BFH: Keine Bindung an eine den Verlust des Freizügigkeitsrechts feststellende Entscheidung der Ausländerbehörde im Kindergeldrecht

BFH, Urteil III R 36/23 vom 25.04.2024

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 25. April 2024 entschieden, dass die Familienkasse im Rahmen der Kindergeldfestsetzung eine uneingeschränkte Prüfungskompetenz hinsichtlich der Freizügigkeitsberechtigung des Anspruchstellers hat, auch wenn die Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt hat.

Leitsätze des Urteils

  1. Prüfungskompetenz der Familienkasse: Gemäß § 62 Abs. 1a Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht bei Kindergeldfestsetzungen für nach dem 31.07.2019 beginnende Zeiträume eine uneingeschränkte Prüfungskompetenz der Familienkasse für die in § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG vorausgesetzte Freizügigkeitsberechtigung des Anspruchstellers.
  2. Eigenständige Prüfungspflicht: Eine eigenständige Prüfungspflicht der Familienkasse besteht auch dann, wenn die Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrechts gemäß § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) festgestellt hat. Der Bescheid der Ausländerbehörde entfaltet bei der Prüfung des Kindergeldanspruchs keine echte Tatbestandswirkung.
  3. Keine teleologische Reduktion: Eine teleologische Reduktion des § 62 Abs. 1a Satz 4 EStG kommt nicht in Betracht.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin, eine rumänische Staatsangehörige, lebte seit April 2019 in Deutschland und war ab November 2021 bei einer deutschen Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Die Ausländerbehörde stellte im November 2021 den Verlust des Freizügigkeitsrechts der Klägerin fest, da sie weniger als fünf Jahre in Deutschland wohnte und keine Erwerbstätigkeit ausübte. Aufgrund dieser Entscheidung hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Dezember 2021 auf. Nachdem die Ausländerbehörde im April 2022 die Verlustfeststellung aufhob und die Freizügigkeitsberechtigung der Klägerin anerkannte, bewilligte die Familienkasse Kindergeld ab April 2022 erneut. Die Klägerin klagte auf Kindergeld für den Zeitraum Dezember 2021 bis März 2022.

Entscheidung des BFH

  1. Kindergeldanspruch bejaht: Das Finanzgericht (FG) und der BFH bejahten den Kindergeldanspruch der Klägerin für den Zeitraum Dezember 2021 bis März 2022, da die Klägerin während des gesamten Zeitraums freizügigkeitsberechtigt war.
  2. Eigenständige Prüfung der Freizügigkeitsberechtigung: Die Familienkasse hat gemäß § 62 Abs. 1a Satz 4 EStG die Freizügigkeitsberechtigung eigenständig zu prüfen, unabhängig von der Entscheidung der Ausländerbehörde.
  3. Kein Vertrauensschutz durch Feststellung der Ausländerbehörde: Der Bescheid der Ausländerbehörde über den Verlust des Freizügigkeitsrechts entfaltet keine Tatbestandswirkung bei der Prüfung des Kindergeldanspruchs durch die Familienkasse. Die Familienkasse ist verpflichtet, die Freizügigkeitsberechtigung selbst zu überprüfen.
  4. Teleologische Reduktion nicht gerechtfertigt: Eine Einschränkung der Prüfungskompetenz der Familienkasse durch teleologische Reduktion des § 62 Abs. 1a Satz 4 EStG ist nicht gerechtfertigt, da der Wortlaut der Norm eine umfassende Prüfungskompetenz der Familienkasse vorsieht.

BFH: Mittelbare Anteilsvereinigung bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft („RETT-Blocker“) – Kein Vertrauensschutz

BFH, Urteil II R 7/22 vom 28.02.2024

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 28. Februar 2024 entschieden, dass bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft, die an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, die Beteiligung am Gesellschaftskapital maßgeblich ist und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen. Dies gilt sowohl für zwischengeschaltete Kapital- als auch für Personengesellschaften.

Leitsätze des Urteils

  1. Beteiligung am Gesellschaftskapital: Bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, ist als Anteil im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgebend. Dies bestätigt das Urteil des BFH vom 27.09.2017 – II R 41/15.
  2. Rückwirkende Anwendung des BFH-Urteils vom 27.09.2017: Die rückwirkende Anwendung des BFH-Urteils auf einen Anteilserwerb im Jahr 2012 verstößt nicht gegen Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), da kein schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen in die frühere Rechtslage bestehen konnte.
  3. Objektive Anzeigepflichten: Die grunderwerbsteuerrechtlichen Anzeigepflichten bestehen objektiv und auch dann, wenn ein bereits erfolgter Rechtsvorgang durch die Rechtsprechung als steuerbar angesehen wird, bei dem der Steuerpflichtige subjektiv nicht wusste, dass eine Anzeige zu erstatten ist.
  4. Billigkeitsantrag: Wenn das Finanzgericht einen Billigkeitsantrag auf Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf 0 € mangels Ermessensreduzierung auf Null ablehnt und die Finanzbehörde zur Neubescheidung des Antrags verpflichtet, kann der Steuerpflichtige im Revisionsverfahren seinen Antrag weiter verfolgen.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin, eine luxemburgische Kapitalgesellschaft, war Kommanditistin der G-KG, die eine GmbH als Komplementärin hatte. Am 9. Februar 2012 erwarben die Klägerin und die G-KG Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft GL. Der Erwerbsvorgang wurde erst 2019 dem Finanzamt (FA) angezeigt, das daraufhin Grunderwerbsteuer festsetzte. Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein und beantragte zudem die Festsetzung der Steuer auf 0 € aus Billigkeitsgründen. Das Finanzgericht (FG) wies den Antrag ab, verpflichtete jedoch die Finanzbehörde zur Neubescheidung.

Entscheidung des BFH

  1. Zurückweisung der Revision: Der BFH wies die Revision der Klägerin gegen das Urteil des FG zurück und bestätigte, dass der Erwerbsvorgang vom 9. Februar 2012 nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt.
  2. Kein Vertrauensschutz: Die Klägerin konnte sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da keine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung bestand, die die sachenrechtliche Beteiligung an der zwischengeschalteten Personengesellschaft für maßgeblich erklärte. Die rückwirkende Anwendung des BFH-Urteils vom 27.09.2017 verstößt somit nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip.
  3. Anzeigepflichten: Die objektiven Anzeigepflichten bestehen auch unabhängig vom subjektiven Wissen der Steuerpflichtigen. Daher war die Festsetzungsverjährung nicht abgelaufen, da die Anzeigepflicht nicht erfüllt wurde.
  4. Billigkeitsantrag: Das Ermessen des FA war nicht auf Null reduziert. Die Steuerfestsetzung entsprach der Gesetzeslage und war nicht aus sachlichen Billigkeitsgründen zu ändern.

BFH zu „in camera“-Verfahren (§ 86 Abs. 1 FGO) bei Umsatzsteuersatzermäßigung

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BFH, Beschluss V S 15/22 vom 29.05.2024

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Beschluss vom 29. Mai 2024 (V S 15/22) entschieden, dass bei einer Konkurrentenklage gegen die Steuersatzermäßigung der Umsätze eines gemeinnützigen Steuerpflichtigen bestimmte Akten vorzulegen sind, wenn diese für die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) relevant sind. Dabei müssen jedoch das Steuergeheimnis und das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt werden.

Leitsatz des Beschlusses

  1. Der bei einer Konkurrentenklage beigeladene Steuerpflichtige ist Dritter im Sinne des § 86 Abs. 1 FGO. Die Offenbarung durch das Steuergeheimnis geschützter Daten im Rahmen von § 30 Abs. 4 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ist zulässig, wenn dabei das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt wird.
  2. Bei einer Konkurrentenklage gegen die Steuersatzermäßigung der Umsätze eines gemeinnützigen Steuerpflichtigen sind Akten nach § 86 Abs. 1 FGO nur insoweit vorzulegen, als § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) eine drittschützende Wirkung hat, etwa in Bezug auf das Vorliegen eines Zweckbetriebs oder die in Satz 3 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin, die Wäschereidienstleistungen anbietet, erhob eine Konkurrentenklage gegen die Steuerermäßigung der Umsätze der Beigeladenen zu 1, einer gemeinnützigen Organisation, die ebenfalls Wäschereidienstleistungen erbringt. Die Klägerin beantragte, dass die Umsätze der Beigeladenen zu 1 mit dem allgemeinen Steuersatz statt mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden.

Entscheidung des BFH

Der BFH stellte fest, dass die Weigerung des Finanzamts (FA), bestimmte Akten vorzulegen, teilweise rechtswidrig ist. Die vollständigen Umsatzsteuerakten der Beigeladenen zu 1 für den Besteuerungszeitraum 2013 sowie alle relevanten Unterlagen zur Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG im Streitjahr müssen dem FG vorgelegt werden, wobei sensible Informationen zu schwärzen sind.

Wesentliche Gründe

  1. Offenlegungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 FGO:
    • Das FA ist verpflichtet, Akten und Urkunden vorzulegen, soweit dadurch nicht das Steuergeheimnis verletzt wird. Der bei einer Konkurrentenklage beigeladene Steuerpflichtige gilt als Dritter im Sinne des § 86 Abs. 1 FGO, und die Offenbarung geschützter Daten ist zulässig, wenn sie der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens in Steuersachen dient und das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt wird.
  2. Verhältnismäßigkeitsprinzip:
    • Bei der Offenbarung geschützter Daten müssen verschiedene Rechtsgüter abgewogen werden, darunter das Grundrecht des Wettbewerbers auf effektiven Rechtsschutz und das Recht des beigeladenen Steuerpflichtigen auf Berufsfreiheit sowie der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.
  3. Drittschützende Vorschriften:
    • Drittschützenden Charakter haben die Regelungen zu den Zweckbetrieben (§§ 65 bis 68 AO) und die Voraussetzungen eines Integrationsprojekts im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 und 2 UStG. Diese Vorschriften schützen Wettbewerber und sind somit entscheidungserheblich.
  4. Beschränkung der Vorlagepflicht:
    • Die Vorlage der Akten muss verhältnismäßig sein und darf keine sensiblen Informationen enthalten, die der Konkurrent bei seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verwerten kann. Daher sind umsatz- oder aufwandsbezogene Angaben zu schwärzen, während Angaben zur Beschäftigungsquote und zur Frage, ob die Voraussetzungen eines Integrationsprojekts erfüllt sind, offenzulegen sind.

Quelle

Bundesfinanzhof, Beschluss V S 15/22 vom 29.05.2024


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BFH zur Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte

BFH, Beschluss VIII B 113/23 (AdV) vom 07.06.2024

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Beschluss vom 7. Juni 2024 (VIII B 113/23) festgestellt, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei summarischer Prüfung nicht mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist.

Leitsatz des Beschlusses

Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen summarischen Prüfung ist die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020 (BGBl. I 2020, 3096) nicht mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar.

Hintergrund des Falls

Die Antragsteller, die für das Jahr 2021 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, erzielten neben anderen Einkünften auch Gewinne und Verluste aus Termingeschäften. Das Finanzamt (FA) beschränkte die Verrechnung der Verluste aus Termingeschäften auf 20.000 €, was zu einer höheren Steuerbelastung führte. Die Antragsteller erhoben Einspruch und beantragten die Aussetzung der Vollziehung (AdV), da sie die Verlustverrechnungsbeschränkung für verfassungswidrig hielten.

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Beschwerde des FA gegen den Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz zurück und bestätigte die AdV. Dabei führte er aus, dass ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung bestehen.

Wesentliche Gründe

  1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit:
    • Der BFH erkannte bei summarischer Prüfung, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen könnte. Die Regelung führt zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielen, gegenüber solchen mit Verlusten aus anderen Kapitalanlagen.
  2. Asymmetrische Besteuerung:
    • Die Regelung führt zu einer asymmetrischen Besteuerung, bei der Gewinne aus Termingeschäften voll besteuert werden, Verluste jedoch nur begrenzt verrechnet werden können. Dies widerspricht dem objektiven Nettoprinzip, wonach Gewinne und Verluste steuerlich gleich behandelt werden sollten.
  3. Keine ausreichende Rechtfertigung:
    • Die gesetzliche Differenzierung wird nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Der angebliche Zweck, Verlustrisiken zu begrenzen, wird durch die Regelung nicht erreicht. Vielmehr werden Steuerpflichtige dazu angehalten, weiterhin in Termingeschäfte zu investieren, um ihre Verluste verrechnen zu können.
  4. Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit:
    • Die Beschränkung beeinträchtigt die freie Wahl der Kapitalanlageobjekte und -formen, was gegen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verstößt.
  5. Gefahr des endgültigen Verlustuntergangs:
    • Die Regelung kann dazu führen, dass Verluste aus Termingeschäften in der Totalperiode nicht vollständig ausgeglichen werden können, was den Kernbereich einer Nettoertragsbesteuerung verletzt.

Quelle

Bundesfinanzhof, Beschluss VIII B 113/23 (AdV) vom 07.06.2024


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BFH zur Begrenzung der rückwirkenden Auszahlung festgesetzten Kindergeldes auf sechs Monate

BFH, Urteil III R 27/22 vom 25.04.2024

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 25. April 2024 (III R 27/22) entschieden, dass die Begrenzung der rückwirkenden Auszahlung festgesetzten Kindergeldes auf sechs Monate gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf den Zeitpunkt des Antragseingangs ankommt und nicht auf die Entstehung des Kindergeldanspruchs.

Leitsätze des Urteils

  1. Anwendung des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG: Für die zeitliche Anwendung der Regelung zur Begrenzung der rückwirkenden Auszahlung von Kindergeld ist der Zeitpunkt des Antragseingangs entscheidend („nach dem 18. Juli 2019“) gemäß § 52 Abs. 50 Satz 1 EStG.
  2. Keine Übergangsregelung erforderlich: Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, aus Vertrauensschutzgründen eine Übergangsregelung für vor dem 18. Juli 2019 bereits entstandene Kindergeldansprüche zu schaffen.

Hintergrund des Falls

Der Kläger hatte am 5. August 2019 Kindergeld für die Monate ab August 2018 für seine Stieftochter beantragt. Die Familienkasse setzte Kindergeld für den Zeitraum August 2018 bis Oktober 2019 fest, begrenzte jedoch die Auszahlung auf die letzten sechs Monate vor der Antragstellung, also Februar 2019 bis Juli 2019. Der Kläger argumentierte, dass diese Begrenzung nicht rechtens sei, und legte Einspruch ein, der jedoch abgewiesen wurde. Auch die Klage vor dem Finanzgericht blieb erfolglos.

Entscheidung des BFH

Der BFH bestätigte die Vorinstanzen und wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Die Begrenzung der rückwirkenden Auszahlung festgesetzten Kindergeldes sei rechtmäßig und verstoße weder gegen Vertrauensschutzprinzipien noch gegen verfassungsrechtliche Vorgaben. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG den Gestaltungsspielraum nicht überschritten, und es sei sachlich gerechtfertigt, den Zeitpunkt des Antragseingangs als Kriterium für die Anwendung der Ausschlussfrist festzulegen.

Wesentliche Punkte des Urteils

  • Sechsmonatsfrist: Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag eingegangen ist.
  • Keine Vertrauensschutzregelung: Es besteht keine Verpflichtung des Gesetzgebers, eine Übergangsregelung für vor dem 18. Juli 2019 entstandene Kindergeldansprüche zu schaffen.
  • Keine verfassungsrechtlichen Bedenken: Die Regelung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder den Schutz der Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG.

Der Volltext des Urteils ist als LEXinform-Dokument Nr. 0954215 verfügbar.

Quelle

Bundesfinanzhof, Urteil III R 27/22 vom 25.04.2024


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Erbschaft-/Schenkungsteuer – 27. Juni 2024: BFH-Urteil zu Parkhäusern als Verwaltungsvermögen

BFH, Pressemitteilung Nr. 29/24 vom 27.06.2024 zum Urteil II R 27/21 vom 28.02.2024

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 28. Februar 2024 (II R 27/21) entschieden, dass ein Parkhaus im Rahmen der Erbschaftsteuer als nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen gilt.

Hintergrund des Falls

Der Kläger, testamentarisch eingesetzter Alleinerbe seines im Jahr 2018 verstorbenen Vaters, erbte unter anderem ein mit einem Parkhaus bebautes Grundstück. Der Erblasser hatte das Parkhaus zunächst selbst als Einzelunternehmer betrieben und ab dem Jahr 2000 unbefristet an den Kläger verpachtet. Das Finanzamt stellte fest, dass das Parkhaus als Verwaltungsvermögen einzustufen ist, welches nicht von der Erbschaftsteuer begünstigt wird. Sowohl das Finanzgericht als auch der BFH bestätigten diese Auffassung.

Kernaussagen des Urteils

Nach Auffassung des BFH ist Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer grundsätzlich privilegiert, jedoch nicht, wenn es sich um Verwaltungsvermögen handelt. Verwaltungsvermögen umfasst u.a. „Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke“. Auch wenn der Erblasser seinen Gewerbebetrieb unbefristet verpachtet und den Pächter als Erben einsetzt, bleibt das Parkhaus Verwaltungsvermögen, da es bereits vor der Verpachtung nicht die Voraussetzungen für eine steuerliche Begünstigung erfüllte. Das Parkhaus diente zur Überlassung von Parkplätzen an Dritte, was nicht als begünstigte Nutzung im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes gilt.

Wichtige Details

  • Verwaltungsvermögen: Grundstücke, die Dritten zur Nutzung überlassen werden, sind erbschaftsteuerlich nicht begünstigt.
  • Keine Ausnahme für Parkhäuser: Auch die zusätzliche Erbringung von Dienstleistungen wie Ein- und Ausfahrtkontrollen oder Zahlungsdienstleistungen ändert nichts an der Einstufung als Verwaltungsvermögen.
  • Keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung: Der BFH sieht in der Nichtbegünstigung von Parkhausbetrieben keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Betrieben, die der Gesetzgeber als förderungswürdig ansieht, wie z.B. Brauereibetriebe oder land- und forstwirtschaftliche Betriebe.

Der vollständige Text des Urteils ist als LEXinform-Dokument Nr. 0953731 verfügbar.

Quelle

Bundesfinanzhof, Pressemitteilung Nr. 29/24, Urteil II R 27/21 vom 28.02.2024


Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die Bewertung von Immobilien im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Für detaillierte Informationen und individuelle Beratung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns über unsere Webseite oder rufen Sie uns an.

Beginn der Mitteilungsverpflichtung nach § 146a Absatz 4 Abgabenordnung (AO)

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 2 – S-0316-a / 19 / 10011 :009 vom 28.06.2024

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 28. Juni 2024 die Mitteilungsverpflichtung über den Einsatz oder die Außerbetriebnahme eines elektronischen Aufzeichnungssystems gemäß § 146a Absatz 1 Abgabenordnung (AO) nach § 146a Absatz 4 AO geregelt.

Hintergrund

Durch das BMF-Schreiben vom 6. November 2019 – IV A 4 – S 0319/19/10002 :001, DOK 2019/0891800 – (BStBl I S. 1010) wurde diese Mitteilungsverpflichtung bis zur Bereitstellung einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit ausgesetzt. Diese Übermittlungsmöglichkeit wird ab dem 1. Januar 2025 über das Programm „Mein ELSTER“ und die ERiC-Schnittstelle zur Verfügung stehen.

Wesentliche Punkte des neuen Schreibens

Nach intensiven Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wurde im neuen Schreiben vom 28.06.2024 die Mitteilungspflicht bezüglich des Einsatzes und der Außerbetriebnahme von EU-Taxametern und Wegstreckenzählern festgelegt.

Elektronische Übermittlung

Ab dem 1. Januar 2025 müssen Unternehmen, die elektronische Aufzeichnungssysteme im Sinne des § 146a Absatz 1 AO einsetzen oder außer Betrieb nehmen, dies elektronisch über „Mein ELSTER“ oder die ERiC-Schnittstelle mitteilen. Dies betrifft insbesondere:

  • EU-Taxameter: Geräte, die zur Erfassung und Aufzeichnung von Fahrpreisen in Taxis verwendet werden.
  • Wegstreckenzähler: Geräte, die zur Erfassung und Aufzeichnung von zurückgelegten Entfernungen in Mietwagen oder anderen Fahrzeugen verwendet werden.

Ziel der Regelung

Die Einführung der elektronischen Übermittlung soll die Effizienz und Transparenz bei der Mitteilungspflicht erhöhen und eine zeitnahe sowie korrekte Erfassung der entsprechenden Daten sicherstellen.

Veröffentlichung

Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des Bundesministeriums der Finanzen.

Quelle

Bundesministerium der Finanzen


Diese neue Regelung ist ein wichtiger Schritt zur Modernisierung und Digitalisierung der Steuerverwaltung. Für detaillierte Informationen und Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Mitteilungspflichten stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns über unsere Webseite oder rufen Sie uns an.

Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu §§ 89 und 89a

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV B 5 – S-1305 / 19 / 10003 :008 vom 26.06.2024

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder eine Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) vom 31. Januar 2014 (BStBl I S. 290) veröffentlicht. Diese Änderung betrifft insbesondere die §§ 89 und 89a AO und hebt das BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2006 (BStBl I S. 594) auf.

I. Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung

Neuer AEAO zu § 89a

Der aktualisierte AEAO zu § 89a umfasst folgende Punkte:

  1. Eröffnung des Vorabverständigungsverfahrens
  2. Inhalt und Umfang des Antrags
  3. Abschluss oder anderweitige Beendigung des Vorabverständigungsverfahrens
  4. Bindungswirkung der Vorabverständigungsvereinbarung
  5. Widerruf
  6. Geltungszeitraum und Roll Back
  7. Gebühren

Änderung des AEAO zu § 89

Ein neuer Absatz wurde in Nr. 3.5.4. des AEAO zu § 89 hinzugefügt:

„Verbindliche Auskünfte sollen ferner nicht erteilt werden, wenn für den maßgeblichen Sachverhalt auch ein Vorabverständigungsverfahren nach § 89a AO in Betracht kommt, insbesondere wenn Verrechnungspreise oder Betriebsstättengewinnabgrenzungen Gegenstand der beantragten verbindlichen Auskunft sind.“

II. Anwendungsregelung und Aufhebung des BMF-Schreibens vom 5. Oktober 2006

Anwendungsregelung

  • Der neue AEAO zu § 89a gilt für alle Vorabverständigungsverfahren, deren Anträge nach dem 08.06.2021 bei der zuständigen Behörde eingegangen sind (vgl. Artikel 97 § 34 Satz 1 EGAO).
  • Der neue Absatz 2 der Nr. 3.5.4. des AEAO zu § 89 gilt für alle verbindlichen Auskünfte, die nach dem 08.06.2021 bei der zuständigen Behörde beantragt wurden.

Aufhebung des BMF-Schreibens vom 5. Oktober 2006

Das BMF-Schreiben vom 05.10.2006 – IV B 4 – S 1341 – 38/06 -, BStBl I S. 594 („Merkblatt für bilaterale oder multilaterale Vorabverständigungsverfahren auf der Grundlage der Doppelbesteuerungsabkommen zur Erteilung verbindlicher Vorabzusagen über Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen („Advance Pricing Agreements“ – APAs)“) wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Auf bereits anhängige Vorabverständigungsverfahren, deren Anträge bis zum 08.06.2021 bei der zuständigen Behörde eingegangen sind, ist es weiterhin anzuwenden.

Veröffentlichung

Das vollständige Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht und ist auf der Homepage des BMF einsehbar.

Quelle

Bundesministerium der Finanzen


Diese Änderungen sollen die Verfahren zur Vorabverständigung und verbindlichen Auskunftserteilung effizienter und transparenter gestalten. Für detaillierte Informationen und individuelle Beratung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns über unsere Webseite oder rufen Sie uns an.

Ampel will Steuerentlastung für Landwirte

Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 27.06.2024

Die Ampel-Fraktionen aus SPD, Grünen und FDP setzen sich für eine steuerliche Entlastung der Land- und Forstwirtschaft ein. Hierzu haben sie einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (20/11947), der eine befristete Tarifermäßigung bis zum Jahr 2028 vorsieht. Diese Maßnahme reaktiviert eine Regelung, die bereits bis zum Veranlagungszeitraum 2022 galt.

Ziel der Maßnahme

Mit der geplanten Steuererleichterung soll die steuerliche Progressionswirkung für Landwirte gemildert werden. Konkret wird die Steuer auf einen Betrag gesenkt, der sich ergäbe, wenn die Einkünfte gleichmäßig über drei Jahre verteilt erwirtschaftet worden wären. Dies soll die Schwankungen in den Einkünften ausgleichen und eine stabilere finanzielle Planung ermöglichen.

Finanzielle Auswirkungen

Die Steuermindereinnahmen werden für den Dreijahreszeitraum auf etwa 150 Millionen Euro geschätzt. Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates, bevor es in Kraft treten kann.

Quelle

Deutscher Bundestag, hib-Nr. 460/2024

Durchschnittssatz für Landwirte sinkt auf 7,8 Prozent

Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 27.06.2024

Ab 2025 wird der Durchschnittssatz für Landwirte auf 7,8 Prozent gesenkt. Dies geht aus einer Mitteilung der Bundesregierung an den Bundestag hervor (20/11920). Bisher lag dieser Satz bei 9,0 Prozent.

Hintergrund

Gemäß § 24 Absatz 5 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) überprüft das Bundesministerium der Finanzen jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes und berichtet darüber dem Deutschen Bundestag. Die Anpassung des Durchschnittssatzes reflektiert Veränderungen in der landwirtschaftlichen Branche und soll die steuerliche Belastung der Landwirte fair gestalten.

Quelle

Deutscher Bundestag, hib-Nr. 460/2024


Diese steuerlichen Anpassungen sind Teil der kontinuierlichen Bemühungen der Regierung, die wirtschaftlichen Bedingungen für Landwirte zu verbessern und sie in ihrer wichtigen Rolle zu unterstützen. Für weitere Informationen und individuelle Beratung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns über unsere Webseite oder rufen Sie uns an.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin