Bauarbeiter regelmäßig abhängig beschäftigt – Sozialversicherungspflicht bestätigt

In einer Pressemitteilung vom 03. April 2025 informierte das Hessische Landessozialgericht (LSG) über drei Urteile des 8. Senats vom 20. Februar 2025 (Az. L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22, L 8 BA 64/21). Die Entscheidungen machen deutlich: Bauarbeiter, die einfache Tätigkeiten auf Baustellen ausführen, sind regelmäßig abhängig beschäftigt – mit weitreichenden Konsequenzen für Baufirmen, insbesondere im Hinblick auf die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Was bedeutet das für die Baubranche? Wir beleuchten die Urteile und deren Auswirkungen.

Der Sachverhalt: Scheinselbstständigkeit auf dem Bau

Die Fälle betrafen Baufirmen aus dem Rhein-Main-Gebiet, die angeblich selbstständige Werkunternehmer auf ihren Baustellen einsetzten. Diese Bauarbeiter – ausländische Staatsangehörige mit geringen Deutschkenntnissen – verrichteten einfache Arbeiten wie Abbruch, Maurerarbeiten, Pflasterarbeiten, Badsanierungen oder Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen fehlten, die Abrechnung erfolgte nach Stundenlohn (10 bis 15 Euro pro Stunde), und Materialien sowie Werkzeuge wurden größtenteils von den Baufirmen gestellt.

Die Deutsche Rentenversicherung stufte diese Beschäftigungsverhältnisse nach Betriebsprüfungen als abhängig ein und forderte von zwei Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe nach. In einem dritten Fall ging es um eine Statusfeststellung. Die Baufirmen klagten dagegen – ohne Erfolg.

Die Entscheidung des LSG Hessen

Der 8. Senat des LSG Hessen bestätigte die Einschätzung der Rentenversicherung: In allen drei Fällen liegt Scheinselbstständigkeit vor. Die zentralen Argumente der Richter:

  1. Vermutung der Abhängigkeit
    Nach § 7 SGB IV gilt eine Tätigkeit als abhängige Beschäftigung, wenn sie weisungsgebunden und in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert ist. Einfache Bauarbeiten ohne Einsatz eigener Betriebsmittel sprechen für ein solches Verhältnis. Die Bauarbeiter waren in die Betriebsabläufe der Baufirmen eingebunden und erledigten typische Arbeitnehmeraufgaben.
  2. Fehlende unternehmerische Merkmale
    Werkvertragstypische Vereinbarungen (z. B. feste Leistungsziele oder eigenständige Risikoübernahme) konnten nicht festgestellt werden. Die Bauarbeiter traten nicht unternehmerisch am Markt auf – ihre geringen Deutschkenntnisse verstärkten diesen Eindruck zusätzlich.
  3. Irrelevanz privater Absprachen
    Vereinbarungen zwischen Baufirmen und Bauarbeitern über eine angebliche Selbstständigkeit ändern nichts an der rechtlichen Einordnung. Die gesetzliche Sozialversicherungspflicht (§ 28e SGB IV) bleibt bestehen.

Die Revision wurde nicht zugelassen, die Urteile sind somit rechtskräftig.

Konsequenzen für Baufirmen

Die Entscheidungen haben spürbare Auswirkungen:

  • Nachzahlungen: Baufirmen müssen Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen, wenn sie bisher Scheinselbstständige beschäftigt haben. Bei Betriebsprüfungen (§ 28p SGB IV) drohen hohe Nachforderungen.
  • Kostensteigerung: Die korrekte Anmeldung als abhängig Beschäftigte erhöht die Personalkosten durch Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.
  • Prävention: Unternehmen sollten künftig genau prüfen, ob eingesetzte Arbeitskräfte tatsächlich selbstständig sind. Ein Antrag auf Statusfeststellung (§ 7a SGB IV) kann Klarheit schaffen.

Praktische Hinweise für die Baubranche

  • Abgrenzung klären: Selbstständigkeit erfordert unternehmerisches Handeln, eigene Betriebsmittel und die Möglichkeit, am Markt frei aufzutreten. Stundenlohn, Weisungsgebundenheit und betriebliche Eingliederung deuten hingegen auf Abhängigkeit hin.
  • Dokumentation: Schriftliche Werkverträge mit klaren Leistungszielen können helfen, Selbstständigkeit zu belegen – sofern die Realität damit übereinstimmt.
  • Beratung nutzen: Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der rechtssicheren Gestaltung von Arbeitsverhältnissen und der Abwehr unberechtigter Nachforderungen.

Fazit

Das LSG Hessen stellt klar: Einfache Bauarbeiten sind keine selbstständige Tätigkeit, wenn die typischen Merkmale eines Werkunternehmers fehlen. Baufirmen sollten ihre Beschäftigungsverhältnisse überprüfen, um Nachzahlungen und rechtliche Streitigkeiten zu vermeiden. Die Urteile unterstreichen die strenge Auslegung des Beitragsrechts und die Schutzfunktion der Sozialversicherung – auch für ausländische Arbeitskräfte.

Quelle: Hessisches Landessozialgericht Darmstadt