Verlustfeststellung: Keine Berücksichtigung geltend gemachter Verluste bei bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen

Finanzgericht Köln, 7 K 1654/12

Datum: 30.01.2013
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 7. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 7 K 1654/12
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

1Tatbestand2Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Jahre 2006 bis 2010 Verlustfeststellungsbescheide zur Berücksichtigung von Verlusten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu erlassen sind.

3Der Kläger befand sich in den nicht streitbefangenen Jahren 2004 und 2005 in einer Ausbildung zum Tiefbaufacharbeiter und erzielte in diesem Zusammenhang Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Beteiligung an einer Grundstücksgemeinschaft. Er schloss seine Ausbildung im Juli 2005 ab und begann im September 2006 ein Fachhochschulstudium in B. Die Einkommensteuerveranlagungen für 2004 und 2005, in denen der Kläger auch Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machte, erfolgten erklärungsgemäß und wurden bestandskräftig.

4In den Streitjahren 2006 bis 2010 wurde der Kläger zur Einkommensteuer veranlagt. Ausweislich der von ihm für 2007 am 5.11.2008, für 2008 am 26.11.2009, für 2009 am 16.8.2010 und für 2010 am 12.10.2011 eingereichten Einkommensteuererklärungen erzielte er lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Beteiligung an der Grundstücksgemeinschaft in Höhe von 2.431 Euro (2007 und 2008), 2.411 Euro (2009) bzw. 4.822 Euro (2010). Angaben zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bzw. von hiermit in Zusammenhang stehenden Werbungskosten machte er nicht. Den Steuererklärungen war keine Anlage N beigefügt. Die im Mantelbogen für den Bereich der Sonderausgaben unter der Rubrik „Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung der Stpfl./des Ehemannes“ vorgesehenen Felder hatte der Kläger nicht ausgefüllt. Für nähere Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten befindlichen Steuererklärungen Bezug genommen.

5Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für 2007 mit Bescheid vom 19.12.2008, für 2008 mit Bescheid vom 8.12.2009, für 2009 mit Bescheid vom 3.9.2010 und für 2010 mit Bescheid vom 3.11.2011 jeweils erklärungsgemäß auf 0 Euro fest. Darüber hinaus schätzte er für das Jahr 2006 die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer 2006 mit Bescheid vom 28.8.2008 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ebenfalls auf 0 Euro fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde mit Bescheid vom 29.10.2008 aufgehoben. Die vorgenannten Steuerbescheide wurden bestandskräftig.

6Am 27.12.2011 reichte der Kläger beim Beklagten für 2006 erstmalig bzw. für 2007 bis 2010 geänderte Einkommensteuererklärungen ein, in denen er nunmehr erstmalig auf der Anlage N die ihm im Zusammenhang mit seinem Studium jeweils entstandenen Aufwendungen – dies waren insbesondere Kosten für die Unterkunft am Studienort, Studiengebühren, Arbeitsmittel/Fachbücher sowie Fahrtkosten – als Werbungkosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machte. Die Aufwendungen beliefen sich für 2006 auf 5.152 Euro, für 2007 auf 10.145 Euro, für 2008 auf 10.177 Euro, für 2009 auf 10.065 Euro und für 2010 auf 8.779 Euro. Für nähere Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten des Beklagten befindlichen Steuererklärungen vom 27.12.2011 nebst Anlagen Bezug genommen.

7Mit Schreiben vom 4.1.2012 lehnte der Beklagte den Erlass von Verlustfeststellungsbescheiden zur Berücksichtigung der bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gel-tend gemachten Verluste ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2006 bis 2010 bestandskräftig seien und eine Verlustfeststellung für diese Jahre daher bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr in Betracht komme.

8Den hiergegen vom Kläger unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erhobenen Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 26.4.2012 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass eine Verlustfeststellung für die Streitjahre aus formellen Gründen nicht in Betracht komme. Nach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 sei eine erstmalige bzw. eine geänderte Verlustfeststellung nur zulässig, wenn der jeweils zugrunde liegende Einkommensteuerbescheid noch änderbar sei. Das sei vorliegend nicht der Fall. Die Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 2006 bis 2010 seien bestandskräftig geworden. Insbesondere scheide eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aus, da den Kläger jedenfalls ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen im Sinne des § 173 AO treffe. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger mit Blick auf seine Ausbildung und die in diesem Zusammenhang in den Jahren 2004 und 2005 geltend gemachten Werbungskosten habe erkennen können, dass auch die Aufwendungen für das Studium als Werbungskosten hätten geltend gemacht werden können. Zudem habe der Kläger die im Mantelbogen der jeweiligen Einkommensteuererklärungen im Bereich der Sonderausgaben ausdrücklich gestellte Frage nach den Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung nicht beantwortet und die hierfür vorgesehenen Felder nicht ausgefüllt. Die geltend gemachten Kosten für das Studium stellten zweifellos Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung dar. Für die im Rahmen des § 173 AO relevante und den tatsächlichen Bereich betreffende Frage, ob Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung angefallen seien, komme es nicht darauf an, wie diese Aufwendungen rechtlich – etwa als Sonderausgaben oder als Werbungskosten – einzustufen seien. Selbst wenn der Kläger die Geltendmachung der Aufwendungen mit Blick auf seine geringen Einkünfte und eine damit einhergehende fehlende steuerliche Auswirkung unterlassen habe, entbinde ihn dies nicht vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.

9Mit seiner hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter und führt ergänzend aus, dass die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen für 2006 bis 2010 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gegeben seien. Ihn – den Kläger – treffe am nachträglichen Bekanntwerden der Aufwendungen für das Studium kein Verschulden. Insbesondere liege keine grobe Fahrlässigkeit vor. Es sei zu berücksichtigen, dass er den Abzug von vorweggenommenen Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit begehre. Weder aus der Anlage N noch den dazugehörigen Merkblättern sei erkennbar, dass Studienkosten als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemacht werden könnten. Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO komme es darauf an, ob ein Steuerpflichtiger die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt habe. Subjektiv entschuldbare Rechtsirrtümer, die zu einem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen führten, schlössen eine grobe Fahrlässigkeit aus (vgl. BFH-Urteil vom 23.1.2001 XI R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl. II 2001, 379).

10Im vorliegenden Zusammenhang sei von Bedeutung, dass er – der Kläger – in den Jahren 2006 bis 2010 keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt habe. Er verfüge zudem nicht über steuerliche Kenntnisse. Daher könne nicht erwartet werden, dass er – der Kläger – zu dieser Einkunftsart Eintragungen vornehme. Der steuerlich nicht bewanderte Bürger verstehe die Anlage N nämlich dahingehend, dass dort nur die Einnahmen aus einer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit sowie die damit zusammenhängende Aufwendungen zu erfassen seien. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne nicht auf die fehlenden Angaben zu den Berufsausbildungskosten bei den Sonderausgaben abgestellt werden. Denn andernfalls blieben wesentliche Merkmale des vorliegend relevanten Sachverhaltes völlig unbeachtet. Das bloße Falsch- oder Nichtausfüllen einer Steuererklärung begründe noch kein grobes Verschulden. Der Beklagte habe im Übrigen auch nicht dargelegt, welche maßgeblichen persönlichen Kenntnisse oder Fähigkeiten er – der Kläger – beim Ausfüllen der Steuererklärung nicht beachtet habe. Zudem sei nicht erkennbar, dass in diesem Zusammenhang ein „schweres Maß“ an Verschulden vorliege und welche gebotene Sorgfalt er – der Kläger – in nicht entschuldbarer Weise verletzt habe. Entscheidend sei im vorliegenden Fall, dass weder im Bereich der „Werbungskosten“ noch „irgendwo anders“ ein Hinweis auf die Möglichkeit der Geltendmachung von vorweggenommenen Werbungskosten zu finden sei. Daher habe er – der Kläger – die „speziellen rechtlichen Besonderheiten“ für die Geltendmachung dieser Aufwendungen „nicht im mindesten“ erkennen können. Es sei schon „weit hergeholt“, wenn der Beklagte eine Eintragung im Mantelbogen bei den Sonderausgaben verlange und auf diese Weise einen nicht vorhandenen Zusammenhang der Aufwendungen mit einem anderen Vorgang herzustellen versuche.

11Im Unterschied zu den in der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen gehe es vorliegend nicht lediglich um eine betragsmäßige Änderung von Aufwendungen in demselben rechtlichen Bereich. Die vom Beklagten geforderten Angaben bei den Sonderausgaben stünden vielmehr mit einer völlig anderen Thematik im Zusammenhang und hätten daher mit Blick auf die Werbungskosten „umqualifiziert“ werden müssen. Es sei kaum anzunehmen, dass der Beklagte Erörterungen vorgenommen und eine Verlustfeststellung hinsichtlich der vorweggenommenen Werbungkosten durchgeführt hätte, wenn er – der Kläger – die Angaben bei den Sonderausgaben tatsächlich gemacht hätte. Da sich aufgrund der geringen Einkünfte ohnehin keine Steuer ergeben habe, hätten auch die weiteren Angaben keine unmittelbaren tatsächlichen Auswirkungen gehabt. Vor diesem Hintergrund treffe ihn – den Kläger – lediglich eine geringere Sorgfaltspflicht. Denn wenn ein Steuerpflichtiger auf die nach seiner Meinung und darüber hinaus auch in objektiver Hinsicht völlig sinnlosen Angaben zu weiteren Aufwendungen verzichte, liege darin keine schwere Verletzung seiner Sorgfaltspflichten. Ein solches Unterlassen sei auch nicht unentschuldbar.

12Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Frage der Behandlung von Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung als Werbungkosten noch „relativ jung“ gewesen sei. Für einen steuerrechtlichen Laien mit normalem Bildungsstand und durchschnittlicher Intelligenz sei die verfahrensrechtliche Besonderheit einer ggfls. erforderlichen Verlustfeststellung nicht erkennbar. Diesbezügliche Nachfragen oder Nachforschungen könnten von ihm daher nicht erwartet oder gefordert werden. Er – der Kläger – habe wegen des Fehlens entsprechender Einnahmen auch keine Veranlassung gehabt, sich mit der Anlage N und den dortigen Ausführungen auseinanderzusetzen. Ins-besondere befinde sich auf der Anlage N ohnehin kein Hinweis auf die Möglichkeit, vorweggenommene Werbungskosten geltend machen zu können. Daher sei es auch nicht erforderlich gewesen, sich bei der Finanzverwaltung oder im Internet hierüber zu informieren. Es besteht keine Rechtspflicht, vor dem Ausfüllen der Steuererklärung fachkundigen Rat einzuholen. Insgesamt seien daher die Grundsätze aus den BFH-Urteilen vom 10.8.1988 (IX R 219/84, BFHE 154, 481; BStBl. II 1989, 131), vom 21.7.1989 (III R 303/84, BFHE 157, 488; BStBl. II 1989, 960) und vom 23.1.2001 (XI R 42/00, BFHE 194, 6; BStBl. II 2001, 379) anzuwenden.

13Der Kläger beantragt,

14den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26.12.2012 zu verpflichten, erstmalige Verlustfeststellungsbescheide auf den 31.12.2006, auf den 31.12.2007, auf den 31.12.2008, auf den 31.12.2009 und auf den 31.12.2010 zu erlassen und dabei die in den am 27.12.2011 eingereichten Einkommensteuererklärungen geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

15Der Beklagte beantragt,

16die Klage abzuweisen.

17Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung.

18Entscheidungsgründe

19Die Klage ist unbegründet.

20Der Beklagte hat den Erlass von Verlustfeststellungsbescheiden für die Streitjahre zu Recht abgelehnt, da die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Die den nachträglich erklärten Verlusten zugrunde liegenden Einkommensteuerfestsetzungen für 2006 bis 2010 sind bestandskräftig und nicht mehr änderbar.

211.

22Gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG ist § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG auf alle nach dem 13.12.2010 erstmals erklärten Verluste anzuwenden. Das ist vorliegend der Fall, da der Kläger die streitigen Verluste erstmals am 27.12.2011 geltend machte.

23Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG sind die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. Darüber hinaus dürfen Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG nur insoweit abweichend von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG berücksichtigt werden, als die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.

24Dementsprechend scheidet eine erstmalige oder geänderte Verlustfeststellung zum Ende eines Veranlagungszeitraums aus, wenn die Einkommensteuerfestsetzungen für diesen Veranlagungszeitraum und für den vom Verlustrücktrag betroffenen Veranlagungszeitraum verfahrensrechtlich nicht mehr änderbar sind (vgl. auch Heinicke, in: Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 10d Rn 47 m.w.N.).

252.

26Die Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 2006 bis 2010 sind bestandskräftig. Die Voraussetzungen für eine zur Berücksichtigung der vom Kläger nachträglich geltend gemachten Verluste bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alleine in Betracht kommende Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind nicht gegeben.

27a)

28Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden. Grobes Verschulden im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. nur BFH-Urteile vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545; vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl. II 1995, 264; vom 23. Januar 2001 XI R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl. II 2001, 379 und vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 369, BStBl. II 2005, 75, jeweils m.w.N.).

29Ein grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegt aber nicht schon dann vor, wenn die Abgabe einer unvollständigen Steuererklärung alleine auf einem subjektiv entschuldbaren Rechtsirrtum beruht (vgl. nur BFH-Urteile vom 21. Juli 1989 III R 303/84, BFHE 157, 488, BStBl. II 1989, 960 und vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl. II 1992, 65). Da die Angaben in der Erklärung gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 AO nach bestem Wissen und Gewissen zu machen sind, muss allerdings auch ein Steuerpflichtiger, dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlen, die im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellten Fragen beantworten und die dem Steuererklärungsformular beigefügten Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt durchlesen und beachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind. Deshalb handelt ein Steuerpflichtiger regelmäßig grob schuldhaft, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte und auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet (vgl. nur BFH-Urteile vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545 und vom 22. Mai 1992 VI R 17/91, BStBl. II 1993, 80 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2009 X B 199/09, BFH/NV 2010, 598). Dies gilt auch dann, wenn ein Steuerpflichtiger deshalb keine Angaben in seinem Erklärungsvordruck macht, weil er aufgrund eines Irrtums der Meinung ist, dass die Angaben in seinem Fall nicht von Bedeutung seien (vgl. nur BFH-Beschluss vom 28. Juli 2011 IX B 47/11, BFH/NV 2012, 1 und BFH-Urteil vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545; jeweils m.w.N.). Bei Zweifelsfragen muss sich auch der steuerlich nicht beratene Steuerpflichtige um Klärung – etwa durch eine Rückfrage bei der Finanzbehörde – bemühen (vgl. nur BFH-Urteile vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545 und vom 14. Oktober 2009 X R 14/08, BFHE 227, 312, BStBl. II 2010, 533).

30b)

31Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze, die sich der Senat zueigen macht, sind die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzungen für 2006 bis 2010 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht gegeben.

32aa)

33Der Umstand, dass dem Kläger für sein Studium Aufwendungen entstanden sind, wurden dem Beklagten erst nach dem Erlass der Steuerbescheide für die Streitjahre und somit nachträglich im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bekannt (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 23. Januar 2001 X R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl. II 2001, 379 m.w.N.).

34bb)

35Den Kläger trifft an diesem nachträglichen Bekanntwerden ein grobes Verschulden.

36(a)

37Dabei ist für das Jahr 2006 zu berücksichtigen, dass ein Steuerpflichtiger durch das Merkmal des groben Verschuldens in § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dazu angehalten werden soll, die zu seinem Verantwortungsbereich gehörenden steuerlich relevanten Tatsachen rechtzeitig vorzubringen (vgl. nur BFH-Urteile vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl. II 2005, 75 und vom 9. März 1990 VI R 19/85, BFH/NV 1990, 619, jeweils m.w.N.). Die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung bleibt auch dann bestehen, wenn die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt hat. Deshalb muss ein Steuerpflichtiger, der es grob schuldhaft unterlassen hat, seiner Erklärungspflicht vor Eintritt der Bestandskraft nachzukommen, es in aller Regel hinnehmen, dass der Bescheid nicht mehr zu seinen Gunsten geändert werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl. II 2005, 75 und vom 9. März 1990 VI R 19/85, BFH/NV 1990, 619, jeweils m.w.N.). Der Kläger hat für das Jahr 2006 erst am 27.12.2011 – und mithin mehr als drei Jahre nach dem Eintritt der Bestandskraft des für dieses Jahr vom Beklagten erlassenen Schätzungsbescheids – eine Steuererklärung abgegeben. Damit hat er es grob schuldhaft unterlassen, die von ihm nunmehr begehrten Berufsausbildungskosten bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Rahmen des Veranlagungsverfahrens bzw. im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen den Schätzungsbescheid geltend zu machen.

38(b)

39Darüber hinaus hat er die in den jeweiligen Steuererklärungsformularen für 2006 bis 2010 ausdrücklich gestellte Frage nach den „Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung“ nicht beantwortet und die entsprechenden Felder unausgefüllt gelassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sich die Frage nach den Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung nicht auf der Anlage N, sondern im Bereich der Sonderausgaben auf dem Mantelbogen befand. Denn ist zu berücksichtigen, dass sich der Vorwurf des groben Verschuldens im Rahmen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf die Verletzung der Mitwirkungs- und Erklärungspflichten in Form des nachträglichen Bekanntwerdens einer Tatsache (vgl. dazu nur BFH-Urteil vom 14. Oktober 2009 X R 14/08, BFHE 227, 312, BStBl. II 2010, 533) und nicht auf die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen bzw. – im vorliegenden Zusammenhang – auf die rechtliche Einordnung der nachträglich geltend gemachten Aufwendungen als (vorweggenommene) Werbungskosten oder Sonderausgaben bezieht. Vor diesem Hintergrund ist die Verortung der Frage nach den Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung im Bereich der Sonderausgaben oder aber im Bereich der Werbungkosten – unabhängig davon, dass derartige Aufwendungen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einerseits als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder aber andererseits als (vorweggenommene) Werbungskosten nach § 9 EStG in Betracht kommen können – jedenfalls in der vorliegenden Konstellation für die Beurteilung des groben Verschuldens ohne Bedeutung. Insbesondere ist die Verortung im Bereich der Sonderausgaben mit Blick auf die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht überraschend.

40Zudem ist die in den Steuererklärungsvordrucken für 2006 bis 2010 auf einen konkreten Vorgang (hier: Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung) bezogene Fragestellung eindeutig und auch für den steuerlichen Laien ausreichend verständlich. Denn unter den Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung werden im allgemeinen Sprachgebrauch alle Aufwendungen verstanden, die zur Erlangung von Kenntnissen für die (spätere) Ausübung eines Berufs anfallen. Hierzu zählen insbesondere auch die im Zusammenhang mit einem Studium anfallenden Kosten, zumal das Studium nach allgemeinem Sprachverständnis auf die Ausübung eines Berufs vorbereiten soll. Obwohl der Kläger als ausgebildeter Tiefbaufacharbeiter und als Student des Bauingenieurwesens in der Lage war, die Frage nach den Berufsausbildungskosten inhaltlich zu verstehen und eine entsprechende Zuordnung der Studienkosten vorzunehmen, hat er die in den Steuererklärungsvordrucken hierfür vorgesehenen Felder trotz der dort ausdrücklich geforderten Angabe unausgefüllt gelassen und sich damit grob schuldhaft im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO verhalten. Selbst wenn der Kläger Zweifel gehabt hätte, ob die Aufwendungen für sein Studium unter die Rubrik „Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung“ fallen, hätte er diesen Zweifeln beim Ausfüllen der Steuererklärung nachgehen können und müssen (vgl. nur BFH-Urteil vom 14. Oktober 2009 X R 14/08, BFHE 227, 312, BStBl. II 2010, 533).

41(c)

42Für die Frage des Verschuldens des Klägers am nachträglichen Bekanntwerden der Aufwendungen kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte im Fall der rechtzeitigen Geltendmachung der Aufwendungen in weitere Erörterungen eingetreten wäre und ob er einen Verlustfeststellungsbescheid erlassen hätte. Darüber hinaus führt der vom Kläger angeführte (rechtliche) Umstand, dass die steuerliche Behandlung von Ausbildungskosten beim damaligen Ausfüllen der ursprünglichen Steuererklärungen noch „relativ jung“ gewesen sei, nicht zu einer anderen Beurteilung im Hinblick auf das grobe Verschulden wegen des nachträglichen Bekanntwerdens von Tatsachen, die im Steuererklärungsformular ausdrücklich abgefragt werden. Schließlich lässt auch der Einwand des Klägers, es habe für ihn mit Blick auf seine geringen Vermietungseinkünfte und die daraus folgende „Nullfestsetzung“ keine Veranlassung zur Angabe der Studienkosten bzw. zur Geltendmachung weiterer Aufwendungen bestanden, den Vorwurf des groben Verschuldens im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht entfallen (vgl. in diesem Zusammenhang auch BFH-Beschluss vom 28. Juli 2011 IX B 47/11, BFH/NV 2012, 1 und BFH-Urteil vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545; jeweils m.w.N.).

43Die vom Kläger angeführten Urteile des BFH vom 23. Januar 2001 (XI R 42/00, BFHE 194, 6; BStBl. II 2001, 379), vom 21. Juli 1989 (III R 303/84, BFHE 157, 488; BStBl. II 1989, 960) und vom 10. August 1988 (IX R 219/84, BFHE 154, 481; BStBl. II 1989, 131) stehen der Gesamtbeurteilung nicht entgegen, zumal sie zu abweichenden Sachverhalten ergangen waren. Im Übrigen wurden die dort für die Beurteilung des groben Verschuldens aufgestellten Rechtsgrundsätze vorliegend berücksichtigt.

443.

45Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.