsein der Unentgeltlichkeit seitens des Bruders des Klägers nicht gegeben war. Die Anteilsübertragung war nicht aus familiären Beweggründen oder im Bewusstsein einer Unentgeltlichkeit erfolgt, sondern auf Basis einer Vereinbarung, die unter Einbeziehung von Rechts- und Steuerberatern getroffen wurde, was auf eine marktübliche Transaktion hindeutet.

Konsequenzen und Ausblick

Dieses Urteil des Finanzgerichts Münster betont die Bedeutung des subjektiven Elements bei der Anwendung von § 7 Abs. 8 ErbStG. Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die potenziell unter den Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG fallen könnten, die Absichten und das Bewusstsein der beteiligten Parteien genau geprüft werden müssen. Die Entscheidung des Finanzgerichts verdeutlicht, dass das bloße Vorliegen einer Wertdifferenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem ermittelten Unternehmenswert nicht automatisch zu einer Schenkung führt.

Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, sodass eine weitere Klärung der Rechtslage in nächster Zeit erwartet werden kann.

Quelle: Finanzgericht Münster, Newsletter August 2024.

4o

Anforderungen an die Ermessensausübung bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 1 AO n. F. in Erstattungsfällen

Das Finanzgericht Münster hat in einem Urteil vom 14. Juni 2024 (Az. 4 K 2351/23) die Anforderungen an die Ermessensausübung bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) in der neuen Fassung (n. F.) präzisiert. Das Urteil betrifft insbesondere Fälle, in denen die verspätete Abgabe der Steuererklärung zu einer Steuererstattung führt.

Sachverhalt

Der Kläger hatte seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 verspätet, erst am 29. März 2023, abgegeben. Aufgrund der Anrechnung der bereits abgeführten Lohnsteuer resultierte eine Steuererstattung. Das Finanzamt setzte dennoch einen Verspätungszuschlag in Höhe von 175 Euro fest, da die Abgabefrist bereits am 31. August 2022 verstrichen war. Der Kläger legte Einspruch ein, der jedoch vom Finanzamt zurückgewiesen wurde. Das Finanzamt argumentierte, dass gemäß § 152 Abs. 1 AO die verspätete Abgabe und das Verschulden des Steuerpflichtigen entscheidend seien und andere Ermessenskriterien nicht berücksichtigt werden müssten.

Entscheidung des Finanzgerichts Münster

Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster gab der Klage statt und hob den Bescheid über die Festsetzung des Verspätungszuschlags auf. Das Gericht stellte fest, dass das Finanzamt sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe.

Nach Auffassung des Gerichts ist bei der Ermessensausübung gemäß § 152 Abs. 1 AO nicht nur die verspätete Abgabe der Steuererklärung und das Verschulden des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen der Verspätung. Insbesondere ist relevant, ob die verspätete Abgabe zu einer Nullfestsetzung, einer Nachzahlung oder einer Erstattung geführt hat. Da der Gesetzgeber in § 152 Abs. 3 AO eine gebundene Festsetzung eines Verspätungszuschlags in Fällen einer Nullfestsetzung oder einer Erstattung ausschließt, müssen diese Umstände auch bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden.

Das Gericht betonte, dass ein Verspätungszuschlag in Fällen wie dem vorliegenden, wo eine Steuererstattung erfolgt und keine wesentliche Verzögerung des Veranlagungsverfahrens eintritt, nur bei erheblicher Fristüberschreitung oder schwerwiegendem Verschulden gerechtfertigt ist. Auch die wirtschaftlichen Folgen der Verspätung für den Steuerpflichtigen müssen in die Ermessensentscheidung einfließen, um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil des Finanzgerichts Münster verdeutlicht, dass Finanzämter bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen eine umfassende Ermessensprüfung vornehmen müssen. Es genügt nicht, allein auf die verspätete Abgabe und das Verschulden abzustellen. Vielmehr sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die wirtschaftlichen Folgen der Verspätung und der Ausgang des Veranlagungsverfahrens.

Steuerpflichtige, die aufgrund einer verspäteten Abgabe ihrer Steuererklärung einen Verspätungszuschlag erhalten haben, sollten prüfen, ob das Finanzamt bei der Festsetzung des Zuschlags alle relevanten Ermessenskriterien berücksichtigt hat. Ist dies nicht der Fall, kann ein Einspruch gegen den Bescheid Erfolg haben.

Das Finanzgericht Münster hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, sodass in Zukunft mit einer weiteren Klärung der Rechtslage durch das höchste deutsche Finanzgericht zu rechnen ist.

Quelle: Finanzgericht Münster, Newsletter August 2024.

Anwendung des Nullsteuersatzes für Steckersolargeräte gemäß § 12 Abs. 3 UStG

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 15. August 2024 in einem koordinierten Ländererlass die Anwendung des Nullsteuersatzes für Steckersolargeräte präzisiert. Diese Regelung ist Teil der jüngsten Änderungen im Rahmen des Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften, die am 8. Mai 2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden.

Hintergrund und Änderungen im Umsatzsteuerrecht

Mit Wirkung zum 16. Mai 2024 wurde die zulässige maximale Einspeiseleistung (Wechselrichter-Scheinleistung) für Steckersolargeräte auf 800 Voltampere angehoben. Diese Anpassung im EEG zielt darauf ab, den Ausbau der photovoltaischen Energieerzeugung weiter zu fördern und dabei die Nutzung von Steckersolargeräten, die insbesondere für den privaten Gebrauch konzipiert sind, attraktiver zu machen.

Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010 wurde entsprechend angepasst. In Abschnitt 12.18 Absatz 7 Satz 3 wird die bisherige Leistungsangabe von „600 Watt“ durch „800 Voltampere“ ersetzt. Diese Änderung trägt der erhöhten Leistungsgrenze Rechnung und stellt sicher, dass die steuerlichen Regelungen für Steckersolargeräte mit den technischen Vorgaben im Einklang stehen.

Anwendungsbereich und Geltungsbeginn

Die neuen Grundsätze gelten für alle Umsätze ab dem 16. Mai 2024. Somit profitieren sowohl Privatpersonen als auch gewerbliche Nutzer von Steckersolargeräten, die die erhöhte Leistungsgrenze nutzen möchten, von der Anwendung des Nullsteuersatzes gemäß § 12 Abs. 3 UStG. Dies bedeutet, dass für die Lieferung und Installation solcher Geräte keine Umsatzsteuer anfällt, was die Anschaffungskosten für Endverbraucher senkt und die Verbreitung von Solarstromanlagen fördert.

Schlussbemerkungen

Das BMF-Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht und dient als verbindliche Grundlage für die Finanzverwaltung sowie für Steuerberater und Unternehmen, die im Bereich der Photovoltaik tätig sind. Die Anpassung der Umsatzsteuerregelungen an die neuen technischen Standards ist ein weiterer Schritt zur Unterstützung der Energiewende und zur Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland.

Für Steuerberater und Unternehmen ist es wichtig, sich mit diesen neuen Regelungen vertraut zu machen und sicherzustellen, dass die Vorteile des Nullsteuersatzes für ihre Mandanten bzw. Kunden voll ausgeschöpft werden. Die Änderungen bieten nicht nur finanzielle Anreize, sondern auch Planungssicherheit für zukünftige Investitionen in Steckersolargeräte.

Wegfall der Steuerklassen und andere Reformen könnten 1,2 Millionen Vollzeitstellen schaffen

Laut einer aktuellen Studie des ifo Instituts, die am 16. August 2024 veröffentlicht wurde, könnten umfassende Reformen im deutschen Steuer- und Sozialsystem dazu führen, dass über 1,2 Millionen Vollzeitstellen besetzt werden. Ein zentraler Aspekt dieser Reformen ist der kürzlich beschlossene Wegfall der Steuerklassen 3 und 5, während das Ehegattensplitting weiterhin erhalten bleibt. Allein diese Maßnahme könnte laut ifo Institut zu einem Beschäftigungsgewinn von 67.000 Vollzeitkräften führen.

Beschäftigungspotenziale durch Reformen heben

Das ifo Institut hat für die IHK München und Oberbayern verschiedene Reformvorschläge analysiert und berechnet, welche Auswirkungen sie auf den Arbeitsmarkt hätten. Die Ergebnisse zeigen, dass erhebliche Erwerbspotenziale, insbesondere bei Frauen und älteren Arbeitnehmern, derzeit ungenutzt bleiben. Durch gezielte Anpassungen im Steuer- und Sozialsystem könnten diese Potenziale besser ausgeschöpft werden, was nicht nur den Arbeitskräftemangel lindern, sondern auch zu mehr Fairness unter Steuer- und Abgabenzahlern führen würde.

Konkrete Reformvorschläge und deren Auswirkungen

Ein Übergang vom Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting würde laut der Studie rund 200.000 zusätzliche Vollzeitstellen schaffen. Ebenfalls signifikant wäre das Ende der beitragsfreien Mitversicherung von Ehegatten in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, was zu einem Beschäftigungszuwachs von etwa 150.000 Vollzeitkräften führen könnte.

Darüber hinaus schlagen die ifo-Forscher vor, die Rentenabschläge bei einem vorzeitigen Renteneintritt zu erhöhen. Statt der derzeitigen 0,3 Prozent Abschlag pro Monat des vorzeitigen Rentenbeginns wäre ein Abschlag von 0,5 Prozent versicherungsmathematisch gerechtfertigt. Diese Anpassung könnte ein zusätzliches Beschäftigungsplus von 180.000 Vollzeitkräften bewirken.

Weitere Maßnahmen zur Förderung der Erwerbstätigkeit

Neben den steuerlichen und rentenbezogenen Reformen hebt die Studie auch die Bedeutung einer verbesserten Kinderbetreuung hervor. Der Ausbau von 400.000 zusätzlichen Betreuungsplätzen würde rund 58.000 weitere Vollzeitstellen schaffen. Besonders in westdeutschen Großstädten, wo der Mangel an Betreuungsplätzen besonders groß ist, könnte dieser Effekt noch verstärkt werden.

Ein besonders großer Beschäftigungsgewinn von 473.000 Vollzeitkräften wird erwartet, wenn das gesetzliche Renteneintrittsalter von 67 auf 69 Jahre angehoben wird. Auch die Abschaffung der Rente mit 63 könnte laut der Studie weitere 157.000 Vollzeitkräfte in den Arbeitsmarkt bringen.

Fazit

Die Berechnungen des ifo Instituts zeigen, dass durch gezielte Reformen im Steuer- und Sozialsystem eine erhebliche Anzahl an zusätzlichen Vollzeitstellen geschaffen werden könnte. Diese Maßnahmen könnten nicht nur den Arbeitskräftemangel lindern, sondern auch zu einer gerechteren Verteilung der Steuer- und Abgabenlast führen. Die Umrechnung auf Vollzeitkräfte verdeutlicht dabei die Dimension der möglichen Beschäftigungsgewinne und erleichtert den Vergleich der Effekte. Ein Sechstel der genannten Beschäftigungsgewinne würde auf Bayern entfallen, was die regionale Bedeutung dieser Reformen unterstreicht.

Ermäßigte Besteuerung von Abfindungszahlungen: Zwei Grundsatzverfahren vor dem IX. Senat des BFH

Die ermäßigte Besteuerung von Abfindungszahlungen an Arbeitnehmer ist ein viel diskutiertes Thema im Steuerrecht. Die aktuellen Urteile des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen vom 15. Februar 2024 (Az. 2 K 52/23 und 2 K 72/23) bringen neue Dynamik in die Diskussion und könnten weitreichende Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung von Abfindungen haben.

Hintergrund der Entscheidungen

Im Kern dreht sich die Frage um die Voraussetzungen für die ermäßigte Besteuerung von Abfindungszahlungen nach § 34 EStG. Die begünstigte Besteuerung greift dann, wenn die Abfindung „außerordentliche Einkünfte“ darstellt, was insbesondere bei einer endgültigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Fall ist.

Das FG Niedersachsen hat in seinen beiden Urteilen entschieden, dass eine ermäßigte Besteuerung nur dann in Betracht kommt, wenn die Einkünfteerzielungsabsicht aus dem betreffenden Arbeitsverhältnis endgültig beendet wird. Eine einvernehmliche Regelung eines Rückkehrrechts, die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einräumt, zu einem späteren Zeitpunkt zum Arbeitgeber zurückzukehren, steht dieser Begünstigung entgegen. Das FG sieht hierin ein Indiz dafür, dass die Einkünfteerzielung nicht endgültig abgeschlossen ist, was eine ermäßigte Besteuerung der Abfindung ausschließt.

Die anhängigen Verfahren beim BFH

Gegen beide Urteile des FG Niedersachsen wurden Nichtzulassungsbeschwerden (NZB) beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt. Die Verfahren sind unter den Aktenzeichen BFH IX B 34/24 und BFH IX B 37/24 anhängig. Diese Verfahren werden nun klären, ob die vom FG Niedersachsen vertretene Rechtsauffassung Bestand hat oder ob der BFH eine andere Sichtweise einnimmt.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Angesichts der anhängigen Verfahren sollten Steuerberater und Unternehmen, die aktuell mit Abfindungsregelungen konfrontiert sind, vorsichtig agieren. Es ist ratsam, einschlägige Fallgestaltungen im Hinblick auf die zukünftige Entscheidung des BFH offenzuhalten. Bis zur Klärung der Rechtslage durch den BFH könnte eine definitive Regelung zum Beispiel durch eine einvernehmliche Rückkehrmöglichkeit des Arbeitnehmers die Steuerbegünstigung gefährden.

Steuerberater sollten ihre Mandanten daher frühzeitig auf die Unsicherheiten hinweisen und gegebenenfalls alternative Gestaltungen prüfen, um steuerliche Nachteile zu vermeiden. Sobald eine Entscheidung des BFH vorliegt, kann eine verbindlichere Beratung erfolgen.

Die anstehenden Urteile des BFH werden maßgeblich dazu beitragen, die Unsicherheiten in diesem Bereich zu beseitigen und Klarheit über die Anforderungen an die ermäßigte Besteuerung von Abfindungszahlungen zu schaffen. Bis dahin bleibt jedoch Vorsicht geboten.

Verspätungszuschlag bei Gewinneinkünften: Was Sie wissen müssen

Wenn Steuerpflichtige ihre Steuererklärung nicht rechtzeitig einreichen, kann das Finanzamt einen sogenannten Verspätungszuschlag festsetzen. Dies gilt auch für Steuerpflichtige mit Gewinneinkünften (GuE), wie etwa Selbständige, Freiberufler oder Gewerbetreibende. In diesem Beitrag erklären wir, wann ein Verspätungszuschlag erhoben wird, wie hoch dieser ausfallen kann und was Sie tun können, um ihn zu vermeiden.

1. Was ist der Verspätungszuschlag?

Der Verspätungszuschlag ist eine finanzielle Sanktion, die das Finanzamt verhängen kann, wenn eine Steuererklärung nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist eingereicht wird. Ziel dieses Zuschlags ist es, die pünktliche Abgabe der Steuererklärungen sicherzustellen.

2. Wann wird ein Verspätungszuschlag erhoben?

Ein Verspätungszuschlag kann festgesetzt werden, wenn:

  • Die Steuererklärung nicht fristgerecht eingereicht wurde und
  • Die Verspätung nicht durch ausreichende Gründe entschuldigt werden kann.

Insbesondere bei Gewinneinkünften (GuE) ist die fristgerechte Abgabe der Steuererklärung von großer Bedeutung, da hier häufig umfangreiche und komplexe Informationen erforderlich sind. Das Finanzamt kann den Verspätungszuschlag auch dann erheben, wenn die Steuererklärung nach wiederholten Aufforderungen weiterhin nicht eingereicht wird.

3. Wie hoch ist der Verspätungszuschlag?

Seit der Steuerreform 2019 gelten für die Berechnung des Verspätungszuschlags neue Regelungen. Der Verspätungszuschlag beträgt mindestens 25 Euro pro Monat der Verspätung und wird automatisch berechnet, wenn die Steuererklärung mehr als 14 Monate nach dem Ende des Steuerjahres abgegeben wird.

Bei Gewinneinkünften kann der Zuschlag höher ausfallen, da er in der Regel auf der Grundlage der festgesetzten Steuer berechnet wird. Dabei kann das Finanzamt bis zu 0,25 % der festgesetzten Steuer pro Monat der Verspätung als Zuschlag festsetzen, allerdings maximal bis zu 25.000 Euro.

4. Was können Sie tun, um einen Verspätungszuschlag zu vermeiden?

Um einen Verspätungszuschlag zu vermeiden, sollten Sie:

  • Fristen einhalten: Achten Sie darauf, die Steuererklärung fristgerecht einzureichen. Für Gewinneinkünfte ist die Frist in der Regel der 31. Juli des Folgejahres. Wenn ein Steuerberater beauftragt wird, verlängert sich die Frist automatisch bis zum letzten Tag des Februars des übernächsten Jahres.
  • Fristverlängerung beantragen: Falls Sie absehen können, dass Sie die Frist nicht einhalten können, beantragen Sie rechtzeitig eine Fristverlängerung beim Finanzamt.
  • Nachreichung von Unterlagen: Falls wichtige Unterlagen fehlen, reichen Sie diese so schnell wie möglich nach und informieren Sie das Finanzamt über den Grund der Verzögerung.

5. Fazit

Der Verspätungszuschlag bei Gewinneinkünften kann zu einer erheblichen finanziellen Belastung führen. Daher ist es wichtig, die Fristen zur Abgabe der Steuererklärung einzuhalten und bei absehbaren Verzögerungen rechtzeitig zu handeln. Sollten Sie unsicher sein, wie Sie vorgehen sollen, oder Unterstützung bei der Erstellung Ihrer Steuererklärung benötigen, stehe ich Ihnen gerne zur Seite.

Für weitere Fragen oder eine individuelle Beratung zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren. Gemeinsam können wir sicherstellen, dass Sie Ihre steuerlichen Verpflichtungen rechtzeitig erfüllen und unnötige Kosten vermeiden.