Steuerbarkeit eines Stipendiums für eine libysche Gastärztin

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Thema: Steuern: Alle Steuerzahler

vom: 15.01.2021



Ein Stipendium, das eine libysche Gastärztin vom libyschen Staat für ihre Facharztweiterbildung in Deutschland erhält, kann zu den sonstigen Einkünften gehören und damit der Einkommensteuer unterliegen. Dies ist der Fall, wenn die Weiterbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt, das Stipendium dafür gezahlt wird, dass die Verpflichtungen aus dem Dienstverhältnis erfüllt werden, und das Stipendium die fehlende Entlohnung aus dem Dienstverhältnis ausgleichen soll.

Hintergrund: Zu den steuerbaren sonstigen Einkünften gehören auch wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu einer der übrigen Einkunftsarten wie z.B. zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb gehören. Ausgenommen sind aber wiederkehrende Bezüge, die freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder aber einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person bezahlt werden.

Sachverhalt: Die Klägerin ist Libyerin und absolvierte 2014 in Deutschland als sog. Gastärztin eine Facharztweiterbildung, für die sie von dem Krankenhaus, an dem sie tätig war, keine Vergütung erhielt. Die Klägerin erhielt allerdings von der Libyschen Botschaft ein monatliches Stipendium; außerdem übernahm die Botschaft ihre Krankenversicherung. Das Finanzamt sah in den Stipendiumsleistungen steuerbare sonstige Einkünfte in Gestalt wiederkehrender Bezüge.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das stattgebende Urteil des Finanzgerichts (FG) auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurück:

  • Zwar dürfte es sich bei dem Stipendium nicht um Arbeitslohn gehandelt haben, der auch von dritter Seite gezahlt werden kann. Arbeitslohn von dritter Seite liegt nämlich nicht vor, wenn der Dritte nicht im Interesse des Arbeitgebers zahlt, also die Klinik nicht entlasten will, sondern eigenwirtschaftliche Interessen verfolgt. Zu diesen Interessen könnte hier die Stärkung des libyschen Gesundheitssystems gehört haben; denn die Klägerin sollte nach ihrer Weiterbildung in Deutschland wieder zurück nach Libyen gehen.

  • Es ist aber denkbar, dass das Stipendium zu steuerbaren wiederkehrenden Bezügen und damit zu sonstigen Einkünften geführt hat. Wiederkehrende Bezüge liegen vor, wenn Zahlungen aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder Rechtsgrunds wiederholend erbracht werden; die Höhe der Zahlungen muss aber nicht identisch sein. Außerdem muss durch die Zahlungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gestärkt werden; daher gehören solche regelmäßigen Zahlungen nicht zu den steuerbaren wiederkehrenden Bezügen, die lediglich einen Mehrbedarf des Steuerpflichtigen (z.B. einen eingetretenen Schaden) ausgleichen sollen.

  • Zwar sind wiederkehrende Bezüge nicht steuerbar, wenn sie freiwillig erbracht werden und der Empfänger keine Gegenleistung erbringt. Im Streitfall ist aber nicht erkennbar, ob die Klägerin eine Gegenleistung erbracht hat. Allein eine etwaige Rückkehrpflicht nach Libyen, eine Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin oder die Pflicht zum Wissenstransfer nach Rückkehr in die Heimat wären zwar nicht als Gegenleistung anzusehen. In Deutschland erfolgt aber die ärztliche Weiterbildung zum Facharzt im Rahmen einer angemessen vergüteten ärztlichen Berufstätigkeit. Daher sind Zahlungen aus einem Stipendium steuerbare wiederkehrende Bezüge, wenn die Weiterbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt, die Leistungen aus dem Stipendium daran anknüpfen, dass die Verpflichtungen aus dem Dienstverhältnis erfüllt werden, und die Leistungen aus dem Stipendium die fehlende Entlohnung aus dem Dienstverhältnis ausgleichen sollen.

Hinweise: Das FG muss nun ermitteln, ob die Klägerin für das Stipendium eine Gegenleistung erbracht hat. Hierzu muss es prüfen, ob die Klägerin gegenüber dem Krankenhaus zur Tätigkeit (Gegenleistung) verpflichtet war oder ob es Kooperationsvereinbarungen zwischen dem Krankenhaus und Libyen gab, in denen dienstliche Pflichten des Gastarztes festgeschrieben waren. Falls eine Gegenleistung der Klägerin zu bejahen sein sollte, wären auch diejenigen Stipendiumsleistungen steuerbar, die bereits vor Aufnahme der Tätigkeit als Gastarzt im Hinblick auf die demnächst erfolgende Tätigkeit im Krankenhaus bezahlt worden sind.

Unter bestimmten Voraussetzungen können Stipendien steuerfrei sein. Eine dieser Steuerbefreiungen hat der BFH ausgeschlossen, weil sie nur Stipendien zu Ausbildungszwecken steuerfrei stellt; die Klägerin war aber bereits ausgebildet und wollte sich jetzt nur noch fortbilden. Eine andere Steuerbefreiung, die Stipendien aus öffentlichen Mitteln freistellt, könnte hingegen in Betracht kommen; allerdings greift die Steuerfreiheit nicht, wenn der Stipendiat zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist. Die Steuerfreiheit wäre daher nicht zu gewähren, wenn die Klägerin in einem Dienstverhältnis zum Krankenhaus stand und deshalb weisungsgebunden zur Ausübung ärztlicher Betätigung verpflichtet war; dies muss das FG nun ermitteln.

BFH, Urteil vom 8.7.2020 - X R 6/19; NWB

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