Der Kläger betrieb in den Streitjahren zwei Friseursalons. Seine Bareinnahmen erfasste er über eine PC-gestützte Kassensoftware, die auch über andere Funktionen wie Kundenkartei oder Terminverwaltung verfügte. Aufgrund einer Betriebsprüfung, in deren Verlauf der Kläger keine Programmierprotokolle für die Kasse vorgelegt hatte, nahm das Finanzamt erhebliche Hinzuschätzungen zu den Umsätzen und Gewinnen des Klägers vor. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass seine Programmierprotokolle in Dateiform im System gespeichert seien, was er durch Vorlage der Datenbank nachweisen könne. Ferner sei seine Kasse nicht manipulierbar, weshalb nach der BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13, Tz. 28) keine Schätzungsbefugnis bestehe.
Das Finanzgericht Münster holte ein Sachverständigengutachten zur Frage der Manipulierbarkeit der Kasse ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass das vom Kläger verwendete System, welches auf die Software Microsoft Access zurückgreife, aufgrund der Verknüpfung verschiedener Datenbankdateien zwar nur schwierig zu manipulieren sei. Durch geschulte Personen mit EDV-Kenntnissen bzw. unter Einsatz entsprechender Programme sei dies jedoch auch im Nachhinein und ohne Rückverfolgung möglich. Daraufhin nahm das Gericht dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis an, weil das Fehlen der Programmierprotokolle elektronischer Kassensysteme jedenfalls bei bargeldintensiven Betrieben einen gewichtigen formellen Mangel darstelle. Der bloße Hinweis auf die Datenbank genüge als substanziierter Beweisantritt nicht. Im Übrigen gehe es bei den Programmierprotokollen nicht um die Daten selbst, sondern um die Dokumentation der Programmierung. Der Kläger könne sich nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens auch nicht darauf berufen, dass sein Kassensystem ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Der Höhe nach begrenzte der Senat die Hinzuschätzungen aufgrund der Kassenführungsmängel allerdings auf Sicherheitszuschläge in Höhe von 7,5 % der erklärten Umsätze, was zu einer Teilstattgabe in etwa hälftigem Umfang führte.
Der Bundesfinanzhof hob dieses Urteil auf, weil das Finanzgericht Münster seine Sachaufklärungspflicht dadurch verletzt habe, dass es keinen Beweis darüber erhoben hat, ob die die steuerlich erheblichen Daten zur Programmdokumentation im vom Kläger verwendeten Kassensystem gespeichert sind. Eine solche Dokumentation könne auch in Dateiform vorgelegt werden. Dieser Beweis könne durch Vorlage der Datenbank, Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens oder Vernehmung des Kassenherstellers als Zeugen erhoben werden. Darüber hinaus stellte der Bundesfinanzhof klar, dass sein zu einer Registrierkasse einfacherer Bauart ergangenes Urteil vom 25. März 2015 (Az. X R 20/13) nicht uneingeschränkt auf weitgehend frei manipulierbare PC-Kassensysteme übertragbar sei, so dass der Rechtssache möglicherweise grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.03.2018 zum Beschluss X B 65/17 des BFH vom 23.02.2018